Rosa von Praunheim in unserer Sendung "Im Gespräch" aus dem Februar 2019:
Audio Player
"Das ist so ein bisschen wie der Todes-Oscar"
08:10 Minuten
Der Filmemacher Rosa von Praunheim erhält den Ehrenpreis für sein Lebenswerk beim Festival Max Ophüls in Saarbrücken. Doch er setze sich jetzt keinesfalls zur Ruhe, betont er. Sein neuer Spielfilm "Darkroom" über einen schwulen Mörder eröffnet das Festival.
Liane von Billerbeck: Heute beginnt wieder das 41. Filmfestival Max Ophüls in Saarbrücken und der Eröffnungsfilm heute Abend, der heißt "Darkroom", und das ist der neue Film von Rosa von Praunheim. Der Regisseur bekommt zudem in diesem Jahr auch den Ehrenpreis des Festivals für sein Lebenswerk.
Dieser Film, "Darkroom", das ist ein Film, der auf einem wahren Kriminalfall beruht. Es geht darin um einen schwulen jungen Mann, der im Berliner Nachtleben andere junge Männer mit einer Überdosis K.-o.-Tropfen tötete. Ein böser Schwuler also. 150 Filme etwa in 50 Jahren hat Rosa von Praunheim gemacht. Ich habe mit ihm vor der Sendung über diesen neuen Film gesprochen. Herr von Praunheim, ich grüße Sie!
Rosa von Praunheim: Ich wollte gern ein Gedicht zu Anfang vorlesen, das ich gerade gedichtet habe. "Unten in der Lobby". Wenn Stimmen Läuse wären und Töne Eisbären, wenn Gold aus der Kehle rinnt und alle stehen mit offenem Mund davor, aber nichts ist so schön wie die Liebe.
von Billerbeck: Ich wusste, dass man bei Ihnen immer mit Überraschungen zu rechnen hat! Reden wir über den Film, die Liebe. "Darkroom" heißt er, da denkt man ja eigentlich erst an was anderes. Da geht es aber – ich habe es gesagt – um einen schwulen Mörder, der andere Schwule per K.-o.-Tropfen-Überdosis umbringt. Was macht denn diesen Film "Darkroom" zu einem guten Eröffnungsfilm für so ein Festival?
von Praunheim: Das müssen die wissen, die das entschieden haben. Das Interessante ist, nach nun fast 50 Jahren Schwulenemanzipation braucht man nicht nur die Guten nach vorne vorzeigen, sondern kann auch mal böse Schwule, sich mit denen auseinandersetzen. Da gibt es ja auch eine ganze Menge. Dieser Mörder, das ist ja ein authentischer Fall, den wir aber abgeändert haben, auch aus Persönlichkeitsrechten. Das Interessante ist, dass es doch ein Rätsel bleibt, warum jemand diesen Schritt, dieses überschreitet, diese große Tabu, jemanden zu töten. Das ist ja irgendwie, wenn man gut erzogen ist, ist das ja nicht üblich.
von Billerbeck: Macht man nicht.
von Praunheim: Macht man nicht und will man auch nicht. Wie kommt das, dass jemand das tut. Da gibt der Film einige Vermutungen. Die Gerichtsreporterin Uta Eisenhart hat den realen Fall begleitet und protokolliert, und danach haben wir einiges verwendet.
Ein ernstes Drama
von Billerbeck: Jetzt also ein Schwuler, der ein Böser ist, ein Mörder. Was hat Sie daran so interessiert?
von Praunheim: Einmal, weil die Schwulenszene sehr viel mit Drogen zu tun hat momentan. Ich glaube, die Heteroszene auch, also jedenfalls die Ausgehkultur, Discos oder Technopartys. Das ist in der Discoszene schon öfter, dass also Mädchen K.-o.-Tropfen in den Drink kriegen und vergewaltigt werden. Das ist nun auch in der Schwulenszene angekommen. In diesem Fall ist es jemand, der das systematisch gemacht hat. Dabei wird er geschildert als sehr unauffällig, als sehr, sehr sympathisch.
von Billerbeck: Der Täter ist gerade im Referendariat, führt eigentlich ein ganz normales Leben, hat einen Freund, mit dem er zusammenlebt. Man fragt sich, wieso geht er los und bringt andere Schwule um.
von Praunheim: Wenn man das so wüsste, was so im Kopf von jemand vorgeht. Wir haben ja Gott sein Dank verschiedene Köpfe. Er hätte eigentlich ein gutes Leben haben können. Auf der anderen Seite hat er betrogen, sein erstes Ausbildungszertifikat hat er gefälscht. Auch das Abitur hat er nicht, das hat er auch gefälscht, wie sich dann später rausgestellt hat, um dann auf Lehramt studieren zu können. Wahrscheinlich der erste Mord war seine Großmutter. Das hat man später nicht in den Gerichtsprozess mit reingebracht, weil das zu viel gewesen wäre, denn er war schon so verurteilt worden.
von Billerbeck: Nun ist das ja ein eher harter Stoff, den Sie da verfilmt haben. Sonst kennt man ja immer so ein bisschen die Ironie aus Ihren Filmen. Die blitzt jetzt nur so manchmal auf. Ansonsten könnte man sagen, das ist eher ein melancholischer Film. Sehen Sie das auch so?
von Praunheim: Ja, es ist ein Drama. Es ist ein ernstes Drama. Ich hatte das Glück, dass ich mit großartigen Schauspielern arbeiten konnte, Bozidar Kocevski und Heiner Bomhard, die beide in meinem autobiografischen Musical am Deutschen Theater, "Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht", über mein Leben. Das ist sehr humoristisch. Die beiden Darsteller, da war ich am Anfang unsicher, ob sie eben auch Drama können. Das können sie.
von Billerbeck: Die sind ja durch ihr komödiantisches Talent eher aufgefallen. Waren Sie da sicher, dass die das auch können?
von Praunheim: So ganz sicher war ich nicht. Dann haben wir geprobt, und es hat sich rausgestellt, dass das beide sehr konzentrierte, gute Schauspieler sind.
Der "Todes-Oscar"
von Billerbeck: Nun hatten Ihre anderen Filme immer eine politische oder sagen wir mal überhaupt eine Botschaft, dass das Leben für Schwule durch die Gesellschaft immer noch sehr schwierig ist. Ist das jetzt ein Film, wo man sagen könnte, es hat sich sehr viel getan, man kann jetzt auch so eine Geschichte erzählen?
von Praunheim: Ja, auf jeden Fall.
von Billerbeck: Sie bekommen den Ehrenpreis des Filmfestivals Max Ophüls für Ihre Verdienste um den jungen deutschen Film. Das ist so ein bisschen wie der Preis fürs Lebenswerk. Macht einem das nicht Angst? Jetzt ist gleich Schluss, oder die erwarten nix mehr von mir?
von Praunheim: Ja, Todes-Oscar ist das so ein bisschen. Aber ich bin noch jung und habe noch viel vor und habe auch viele Pläne, habe gerade einen wunderbaren Film gemacht über Schwule und Oper, Operndiven, Operntunten, und plane jetzt schon für meinen 80. Geburtstag, der bombastisch werden muss. Vielleicht fällt der ja mit meiner Beerdigung zusammen. Das wäre praktisch, dann hätte sich die Mühe gelohnt. Aber nein, es ist schön, wenn man arbeiten darf. Also für mich ist das größte Glück, wenn ich arbeiten darf. Ich schreibe gerade an einem Roman und schreibe sehr viele Gedichte. Ich habe Ausstellungen.
von Billerbeck: Und Max Ophüls, was bedeutet der Ihnen? Ich habe jetzt, als ich mich auf das Gespräch vorbereitet habe, noch mal nachgeguckt, und da fiel mir ein, stimmt, der hat ja diese berühmte Verfilmung von Arthur Schnitzler gemacht, "Liebelei", auch ein politischer Film, auch ein sehr melancholischer Film. Der letzte, bevor er emigriert ist. Was bedeutet Ihnen dieser Kollege?
von Praunheim: Ich habe mich nicht so mit ihm beschäftigt. Ich habe ein paar Filme gesehen, aber es ist nicht so sehr der Name des Festivals, sondern dass es ein Nachwuchsfestival ist, das interessiert mich, weil ich auch unterrichtet habe und das toll finde, dass so Nachwuchsfestival so bekannt geworden ist, so eine große Wichtigkeit bekommen hat.
von Billerbeck: Wo haben Sie Ihre Spuren hinterlassen im jungen deutschen Film? Was meinen Sie, wo sind da Ihre Fußstapfen zu sehen?
von Praunheim: Ich habe vor 50 Jahren den Film "Die Bettwurst" gemacht, und das ist immer noch so ein Klassiker. Das soll jetzt auch zu einem Musical gemacht werden. Das ist mit meiner Tante Luzi und Dietmar, die dann immer kreischen, ich liebe dich, ich liebe dich. Das waren so die ersten Mal, dass Laien mit viel Fantasie vor der Kamera so Hauptrollen spielten. Das war damals für viele ein Schock, aber für andere auch ein großes Vergnügen. Es ist ein Kultfilm geworden. Das war so ein Glücksfall, den man ja nicht planen kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.