Rot und Schwarz
Für den 1933 in Oelsnitz geborenen Reiner Kunze, der in einer Bergarbeiterfamilie aufwuchs und dessen Interesse zunächst dem Malen galt, sind Farben bedeutend. So kombiniert er Motive wie Mohn, rote Fische und eine Arbeiterfahne. Andere Gedichte handeln von Nacht und Kohle. In ihnen wird sparsam mit Worten umgegangen.
Die in Reiner Kunzes neuem Lyrikband "lindennacht" versammelten Gedichte vermessen das Leben und bedienen sich dabei der Koordinaten von Himmel und Erde. Die 80 Gedichte sind überwiegend in den Jahren 2005 und 2006 entstanden. Mit Ausnahme von "mohnmond", das 2002 und den Gedichten "Hermann Lenz", "der sprung", "hinab" und "der teich mit den roten fischen", die 2004 entstanden sind.
Das letztgenannte Gedicht eröffnet den sich in fünf Abteilungen gliedernden Band. Ganz bewusst steht es am Anfang dieser Sammlung. Reiner Kunze beschreibt in "der teich mit den roten fischen" eine beschauliche Atmosphäre: In einem Teich, in dem sich die Sonne spiegelt, schwimmen rote Fische. Doch in der vorletzten Strophe vollzieht das Gedicht eine überraschende Wende. Der Autor stellt sie her, indem er die Bewegung der roten Fische zum Wehen der Arbeiterfahne in Beziehung setzt, die "zerschlissen von unfehlbarkeit / […] ans entzündete des eigenen lebens" erinnert. Rot wird so zur Klammer und das "morgenrot" mehr als ein Naturschauspiel. Erinnerungen tauchen auf. Sie können sich dank des "klatschmohns" ihren Weg bahnen und zeigen einen "hungerflüchter", der "süchtig / nach schönem" war.
Für den 1933 in Oelsnitz geborenen Reiner Kunze, der in einer Bergarbeiterfamilie aufwuchs und dessen Interesse zunächst dem Malen galt, sind Farben bedeutend. "Meiner kindheit liehen ihre farben / kohle, gras und himmel". Nicht rot, sondern schwarz ist die bestimmende Farbe in seinem neuen Gedichtband. Der Himmel, den er anruft, ist der Nachthimmel. Dessen schwarzes Band reicht bis in die Stollen, in denen die Bergarbeiter ihr Tagewerk verrichten. Die Gedichte von Reiner Kunze handeln von der Nacht – erinnern sie ans Leben, dann ist ihnen zugleich die Gewissheit des Todes eingeschrieben.
Reiner Kunze liest seine Kindheit. Er tut es vor dem Hintergrund der sich neigenden Lebensbahn. Bei dieser Lektüre lässt er den "hungerflüchter" Gestalt annehmen, der seine erste Erfahrungen mit der Kohle hatte: "Wir lasen kohle, um zu überleben", wie es in dem Gedicht "kohle lesen" heißt.
In den Gedichten Reiner Kunzes wird sparsam mit Worten umgegangen. Doch gerade durch diese waltende Strenge werden seine Gedichte geräumig. Sie laden dazu ein, sich in ihnen zu bewegen - kein Wort, das sie verstellt.
Rezensiert von Michael Opitz
Reiner Kunze: lindennacht. gedichte.
S. Fischer Verlag. Frankfurt am Main 2007, 111 Seiten. 17,90 Euro.
Das letztgenannte Gedicht eröffnet den sich in fünf Abteilungen gliedernden Band. Ganz bewusst steht es am Anfang dieser Sammlung. Reiner Kunze beschreibt in "der teich mit den roten fischen" eine beschauliche Atmosphäre: In einem Teich, in dem sich die Sonne spiegelt, schwimmen rote Fische. Doch in der vorletzten Strophe vollzieht das Gedicht eine überraschende Wende. Der Autor stellt sie her, indem er die Bewegung der roten Fische zum Wehen der Arbeiterfahne in Beziehung setzt, die "zerschlissen von unfehlbarkeit / […] ans entzündete des eigenen lebens" erinnert. Rot wird so zur Klammer und das "morgenrot" mehr als ein Naturschauspiel. Erinnerungen tauchen auf. Sie können sich dank des "klatschmohns" ihren Weg bahnen und zeigen einen "hungerflüchter", der "süchtig / nach schönem" war.
Für den 1933 in Oelsnitz geborenen Reiner Kunze, der in einer Bergarbeiterfamilie aufwuchs und dessen Interesse zunächst dem Malen galt, sind Farben bedeutend. "Meiner kindheit liehen ihre farben / kohle, gras und himmel". Nicht rot, sondern schwarz ist die bestimmende Farbe in seinem neuen Gedichtband. Der Himmel, den er anruft, ist der Nachthimmel. Dessen schwarzes Band reicht bis in die Stollen, in denen die Bergarbeiter ihr Tagewerk verrichten. Die Gedichte von Reiner Kunze handeln von der Nacht – erinnern sie ans Leben, dann ist ihnen zugleich die Gewissheit des Todes eingeschrieben.
Reiner Kunze liest seine Kindheit. Er tut es vor dem Hintergrund der sich neigenden Lebensbahn. Bei dieser Lektüre lässt er den "hungerflüchter" Gestalt annehmen, der seine erste Erfahrungen mit der Kohle hatte: "Wir lasen kohle, um zu überleben", wie es in dem Gedicht "kohle lesen" heißt.
In den Gedichten Reiner Kunzes wird sparsam mit Worten umgegangen. Doch gerade durch diese waltende Strenge werden seine Gedichte geräumig. Sie laden dazu ein, sich in ihnen zu bewegen - kein Wort, das sie verstellt.
Rezensiert von Michael Opitz
Reiner Kunze: lindennacht. gedichte.
S. Fischer Verlag. Frankfurt am Main 2007, 111 Seiten. 17,90 Euro.