"Rosa von Praunheim"

Von Bernd Sobolla · 23.11.2007
Manche bezeichnen Rosa von Praunheim als den beliebtesten schwulen Filmregisseur Deutschlands, manche als den unbeliebtesten. Berühmt und berüchtigt wurde Rosa von Praunheim Anfang der 70er Jahre durch seinen Dokumentarfilm "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" bzw. dem darauf folgenden Spielfilm "Die Bettwurst". Zu seinem 65. Geburtstag ist nun eine DVD-Sammlung mit 5 seiner 70 Filme erschienen.
Der Einstein des Sex:
"Und ich sage: Du sollst mir was Nettes sagen. Und du sagst: Ich kann dich nicht mitnehmen. Wirst du das aushalten? Brillant, Herr Doktor, brillant! / Karl, du weißt doch, wie die Amerikaner sind. Zwei Männer zusammen, das geht einfach nicht. / Von allen anderen verlangst du Offenheit. Ausgerechnet du. / Ich weiß. / Ich habe deine Scheinheiligkeit satt. Nur keine gemeinsame Wohnung. Nur immer schön auf Zehnspitzen. Nur kein Blick zu viel in der Öffentlichkeit. Darf ich ihnen den Archivar des Instituts Herrn Giese vorstellen."

Eine Szene aus "Der Einstein des Sex". Rosa von Praunheim verfilmte 1999 die Biographie des Sexualforschers Magnus Hirschfeld. Dieser hatte 1919 das weltweit erste Institut für Sexualwissenschaft gegründet und sich für die Abschaffung des Paragraphen 175 eingesetzt, der sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte. Und doch lebte Hirschfeld, eine Ikone der Schwulenbewegung, seine eigene Homosexualität nicht öffentlich. Praunheim schuf mit dem Film, der sicher zu seinen besten gehört, Hirschfeld ein filmisches Denkmal. Und zugleich schlug er indirekt einen Bogen zu seiner eigenen Biografie. Denn lange Zeit wurde Praunheim als "Oberhäuptling der Schwulen- und Lesbenbewegung" bezeichnet.

Rosa von Praunheim: "Das war in den 70er und 80er Jahren so, wo viele Schwule sich nicht trauten, ihren Arsch zu zeigen oder ihr Gesicht, sich nur heimlich bewegten. Und ich war einer der ersten, der so zu sagen in der Öffentlichkeit sich gezeigt hat und eben politisch gearbeitet hat und habe damit auch viele genervt, die eben eher anonym bleiben wollten. Habe ich sicher viele auch wütend gemacht. Aber ich glaube, es war notwendig. Jetzt haben wir ja viele Gesichter. Es gibt ja Gott sei Dank eine ganze Reihe. Sieht man auch an Politikern usw. Immer noch nicht genug, aber ich habe das erreicht, was ich erreichen wollte, jedenfalls in deutschen Landen."
Der erste wichtige Schritt dazu war sein Film "Die Bettwurst", der ebenfalls zum DVD-Schuber gehört. Darin verliebt sich die Tunte Dietmar in die ältere, kleinbürgerliche Sekretärin Luzie.

Die Bettwurst: "Gelächter. / Manchmal bin ich irgendwie, wie soll ich sagen? So denk ich manchmal. Bin schüchtern und das. Und da habe ich immer Zuflucht gesucht bei leichte Mädchen. / Da habe sie sicher eine materiellen Schaden. Die waren doch egoistisch und wollten viel Geld von ihnen haben. / Oh, das kann ich nicht genau sagen. Das habe ich mir noch nicht überlegt."

Allerdings kann das Werk heute nur noch unter historischen Gesichtspunkt gewürdigt werden. Ein Befreiungsschlag für alle nicht konventionellen Partnerschaften. Aber als Film ist "Die Bettwurst" eine Zumutung: unsägliche Schauspieler, quälende Dialoge, schlechte Bild- und Tonqualität. Nur gelegentlich dringt ein wenig Witz durch die steife Inszenierung. Ohnehin wirbelt der Filmemacher Rosa von Praunheim bis heute in zwei verschiedenen Ligen. Seine Dokumentarfilme sind immer eine Klasse besser als seine Spielfilme. Das war schon am Anfang seiner Karriere so, als er Debatten anstieß, die das ganze Land erfassten.

Rosa von Praunheim: "Und besonders der Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" hatte eine große politische Wirkung. Wir haben mit dem Film über 50 Schwulengruppen gegründet. Und wenn ein Film eben nicht nur ein ästhetisches Produkt ist, sondern eben auch eine Wirkung hat auf den Zuschauer, und da auch eine inhaltliche Wirkung, das ist, glaube ich, das, was am wichtigsten ist von meinen Sachen."

Auch mit seinem Werk "Männer, Helden, schwule Nazis", der im letzten Jahr erschien und ebenfalls zur DVD-Edition gehört, besticht Praunheim. Unter dem Motto "Schwulsein schützt vor Dummheit nicht" räumt er darin auf mit dem Kameradschaftsgedöns um die rechte Ikone Michael Kühnen und zeigt wie SA-Führer Ernst Röhm auf Jungensuche ging. Vor allem aber porträtiert der Filmemacher schwule Männer, die offen rechts sind und von ihrer Faszination für Uniformen, Männerritualen und Feindseligkeiten in der Schwulenszene erzählen.

Männer, Helden, schwule Nazis:
"Wir streben ja auch vielfach einem Männlichkeitsideal nach. Also ich persönlich bin ein sehr intoleranter Schwuler. Ich kann mit diesen Tatütata Huschen überhaupt nichts anfangen. Kann ich nicht. Geht nicht. Ich bin ja nicht schwul geworden, um auf so was Feminines abzufahren. Ich bin schwul geworden, um auf Kerle zu stehen. Und ein Mann macht für mich eben was anderes aus. Und nicht so Stöckelschühchen und zum CSD hin mit Tutu und mit Plüsch und so."

Alle Filme des DVD-Schuber bieten viel Bonusmaterial: Da gibt es Skurriles wie das Portrait von Praunheims Tante Luzi, Interviews mit Hirschfeld-Experten oder auch den außergewöhnlichen Bericht eines ehemaligen schwulen Insassen eines Konzentrationslagers. Eine Sammlung, die Praunheims großes Gespür für außergewöhnliche Charaktere widerspiegelt und ihn in seiner ganzen Bandbreite zeigt: Chronist, Befreier, Dilettant, Rechercheur – und immer auch Entertainer.