Ronny Grundig: "Vermögen vererben"
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Wer hat, dem wird gegeben
05:31 Minuten
Ronny Grundig
Vermögen vererben. Politiken und Praktiken in der Bundesrepublik und Großbritannien 1945-1990Wallstein, Göttingen 2022340 Seiten
32,00 Euro
Das Erbrecht und die Höhe der Erbschaftssteuern formen die Gesellschaft. Erben ist zugleich ein persönlicher Akt, der zu Familienstreit führen kann. Eine historische Vergleichsstudie zwischen Deutschland und Großbritannien geht den Mechanismen auf den Grund.
"Kein leichtes Erbe" – dieses geflügelte Wort sagt schon ziemlich viel über das Vererben aus. Es geht um mehr als einen Vermögenswechsel, den Übergang von Geld oder Immobilien von einer Generation auf die nächste.
Das Vererben formt die Gesellschaft mit, es stabilisiert bestehende Gesellschaftsordnungen und kann soziale Ungleichheiten verfestigen. Zugleich ist es ein höchst persönlicher Akt. Wer erbt? Wer wird ausgelassen? Nicht selten können Erbregelungen zu großen Enttäuschungen und schier unlösbaren Familienfehden führen.
Hitzige Debatten über Erbschaftssteuer
Der Geschichts- und Sozialwissenschaftler Ronny Grundig hat sich in seiner Dissertation dem „Vermögen vererben“ gewidmet und die „Politiken und Praktiken in der Bundesrepublik und Großbritannien 1945-1990“ untersucht. Dabei zeichnet er nicht nur die politischen und steuerrechtlichen Debatten und Entscheidungen zur Vererbungspraxis über die Jahrzehnte nach, sondern widmet sich auch den sozialen und gesellschaftlichen Fragen, die das Thema immer wieder aufwirft.
So spiegeln sich gesellschaftliche Veränderungen stets auch im Erbrecht wider: Die Stellung der Frau oder Witwe - wie auch die unehelicher Kinder - wurde zum Beispiel im Laufe der Jahrzehnte gestärkt. Es zeigt sich allerdings, dass höhere Erbschaftssteuern abseits politischer und medialer Debatten nicht mehrheitsfähig waren, obwohl diese durchaus hitzig geführt wurden. Deutschland habe deshalb im internationalen Vergleich stets niedrige Erbschaftsteuern gehabt.
Reformen stehen in Deutschland aus
Das begünstigte die zunehmende Ungleichverteilung von Vermögen, die auch heute noch in Deutschland fortbesteht. Private Vermögen erreichen aktuell historische Höchststände, befinden sich aber im Besitz nur weniger Menschen.
"Wer hat, dem wird gegeben" – mit diesem Spruch beginnt der Autor das Fazit seiner Untersuchung. Er kommentiert diese in Deutschland über die Jahrzehnte verfestigte Erbschaftspraxis nicht, zeigt aber ihre Auswirkungen auf. Damit ist die vorliegende Dissertation ein durchaus wertvoller Debattenbeitrag. Denn größere Erbschaftssteuerreformen stehen bis heute aus.