Roswitha Quadflieg und Burkhart Veigel: "Frei"

Ein Leben für die Freiheit

"Frei" von Roswitha Quadflieg und Burkhart Veigel
Sachbuch als Grundlage des Romans: Mauerbau und Fluchtversuche in Berlin © Europa Verlag/dpa/picture alliance/Chris Hoffmann
Von Birgit Koß |
Ob Doppelgänger-Methode oder Tunnelbau – Burkhart Veigel hat etwa 650 Menschen zur Flucht verholfen. Nach einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas hat er mit Roswitha Quadflieg dazu den spannenden Roman "Frei" verfasst.
Burkhart Veigel hat in den 60er-Jahren in Berlin als Fluchthelfer etwa 650 Menschen in den Westen gebracht und dafür 2012 das Bundesverdienstkreuz erhalten. Nach einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas Fluchthilfe und Stasi hat er nun gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Roswitha Quadflieg dazu einen Roman verfasst.
Das Pendant des Autors heißt Janus Emmeran, ist mit 77 Jahren körperlich und geistig sehr fit und verliebt sich über eine Kontaktanzeige in die etwa 30 Jahre jüngere Colette. Eine rasante Amour fou nimmt ihren Lauf. Parallel wird die Geschichte des jungen Studenten Janus erzählt, der 1961 Medizin an der FU Berlin studiert, nachdem er sich aus der Enge und Rigidität von Mutter und Großmutter im Schwabenland befreit hat.
Am 13. August kann er nicht fassen, was aus dem Radio ertönt, es wird eine Mauer quer durch Berlin gebaut. Janus begibt sich mit seinem westdeutschen Pass in den Osten und besucht seinen Kommilitonen Thomas Pospiech. Am nächsten Tag holt er ihn mit einem ähnlichen Pass in den Westen. Die Geschichte des Fluchthelfers beginnt. Während zu Beginn noch die Ähnlichkeit mit einem Passbild ausreicht, werden die Kontroll- ebenso wie die Fälschungsmethoden sehr schnell immer raffinierter.

Verrat durch Stasispitzel

Spannend wie ein Krimi lesen sich die verschiedenen Fluchtarten, wie die Doppelgänger-Methode, der Tunnelbau oder später das Versteck im Armaturenbrett eines umgebauten Cadillacs. Aber es geht auch um Fallen und Verrat durch Stasispitzel bis hin zu Entführungsversuchen und Todesdrohungen.
Immer wieder kehrt der Roman in die Gegenwart zurück. Durch die Figur von Colette, in der DDR geboren und aufgewachsen mit überzeugten Kommunisten als Eltern, gelingt es, die Fluchthilfe aus einer anderen Perspektive und mit dem historischen Abstand zu betrachten und die persönlichen Motive von Janus Emmeran zu hinterfragen. Was ist das für eine Person, die so überzeugt gegen den Sowjet- und DDR-Kommunismus agiert, aber keine Berührungsängste zur CIA hat, parallel noch das Medizinstudium absolviert und ein großer Musikliebhaber und Geigenspieler ist? Eine reizvolle, aber auch anstrengende Frage für die lebenslustige Colette, die über ihren kleinen Verlag die Poesie in den Roman trägt.

Bedingungslose Liebe zur persönlichen Freiheit

Durch die Zeitsprünge wird die Fluchthilfe nicht nur als historisches Thema betrachtet, sondern auch in die Gegenwart geholt. Die Frage, warum Janus – der Kopf, der immer in zwei Richtungen blickt – nicht Flüchtlinge aus dem Mittelmeer rettet, erübrigt sich durch sein Alter. Aber seine bedingungslose Liebe zur persönlichen Freiheit durchzieht wie ein roter Faden sein Leben und damit schließt sich der Kreis zum Autor. Eindrücklich warnt er vor jeglicher Romantisierung und Schönfärbung der DDR-Vergangenheit.
Ein klares Plädoyer für selbstbestimmtes Handeln halten Roswitha Quadflieg und Burkhart Veigel in ihrem rasanten und äußerst spannenden Roman. Gleichzeitig beleuchten sie ein Stück deutsch-deutsche Vergangenheit, die vielfach schon vergessen ist oder anders wahrgenommen wurde – Fluchthilfe als leicht anrüchiges Geschäft. Dagegen setzen die beiden Autoren den Willen zur Freiheit und das damit verbundene persönlichen Engagement, unabhängig vom Zeitgeist, selbst wenn es unbequem wird.

Roswitha Quadflieg, Burkhart Veigel: "Frei"
Europa Verlag, München, 2018
338 Seiten, 19,90 Euro

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