Rosendornen und süße Lindendüfte
Romancier, Lyriker, Biograph, Essayist - Peter Härtling wurde schon als "Dichter für alle" tituliert, und seine Kinderbücher haben schon seit Jahrzehnten Kultstatus. Am 13. November feiert er seinen 80. Geburtstag.
"Es ist meine Litanei, unwiederholbar in der Wiederholung, sie baut abgerissene Häuser auf, ruft sich die Toten her.""
In der Litanei seiner Literatur ist für Peter Härtling das Motiv aus Franz Schuberts »Winterreise«, dass wir »fremd eingezogen und fremd wieder ausziehen«, immer prägend gewesen. In seinem 1988 erschienenen Buch »Der Wanderer« notierte er:
Ich verstehe die Botschaft der "Winterreise" als eine an Rätseln reiche Erklärung unseres Zustands. Wir gleichen dem namenlosen Wanderer. Wir wandern nicht mehr, um anzukommen, wir sind unterwegs in einer frostigen, auskühlenden Welt.
Ein Komponist, ein Musiker im 19. Jahrhundert wäre Peter Härtling nach seinem Bekenntnis immer gerne gewesen. Geworden ist er einer der prominentesten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit, der auf die alte Gottfried Benn-Frage: »Wie soll man da leben?« die schon im Titel seiner 2003 erschienenen Erinnerungen auftauchende Antwort gab, dass es vor allem darum gehe, überhaupt »Leben zu lernen«. Geboren am 13. November 1933 in Chemnitz als Sohn eines Rechtsanwalts. Schreiben wollte er früh, wurde Journalist bei der Nürtinger Zeitung und schickte Anfang der 1950er Jahre Gedichte an den Bechtle Verlag – und wurde gedruckt.
"»Diese ersten Gedichte … waren keineswegs Ausbrüche von Pubertät, sondern … Objektivierungen in Gestalten, und das begann schon hier: Dass ich mir eine Spielfigur nahm, damals war es Don Quichotte, und ich weiß, wie das erste Gedicht begann: "Narren sind immer wunderlich und immer gleich.""
Als Journalist brachte Härtling es in den 1960er Jahren bis zum Feuilletonchef der berühmten Deutschen Zeitung und Herausgeber der Zeitschrift Der Monat; später wurde er Cheflektor und Mitglied der Geschäftsleitung des S. Fischer Verlags, bis er sich 1973 als freier Schriftsteller im hessischen Mörfelden-Walldorf niederließ und pro Jahr mindestens ein Buch veröffentlichte, Romane, Erzählungen, Gedichte, Kinderbücher, Essays. Vor allem romanhafte Biographien über Künstler, Musiker wie Franz Schubert oder Robert Schumann, Schriftsteller wie Friedrich Hölderlin oder Nikolas Lenau, wurden sein Markenzeichen. Darin war er der Gegenwart der Vergangenheit auf der Spur, wobei ihm jeder Text, wen auch immer er darin als Spielfigur vorschob, zu einer Recherche in eigener Sache geriet.
"»Ich habe sehr früh viele Leute sterben gesehen und habe da zum ersten Mal begriffen, dass Zeit aufhört, und zwar subjektive Zeit, und ich begann als 10,12,13jähriger nachzudenken, was mit der Zeit passiert, mit dieser subjektiven Zeit, die endet. Und was von der Zeit geblieben ist. Und dann gerann in mir der Gedanke – es ist wirklich eine Art des Gerinnens –: dass die Zeit durch einen hindurch geht und sich entfalten muss, damit sie überhaupt als Zeit begrifflich ist. Und das kann der Mensch als einziger, das Tier kann es nicht … Der Mensch hat ein erinnerte Zeit, und die Erinnerung wiederum läuft einem ja weg, sie läuft der Zeit weg, die man hat, geht fort, und sie verfestigt sich nur im Augenblick, und diese Augenblicke sind für mich das Wichtigste überhaupt, die Augenblicke, wo ein Mensch die Augen aufreißt und etwas sieht, … und … das möchte ich beschreiben, immer wieder, immer wieder.«"
Ein geselliger, freundlicher, dem Leben und anderen Menschen zugewandter Mann, auch ein wacher Beobachter der politischen Zeitläufte, der sich früh in den 1960er Jahren als Wahlkämpfer für die SPD und später in der Friedensbewegung engagierte. Als Autor mit zahlreichen Preisen hoch geehrt, musste Härtling allerdings auch manche hämische Rezension über sich lesen, bis zum Vorwurf, sogar den Kitsch nicht zu meiden – er hat gleichwohl auf seinen emotionalen Gewissheiten beharrt. Unterwegs noch einmal in den Gassen von Nürtingen, der Stadt seiner Jugend, wusste er rückblickend über die Gegenwart seiner Vergangenheit:
"»Wohin man nicht zurückkehren kann … Was sich erneuert in Siegen, Wörtern, Geschichten. Rufe höre ich, abgerissene Anfänge von Liedern, Abzählreimen, Bruchstücke aus Briefen, Kinderschreie, kleinmäuliger Klatsch, Seufzer, Szeneglöcklein und das Gesumme der Toten. Dass es wiederkehre, lichter, heiterer, eine dauernde Szenerie und Rosendornen und süße Lindendufte. Es wird ihre Geschichte, es ist die meine. Ich kann sie forttragen.«"
In der Litanei seiner Literatur ist für Peter Härtling das Motiv aus Franz Schuberts »Winterreise«, dass wir »fremd eingezogen und fremd wieder ausziehen«, immer prägend gewesen. In seinem 1988 erschienenen Buch »Der Wanderer« notierte er:
Ich verstehe die Botschaft der "Winterreise" als eine an Rätseln reiche Erklärung unseres Zustands. Wir gleichen dem namenlosen Wanderer. Wir wandern nicht mehr, um anzukommen, wir sind unterwegs in einer frostigen, auskühlenden Welt.
Ein Komponist, ein Musiker im 19. Jahrhundert wäre Peter Härtling nach seinem Bekenntnis immer gerne gewesen. Geworden ist er einer der prominentesten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit, der auf die alte Gottfried Benn-Frage: »Wie soll man da leben?« die schon im Titel seiner 2003 erschienenen Erinnerungen auftauchende Antwort gab, dass es vor allem darum gehe, überhaupt »Leben zu lernen«. Geboren am 13. November 1933 in Chemnitz als Sohn eines Rechtsanwalts. Schreiben wollte er früh, wurde Journalist bei der Nürtinger Zeitung und schickte Anfang der 1950er Jahre Gedichte an den Bechtle Verlag – und wurde gedruckt.
"»Diese ersten Gedichte … waren keineswegs Ausbrüche von Pubertät, sondern … Objektivierungen in Gestalten, und das begann schon hier: Dass ich mir eine Spielfigur nahm, damals war es Don Quichotte, und ich weiß, wie das erste Gedicht begann: "Narren sind immer wunderlich und immer gleich.""
Als Journalist brachte Härtling es in den 1960er Jahren bis zum Feuilletonchef der berühmten Deutschen Zeitung und Herausgeber der Zeitschrift Der Monat; später wurde er Cheflektor und Mitglied der Geschäftsleitung des S. Fischer Verlags, bis er sich 1973 als freier Schriftsteller im hessischen Mörfelden-Walldorf niederließ und pro Jahr mindestens ein Buch veröffentlichte, Romane, Erzählungen, Gedichte, Kinderbücher, Essays. Vor allem romanhafte Biographien über Künstler, Musiker wie Franz Schubert oder Robert Schumann, Schriftsteller wie Friedrich Hölderlin oder Nikolas Lenau, wurden sein Markenzeichen. Darin war er der Gegenwart der Vergangenheit auf der Spur, wobei ihm jeder Text, wen auch immer er darin als Spielfigur vorschob, zu einer Recherche in eigener Sache geriet.
"»Ich habe sehr früh viele Leute sterben gesehen und habe da zum ersten Mal begriffen, dass Zeit aufhört, und zwar subjektive Zeit, und ich begann als 10,12,13jähriger nachzudenken, was mit der Zeit passiert, mit dieser subjektiven Zeit, die endet. Und was von der Zeit geblieben ist. Und dann gerann in mir der Gedanke – es ist wirklich eine Art des Gerinnens –: dass die Zeit durch einen hindurch geht und sich entfalten muss, damit sie überhaupt als Zeit begrifflich ist. Und das kann der Mensch als einziger, das Tier kann es nicht … Der Mensch hat ein erinnerte Zeit, und die Erinnerung wiederum läuft einem ja weg, sie läuft der Zeit weg, die man hat, geht fort, und sie verfestigt sich nur im Augenblick, und diese Augenblicke sind für mich das Wichtigste überhaupt, die Augenblicke, wo ein Mensch die Augen aufreißt und etwas sieht, … und … das möchte ich beschreiben, immer wieder, immer wieder.«"
Ein geselliger, freundlicher, dem Leben und anderen Menschen zugewandter Mann, auch ein wacher Beobachter der politischen Zeitläufte, der sich früh in den 1960er Jahren als Wahlkämpfer für die SPD und später in der Friedensbewegung engagierte. Als Autor mit zahlreichen Preisen hoch geehrt, musste Härtling allerdings auch manche hämische Rezension über sich lesen, bis zum Vorwurf, sogar den Kitsch nicht zu meiden – er hat gleichwohl auf seinen emotionalen Gewissheiten beharrt. Unterwegs noch einmal in den Gassen von Nürtingen, der Stadt seiner Jugend, wusste er rückblickend über die Gegenwart seiner Vergangenheit:
"»Wohin man nicht zurückkehren kann … Was sich erneuert in Siegen, Wörtern, Geschichten. Rufe höre ich, abgerissene Anfänge von Liedern, Abzählreimen, Bruchstücke aus Briefen, Kinderschreie, kleinmäuliger Klatsch, Seufzer, Szeneglöcklein und das Gesumme der Toten. Dass es wiederkehre, lichter, heiterer, eine dauernde Szenerie und Rosendornen und süße Lindendufte. Es wird ihre Geschichte, es ist die meine. Ich kann sie forttragen.«"