Romanze in den Ruinen Berlins
Eine junge Frau und ein Amerikaner begegnen sich 1947 in Berlin. Der Soldat heißt Chet Baker und wird später ein berühmter Musiker werden, eine Legende des Jazz. Diese Geschichte erzählt von unbändiger Lebenswut vor den morbiden Kulissen der zerstörten Stadt, in der diese Liebe keine Zukunft hat. Er wird nach Amerika zurückkehren, sie heiratet einen andern.
Es ist Liebe auf den ersten Blick, als er sie am Straßenrand stehen sieht. "Sie lächeln beide. Mehr nicht …etwas, das zum Rest der Zeit nicht passte." Die Zeit - das Frühjahr nach dem härtesten aller Winter, der Ort - eine Stadt in Trümmern: Berlin, 1947. Sie werden ein Paar, für kurze Zeit, ein ungleiches Paar. Er ist 17, sie 20; er, der naive, hübsche Junge aus dem sonnigen Kalifornien, der in der Army-Kapelle aufsehenerregend Trompete spielt, und sie, die hart geprüfte junge Frau, die Krieg, Hunger, Angst, Vergewaltigungen erlebt hat und nur eines im Sinn hat, all das Grauen zu vergessen. Der junge Soldat heißt Chet Baker und wird später ein berühmter Musiker werden, eine Legende des Jazz.
Angeblich beruht die Episode auf einer wahren Begebenheit, aus der Gabriela Jaskulla eine bitterzarte, eine hinreißende Sommerromanze gemacht hat. Sie führt die beiden durch die Ruinen der Stadt, in die ersten swingenden Jazzclubs, zum Flughafen Tempelhof mit seinen unterirdischen Gängen und dem verführerischen Nachtleben im oberen Stock, wo Sieger und Besiegte zusammen tanzen, in die ersten Kinos, wo sie verbotene Filme sehen, und durch den Tiergarten, wo amerikanische Mannequins vor abgebrannten Baumstümpfen für die "Vogue" posieren. Sie ziehen durch den Grunewald zum Wannsee, in unbeschwerte Sommertage, in denen er ihr Schwimmen und Segeln beibringt und sie ihn mit sich selber bekannt macht. Doch diese Liebe hat keine Zukunft. Er wird nach Amerika zurückkehren, sie heiratet einen andern.
Natürlich ist diese Geschichte über eine unbändige Lebenswut in den morbiden Kulissen Berlins zwischen Untergang und Wiederaufbau ganz nah am Kitsch gebaut. Klug begegnet Jaskulla dieser Gefahr. Anders als der plakative Titel vermuten lässt, erzählt sie nicht etwa eindimensional. Der Roman ist vielmehr komplex entworfen, die Liebesromanze wird geschickt eingebettet in das Porträt der Stadt. Erst durch die Nebenfiguren gewinnt das Gesamtbild seine Konturen.
Die 45-jährige Journalistin, die offenbar präzise recherchiert hat, erzählt ohne jede Sentimentalität, unprätentiös und mit Empathie. "Scham war ein Luxus wie Reinlichkeit oder Brot, nur womöglich noch seltener zu haben". Mit knappen Strichen macht sie die Zeitgeschichte transparent, sie inspiziert und kommt doch ohne moralische Urteile aus. Ihre Stärke liegt in den kleinen Zeichen, sie verzichtet auf jegliches Pathos. "Die Braunen hatten gemacht, dass den Menschen nach und nach der Anstand vom Leibe fiel. Wie Kleider, die einer zu lange getragen hat… Was darunter zum Vorschein kam, war kläglich. Dass sich jeder selbst der Nächste sei, wurde zum Lebensprinzip."
Und unter der Hand enthüllt sie die Rede von der Stunde Null als Mythos.
Denn was der Krieg übrig ließ, sind keine Helden, sondern gebrochene Naturen. Alle sind sie schuldig geworden: die Mutter, die ihre beiden Töchter opfert, als die russischen Soldaten marodierend und vergewaltigend durch die Luftschutzkeller ziehen; der Vater, der als Soldat an den Sieg geglaubt hat, seelisch verkrüppelt zurückkehrt und am Familientisch die gesellschaftliche Ordnung wieder herzustellen sucht, die "Amibräute" und all die Trümmerfrauen, die sich an den Herd zurückbeordern lassen.
Jaskullas Roman rehabilitiert keinen, sie zeigt nur, wie und warum es so gewesen sein könnte – das ist das Schöne an dieser Geschichte über eine unmögliche Liebe in der Nachkriegszeit.
Rezensiert von Edelgard Abenstein
Gabriela Jaskulla, Die Geliebte des Trompeters,
Deutscher Taschenbuchverlag, München 2008, 223 Seiten, 9,95 EUR
Angeblich beruht die Episode auf einer wahren Begebenheit, aus der Gabriela Jaskulla eine bitterzarte, eine hinreißende Sommerromanze gemacht hat. Sie führt die beiden durch die Ruinen der Stadt, in die ersten swingenden Jazzclubs, zum Flughafen Tempelhof mit seinen unterirdischen Gängen und dem verführerischen Nachtleben im oberen Stock, wo Sieger und Besiegte zusammen tanzen, in die ersten Kinos, wo sie verbotene Filme sehen, und durch den Tiergarten, wo amerikanische Mannequins vor abgebrannten Baumstümpfen für die "Vogue" posieren. Sie ziehen durch den Grunewald zum Wannsee, in unbeschwerte Sommertage, in denen er ihr Schwimmen und Segeln beibringt und sie ihn mit sich selber bekannt macht. Doch diese Liebe hat keine Zukunft. Er wird nach Amerika zurückkehren, sie heiratet einen andern.
Natürlich ist diese Geschichte über eine unbändige Lebenswut in den morbiden Kulissen Berlins zwischen Untergang und Wiederaufbau ganz nah am Kitsch gebaut. Klug begegnet Jaskulla dieser Gefahr. Anders als der plakative Titel vermuten lässt, erzählt sie nicht etwa eindimensional. Der Roman ist vielmehr komplex entworfen, die Liebesromanze wird geschickt eingebettet in das Porträt der Stadt. Erst durch die Nebenfiguren gewinnt das Gesamtbild seine Konturen.
Die 45-jährige Journalistin, die offenbar präzise recherchiert hat, erzählt ohne jede Sentimentalität, unprätentiös und mit Empathie. "Scham war ein Luxus wie Reinlichkeit oder Brot, nur womöglich noch seltener zu haben". Mit knappen Strichen macht sie die Zeitgeschichte transparent, sie inspiziert und kommt doch ohne moralische Urteile aus. Ihre Stärke liegt in den kleinen Zeichen, sie verzichtet auf jegliches Pathos. "Die Braunen hatten gemacht, dass den Menschen nach und nach der Anstand vom Leibe fiel. Wie Kleider, die einer zu lange getragen hat… Was darunter zum Vorschein kam, war kläglich. Dass sich jeder selbst der Nächste sei, wurde zum Lebensprinzip."
Und unter der Hand enthüllt sie die Rede von der Stunde Null als Mythos.
Denn was der Krieg übrig ließ, sind keine Helden, sondern gebrochene Naturen. Alle sind sie schuldig geworden: die Mutter, die ihre beiden Töchter opfert, als die russischen Soldaten marodierend und vergewaltigend durch die Luftschutzkeller ziehen; der Vater, der als Soldat an den Sieg geglaubt hat, seelisch verkrüppelt zurückkehrt und am Familientisch die gesellschaftliche Ordnung wieder herzustellen sucht, die "Amibräute" und all die Trümmerfrauen, die sich an den Herd zurückbeordern lassen.
Jaskullas Roman rehabilitiert keinen, sie zeigt nur, wie und warum es so gewesen sein könnte – das ist das Schöne an dieser Geschichte über eine unmögliche Liebe in der Nachkriegszeit.
Rezensiert von Edelgard Abenstein
Gabriela Jaskulla, Die Geliebte des Trompeters,
Deutscher Taschenbuchverlag, München 2008, 223 Seiten, 9,95 EUR