Verletzte Seelen an der Waffe
Man sieht ausschließlich Archivmaterial, ohne jeden Kommentar montiert. Das ist die große Stärke des Kinofilms "Une Jeunesse Allemande". Über gut 90 Minuten erlebt der Zuschauer, wie aus faszinierenden jungen Menschen die Terrorgruppe "Rote Armee Fraktion" wurde.
Zehn Jahre war der französische Regisseur Jean-Gabriel Périot in deutschen Film- und Fernseharchiven unterwegs, um diesen Film zu montieren. Nun kommt "Une Jeunesse Allemande – eine deutsche Jugend" in die Kinos.
Gezeigt wird eine Jugend von den 1950er bis in die 1970er Jahre. Dabei umkreist der Film die Frage, wie es zur Gründung der linksextremistischen, terroristischen Vereinigung "Rote Armee Fraktion" (RAF) kommen konnte.
Im Deutschlandradio Kultur hat der Regisseur Andres Veiel (Blackbox BRD, 2001) die Dokumentation des französischen Kollegen Périot gewürdigt. Er nannte "Une Jeunesse Allemande" "einen ganz eigenwilligen Film, der das Bildergedächtnis befragt". Montiert ist er aus Fotos, Filmen oder zum Teil auch nur aus Stimmen.
Klima der Zeit aus "Eskalation und Gewalt"
"Es ist eine ganz feinsinnige Montage, die für mich einen Sog erzeugt hat in diesen Strudel von Eskalation, von Gewalt, von Atemlosigkeit", sagte Veiel. Nach und nach schraube sich der Film in dieses Klima der Zeit aus "Eskalation und Gewalt".
Zugleich erlebe man ein "Faszinosum", das die Jugend in diesen Jahren auch auszeichnete – ein Faszinosum "von Entschiedenheit, von Aufbruch, von Unbedingtheit".
Veiel sagte: "Er [der Film] öffnet Räume – Räume, wo ich über das Bildmaterial erstmal wieder anfange, mich für diese Zeit zu interessieren, weil ich es so noch nicht gesehen habe. Und in der Feinheit der Montage, wie von einer Sequenz in die andere übergegangen wird, entsteht plötzlich Reibung, entstehen Fragen, entstehen Widersprüche. Das heißt, ich begreife noch mal neu: Welche Aufladung hat eigentlich diese Gewalt?"
Für Veiel kommt der Terror, die Gewalt der RAF, "aus der Mitte der Gesellschaft".
"Diese Gewalt ist in der deutschen Kleinfamilie entstanden. (…) Er [der Film] ist über diese Bilderreise auch ein Weg, diese Zeit noch mal anders zu reflektieren und zu begreifen", so Andres Veiel.