Ende der Durchreise?
Für Flüchtlinge auf dem Weg nach Norden hat sich Rostock zu einem wichtigen Knotenpunkt entwickelt. Doch nun zieht Schweden die Reißleine und will keine Neuankömmlinge mehr aufnehmen. Droht damit ein dramatischer Rückstau?
Rostock Hauptbahnhof. Wieder trifft ein Zug aus Hamburg ein. Diesmal mit rund 20 Flüchtlingen, und der Rostocker Hikmat Al-Sabty bietet sich an, eine erste Orientierung auf Arabisch zu geben. Doch auch seine Mittel sind manchmal begrenzt.
"Sie wissen ja nicht, ist Deutschland gut für sie? Oder Schweden? Manche fragen: Ist Schweden besser als Deutschland? Aber wir können natürlich nicht sagen, was besser ist."
Allein in den letzten zwei Monaten gingen fast 32.000 nichtregistrierte Flüchtlinge über die Ostseeroute Rostock-Trelleborg nach Schweden. Das gefalle nicht jedem, erzählt dieser ehrenamtliche Helfer:
"Eben war eine Frau da. Aus Schweden, behauptete sie, von der schwedischen Autorität, also Stadtregierung. Keine Ahnung. Und sie hat uns sehr eindrücklich, sehr energisch gesagt, dass wir aufhören sollen. Dass wir keine Leute mehr schicken sollen. Aber wir sind ja nicht die, die schicken. Wir können sie nicht aufhalten. Das wollen wir nicht. Die Leute entscheiden selbst, wo sie hinwollen."
Drehkreuz Richtung Schweden
Dass Rostock einmal das wichtigste Flucht- und Migrationsdrehkreuz Richtung Schweden sein würde, hätte sich niemand träumen lassen, sagt der Sprecher des Rathauses, Ulrich Kunze. Doch weil Dänemark Anfang September begonnen hatte, jeden ein- und durchreisenden Ausländer zu registrieren, hatte es sich schlagartig als Transitland nach Schweden unattraktiv gemacht. Deutschland hingegen winkt nun auch seit dem Sommer jeden unbesehen durch, der das Fluchtziel Skandinavien angibt. Blitzschnell verlagerte sich die Route nach Rostock, wo gleich zwei Fährreedereien Schweden anfahren.
"Am 8. September abends hat unser Sozialsenator einen Anruf aus dem Innenministerium bekommen, dass 80 Flüchtlinge auf der Reise nach Rostock seien, im Regionalexpress Schwerin gerade verlassen haben und wir uns doch bitte um die Beherbung kümmern. In einer Stunde wären sie am Rostocker Hauptbahnhof."
So gehe das seitdem mehrmals täglich von morgens bis nachts um zwei Uhr. Nur dass mal vier "Transitreisende" aus einem Hamburg-Schwerin-Zug steigen, mal vierhundert. Jetzt, bei dem ausgedünnten Winterfahrplan mit täglich nur noch 6 Überfahrten von Rostock nach Trelleborg (plus 1x Sassnitz – Trelleborg), reichen die Kapazitäten nicht für alle. Die Wartezeit beträgt derzeit vier Tage, und die Stadt muss sich um einen Stau von 1.200 bis 2.200 "obdachlosen Transitreisenden" kümmern.
In der "Fiete-Reder-Sporthalle" kann das Deutsche Rote Kreuz bis zu 465 Menschen unterbringen und versorgen. Derzeit seien "nur 300 Leute in der Halle". Platz für ein bisschen Basketball und andere Spiele. "Gut so" sagt Gunnar Jasinski, Leiter dieser Notunterkunft. Beschäftigung sei jetzt, so kurz vor dem Ziel, besonders wichtig für diese Menschen. Manch einen macht das Warten doch sehr nervös. Was, wenn sie zu spät wegkommen, wenn Schweden ihnen keine Bleibe mehr bietet?
"Es gibt welche, die sagen, die haben die Grenze zugemacht. Ich sage, kann ich mir nicht vorstellen, weil, es wäre ja irgendwo Rücklauf zu uns gekommen. Also es ist noch keiner von den Flüchtlingen, die unsere Einrichtung verlassen haben, wieder zurückgekommen."
Auch am Fährterminal des Rostocker Überseehafens entfaltet Schwedens Abeschreckung noch keine spürbare Wirkung. Der junge Mann von der Initiative "Rostock hilft", der gerade 30 junge Syrer und Afghanen verpflegt, kümmert sich in Absprache mit den beiden Fährgesellschaften auch mit um den geordneten Verkauf der täglich 300 - 400 Trelleborg-Tickets. Die seien begehrt wie eh und je. Und die Zahl der Rückkehrer? Übersichtlich.
Der große Rückstau bleibt bislang aus
"Zurück kommen regelmäßig Leute, aber das sind eher kleine Gruppen. Maximal pro Schiff 5,6 Mann, wenn überhaupt. Einfach weil sie doch gesehen haben, dass Schweden nicht das ist, was sie sich so vorgestellt haben."
Einen Trend kann auch Ulrich Kunze von der Stadt Rostock bislang noch nicht erkennen. Er ist sich nur über eines sicher, falls Schweden wirklich Ernst machen sollte.
"Genauso, wie wir ein wichtiger Punkt geworden sind, könnten wir auch wieder von der Flucht-Landkarte verschwinden. Auf der anderen Seite hat Rostock dadurch, glaube ich, sehr gute Kapazitäten, um für die integrierend zu wirken, die dauerhaft bleiben und ein Leben zwischen uns aufbauen wollen."