Das lukrative Geschäft mit der Monarchie
Wenn am 19. Mai Prinz Harry und Meghan Markle heiraten, werden drei Milliarden Menschen zuschauen. Das Glück des Brautpaares wird nur noch von dem der Taschentuchindustrie übertroffen: Rund 300.000 Kilometer Zellstoff werden die Tränen der Welt trocknen.
Im Souvenirladen von Derek Prime drängen sich Touristen aus aller Welt. Der Shop mit dem schönen Namen "King and Queen" liegt in Windsor direkt gegenüber den Schlossmauern von Windsor Castle. Für die Touristen, die links vom Bahnhof oder rechts vom Schloss kommen, sind die drei Treppenstufen in den Laden der Zugang in eine Welt der Deckchen und Löffel, Fähnchen und Becher. Souvenirs, sagt Derek, sind immer sein Leben gewesen, aber diese Tage jetzt – das sei ja unglaublich: ein einziges rein und raus, so geht das den ganzen Tag.
Derek ist in Windsor geboren. Sein Leben lang hat er hier Souvenirs verkauft. Jetzt, mit 74 Jahren, hat er sich eigentlich schon zur Ruhe gesetzt, aber für diese Festtage rund um die Hochzeit des Jahres hängt sich Derek nochmal voll rein.
"Wir haben auch noch Geschirrtücher, heute ist auch noch Tee reingekommen, aber es kommt so viel rein, und es geht so viel raus. Schnell. So schnell wie es reinkommt, geht es auch wieder raus."
Britische Wirtschaft erwartet eine Milliarde Pfund
100.000 Menschen erwarten die Händler und Kaffeehausbetreiber, die Pub-Besitzer und Hoteliers in Windsor. Millionen Zuschauer erwarten die Fernsehanstalten. Und eine Milliarde Pfund erwartet die britische Wirtschaft von dieser royalen Hochzeit. An diesem 19. Mai 2018 wird sich das britische Geschäftsmodell Monarchie von seiner lukrativen Seite zeigen.
Es gab Zeiten, da hätten die Briten keine Wette mehr darauf abgeschlossen, dass sie diese Hochzeit noch erleben. Harry, der Rebell, Dirty Harry, Harry mit einer Hakenkreuz-Armbinde auf einer Kostümparty, Harry nackt am Billardtisch in Las Vegas: Prinz Henry Charles Albert David of Wales, genannt Harry, war über Jahre hinweg vor allem eine Existenzsicherung für die Boulevardpresse. Ein Teenager auf der öffentlichen Suche nach seinem Platz im Leben.
Er wollte nicht das Gleiche erleben wie seine Mutter
"Er habe, sagt Harry heute, damals den Kopf in den Sand gesteckt, nach der Scheidungsschlacht der Eltern, nach dem Unfalltod der Mutter. Er habe nicht Prinz Harry sein, nicht diese Rolle haben wollen, man habe doch gesehen, was mit seiner Mutter geschehen sei, warum solle ihm das Gleiche passieren?"
Seine Eskapaden haben ihm die Briten immer verziehen. Harry sei einfach ein bisschen volksnäher als die anderen Mitglieder der königlichen Familie, findet Joe Little vom Royalty-Magazin "Majesty".
Harry war immer ein frecher Typ
"Harry war immer ein bisschen der freche Typ, und das mögen die Leute. Er ist übermütig, und die Leute mögen, dass er nicht alles so furchtbar ernst nimmt und Spaß mit ihnen haben kann."
Inzwischen aber hat Harry auch zahlreiche sehr ernsthafte Aufgaben übernommen. Er ist Schirmherr Dutzender Wohlfahrtsorganisationen, kümmert sich um Obdachlose und um gestrandete Jugendliche, um Menschen mit psychischen Belastungen, er hat die Invictus Games ins Leben gerufen, einen Sportwettbewerb für Kriegsinvalide. Harry ist Vollzeit-Mitarbeiter in der Firma, wie das Königshaus sich selbst gelegentlich nennt – und kein schlechter, findet Joe Little vom Magazin "Majesty".
"Meghan und Harry leisten großartige Arbeit"
"Der Harry, den wir heute sehen, ist ein ganz anderer als der von vor fünf Jahren. Er ist sehr gereift. Er hat viele Pflichten in der königlichen Familie übernommen und macht das wirklich gut. Ich glaube, viele junge Leute können mit Meghan und Harry mehr anfangen als mit William und Kate oder gar Charles, Camilla und der Queen. Das ist wichtig, damit die königliche Familie auch im 21. Jahrhundert relevant bleibt, und da leisten Meghan und Harry großartige Arbeit."
Meghan Markle ist der Star dieser Hochzeit. Schon bei ihren ersten Auftritten an der Seite von Harry fliegen ihr die Herzen in allen Teilen des Landes zu, die Menschen stehen zu Hunderten an den Absperrungen und rufen: Harry, geh mal zur Seite, wir wollen Meghan sehen. Die Briten, von denen man sagt, sie zeigten Gefühle nur bei Hunden und Pferden – sie haben ihr Herz für Meghan entdeckt.
Heiratsantrag beim Hühnchen
Der Beginn der Romanze ist verbürgt: Es war ein Blind Date im Soho Club im Herzen von London. Arrangiert haben soll das Treffen eine gemeinsame Freundin von Harry und Meghan im Juli 2016, am Rande des Tennis-Turniers in Wimbledon. Es folgen Monate der heimlichen Treffen, dann Ende 2016 die ersten Fotos, die die beiden zusammen zeigen, und schließlich, im November 2017: Die Bekanntgabe der Verlobung. Wann genau die stattgefunden hat, wissen wir bis heute nicht, nur so viel: Es sei ein gemütlicher Abend gewesen, erzählt Meghan Markle, sie hätten gerade Hühnchen gemacht und sie habe nichts geahnt.
"…eine große Überraschung war das, Harry war so süß und romantisch, er ist auf die Knie gegangen – und ich habe auch sofort ja gesagt. Noch bevor er fertig war, habe ich ihn aufgeregt unterbrochen: Kann ich jetzt Ja sagen?"
Frau und Feministin
Meghan Markle, vor 36 Jahren in Los Angeles geboren, steht mit beiden Beinen in einem Leben, in dem sie früh allein zurecht kommen muss. Ihre Eltern lassen sich scheiden, als sie sechs ist, aus der ersten Ehe ihres Vaters hat sie zwei Halbgeschwister. Markle macht einen Bachelor-Abschluss in Theater und Internationalen Studien, baut sich eine Laufbahn als Schauspielerin auf und setzt sich aktiv für Frauenrechte ein. Sie sei stolz, eine Frau und Feministin zu sein, sagt sie einmal.
Meghan Markle, sagt Andrew Morton, sei ganz anders als die Frauen bisher, die in die königliche Familie eingeheiratet haben. Andrew Morton ist nicht nur frischer Meghan-Markle-Biograf, sondern auch jener Autor, der vor einem Vierteljahrhundert das britische Königshaus mit einem Buch ins Wanken gebracht hat, das ebenfalls den Weg einer Frau in die Herzkammer der britischen Monarchie beschreibt: Von ihm stammt "Diana – Ihre wahre Geschichte". Darin schildert er Dianas Unglück am königlichen Hof. Aber Diana und Meghan lassen sich kaum miteinander vergleichen, sagt Andrew Morton.
Schon früh ein Gespür für Macht
"Da gibt es sehr große Unterschiede. Meghan war schon eine Aktivistin, als sie noch ganz jung war. Diana war mehr eine fürsorgliche Helferin. Meghan hat an Organisationen geschrieben und Demonstrationen auf die Beine gestellt. Sie hat sich einmal zum Beispiel direkt an ein großes Unternehmen gewandt wegen einer frauenfeindlichen Darstellung in der Werbung, und dieser Spot wurde geändert. Meghan hat also schon früh ein Gespür für Macht bekommen, und das hat man später auch in ihrer Arbeit für die Vereinten Nationen gesehen."
Aber Meghan Markle muss auch viel aufgeben für ihr neues Leben im Kensington Palast, in London, in der fremden königlichen Familie. Sie verlässt ihre amerikanische Heimat, sie hat ihren Beruf an den Nagel gehängt, in London warten keine Geschwister oder Eltern, Omas, Opas, Onkel, Tanten. Das könnte mal ein Problem werden, glaubt Andrew Morton.
Meghan ist eine großartige Netzwerkerin
"Meghan war immer sehr teamfähig und eine großartige Netzwerkerin, sie hat also Leute in ihrem Leben, die sie unterstützen werden. Aber im Gegensatz zum Beispiel zu Catherine, die ihre Familie in der Nähe hat, ist Meghan vor allem auf sich selbst angewiesen, auf Harry, und auf Freunde, die aus Amerika einfliegen. Und das könnte ein wunder Punkt sein, denn es wird manche lange, einsame Nacht innerhalb der königlichen Familie geben und sie wird sich fragen: habe ich das Richtige getan?"
Der Teebecher, sagt Derek aus dem Souvenirshop "King and Queen" in Windsor. Teebecher und Geschirrtücher mit dem royalen Paar gehen am besten, aber der Becher ist klar die Nummer eins.
"Der Becher. Becher und Geschirrtücher, aber der Becher ist absolut die Nummer 1. Hier sehen sie das Bild. Das ist auf der Vorderseite des Bechers, das ist das Bild von der Verlobung. Und auf der Rückseite steht dann alles zur Hochzeit, also Harrys voller Name und Titel und das Datum."
50 Millionen Pfund Einnahmen durch die Hochzeit
50 Millionen Pfund Einnahmen erwarten allein die Souvenirhändler des Vereinigten Königreiches aus der royalen Hochzeit. Insgesamt, so haben es die Experten des Marketing-Unternehmens Brand Finance ausgerechnet, ist das ganze Ereignis rund eine Milliarde Pfund wert. Die königliche Familie sei ein prächtiges Treibmittel für die britische Wirtschaft, sagt Richard Haigh, Geschäftsführer von Brand Finance.
"Nach unseren Berechnungen bringt die Monarchie dem britischen Tourismus rund 500 Millionen Pfund pro Jahr. In diesem Jahr kommen da nochmal 300 Millionen Pfund nur wegen der Hochzeit dazu, weil mehr Menschen – sowohl Einheimische wie auch Gäste – in verschiedene Teile des Landes reisen."
Sie geben ihr Geld aus in Hotels und Restaurants, in Museen und Dereks Souvenir-Shop. Aber auch im Alltag auf der Insel haben Klein-Darsteller wie der vierjährige Prinz George Einfluss auf die heimische Wirtschaft.
"Als die Schule, auf die er geht, ihren Speiseplan veröffentlichte, war da eine spezielle Sorte von Linsen drauf. Und innerhalb von ein paar Tagen waren die im ganzen Land ausverkauft, weil jeder seinem Kind das selbe Essen geben wollte wie es Prinz George bekommt."
Meghan - ungewöhnlich, bodenständig, weltoffen
Mit Meghan Markle kommt nun ein ganz neuer Aspekt hinzu. Die Amerikanerin, Schauspielerin, Tochter eines weißen Vaters und einer schwarzen Mutter, gilt als ungewöhnlich, bodenständig, weltoffen, zugänglich für einfache Menschen. Sie könne der Marke Monarchie ganz neue Märkte erschließen, glaubt Richard Haigh.
"Meghan Markle hat eine eigene Fanszene und eine ganz eigene Anziehungskraft, da wird sich Wert ganz allein aus ihr heraus entwickeln. Vor allem auch, weil sie Amerikanerin ist. Das öffnet britischen Marken einen Zugang zu ganz neuen amerikanischen Kunden, die sich nun auf einmal für die britische Monarchie interessieren."
Offen ist dann nur noch, ob auch die neuen amerikanischen Kunden irgendwann das kaufen, was im Souvenirshop von Derek am besten geht.
In einem schmucklosen vierstöckigen Bürohaus an der Pentonville Road nördlich der Londoner City, nur wenige Schritte vom Bahnhof King’s Cross entfernt, sitzen die Gegner der Monarchie. Republic heißt die Organisation, die sich eine Abschaffung des Königtums auf die Fahnen geschrieben hat. Die Monarchie passe nicht zur Demokratie, sagt Graham Smith, der Geschäftsführer von Republic, sie ist teuer, sie erlaubt den Royals, völlig unkontrolliert Millionen Pfund für sich selbst auszugeben. Wenn das ein Abgeordneter machen würde, sagt Graham Smith, dann würde er im Gefängnis landen.
80 Millionen Pfund für die Royals in diesem Jahr
80 Millionen Pfund gehen in diesem Jahr direkt an die Mitglieder der Königsfamilie, darin enthalten ist ein dicker Zusatz-Batzen für die Renovierung des Buckingham-Palastes. Erwirtschaftet wird dieses Geld mit dem Besitz der Krone. Er reicht von ertragreichen Landgütern bis hin zu teuren Einkaufsstraßen. Dass das Königshaus angeblich jeden Staatsbürger nur 4,70 Pfund pro Jahr koste, wie dies die Freunde der Monarchie so gern vorrechneten, stimme nicht, sagt Graham Smith. Nicht nur, dass das sowieso alles Steuerzahlergeld sei, vielmehr seien in den offiziellen 80 Millionen teure Posten wie die Sicherheit oder die Nutzung von Gebäuden gar nicht berücksichtigt.
Wird das Geld verschwendet?
"Die wirkliche Zahl liegt weit über 300 Millionen Pfund. Und es gibt keine wirkliche Kontrolle, ob da nicht das Geld von 60 Millionen Einwohnern einfach verschwendet wird. Das ist nirgendwo anders so. Es ist nur die Monarchie, die versucht, mit diesem Trick durchzukommen."
Viel mehr als die Kosten der Krone stört Graham Smith aber, dass die Monarchie politisch nicht das leisten kann, was ein Staatsoberhaupt in einer parlamentarischen Demokratie leistet.
"In den zwei Wochen nach dem Brexit-Referendum zum Beispiel, als der Premierminister zurückgetreten und sowohl die regierenden Tories wie auch die oppositionelle Labour-Partei beide in interne Kämpfe verstrickt waren, da wurde das Land ohne Führung gelassen. Es herrschte damals große Unsicherheit, wir hatten rassistische Spannungen und Anschläge auf Minderheiten – und die Queen war nirgendwo zu sehen. Nicht ein Wort, nicht eine Rede, nicht ein Kommentar. Dabei ist das genau der Moment, in dem sich ein Staatsoberhaupt zu Wort meldet, in dem es redet und die Nation beruhigt."
Die Vorbereitungen auf den großen Tag laufen im ganzen Land schon seit Monaten auf Hochtouren. Die Fernsehsender werden stundenlang live übertragen, überall finden Partys statt, die Regierung hat zu Straßenfesten ermuntert und die Sperrstunde verlängert.
Der meiste Trubel aber wird in Windsor erwartet. Naziq Hussain will die Gäste seines Cafés im Herzen von Windsor mit besonders britischen Leckereien erfreuen. Mit einem typisch britischen Bisquitkuchen zum Beispiel, dem Victorian Spongecake, und Eton Mess, einer Nachspeise aus Sahne und Früchten.
Eine Hochzeitstorte mit Buttercreme, Zitronen und Holunderblüten
Alles soll einen royalen Hintergrund haben. Bei Naziq Hussein wird es auch ein spezielles Getränk geben, passend zur Hochzeitstorte, die sich Harry und Meghan aus einer kleinen Bäckerei in London kommen lassen. Sie soll ein Frühlingsaroma verströmen, mit Buttercreme, Zitronen und Holunderblüten. Also bereitet Hussain auch ein Getränk mit Holunder vor, eine Art Limonade, extra für diese Hochzeit.
Andere haben ein besonderes Hochzeitsbier oder einen speziellen Gin-Mix auf den Markt gebracht. Außerdem müssen wir mehr Personal einstellen, sagt Val Doherty, die in Windsor das Pub "King and Castle" betreibt. Wahrscheinlich brauche man doppelt so viele Leute wie sonst, sagt Val, nochmal 15.
Am Tag der Hochzeit wird Windsor ein Hochsicherheitsbereich sein, nicht nur mit Straßensperren und Fahrzeugkontrollen, sondern auch mit Körperscannern wie auf dem Flughafen. 6.000 Parkplätze hat die Stadtverwaltung freigeräumt für die Gäste, die Sonderzüge aus London fahren im Viertelstundentakt. Trotz der Menschenmassen hofft Naziq Hussain, im entscheidenden Moment einen Blick auf das Paar in der Kutsche erhaschen zu können. Sein Café liegt direkt an der Route für die Kutschfahrt des Brautpaares.
"Das passiert uns nur ein Mal im Leben"
"Wenn Du Dir überlegst, dass die nur ein paar Meter entfernt sein werden – das passiert uns nur ein Mal im Leben. Meinen Leuten sage ich: Das hier ist etwas, woran wir uns unser ganzes Leben lang erinnern werden. Wir werden unseren Enkelkindern noch erzählen können: Wir waren dabei."
Am schönsten wäre es, fügt Naziq Hussain noch hinzu, wenn dann irgendwann demnächst einmal Harry und Meghan und mit ihnen die ganze Familie König die paar Meter von Schloss Windsor hinunterkommen würden in den Ort, zu ihm, auf einen Kaffee.