"Sensation und Sinnlichkeit - Rubens und sein Vermächtnis"
BOZAR in Brüssel
25. 9.2014 bis 4.1.2015
Mehr als alte Schinken und dicke Frauen
Er gilt als der bedeutendste Maler des Barock: Peter Paul Rubens. Eine Ausstellung in Brüssel zeigt seinen großen Einfluss auf nachfolgende Künstlergenerationen. Die Schau hält auch eine kleine Überraschung parat.
Es ist ein Rücken, den man so schnell nicht wieder vergisst. Nicht nur, weil Peter Paul Rubens ihn meisterhaft auf der Leinwand festgehalten hat: üppig, sinnlich, nicht zu klein. Nein - auch weil dieser Rücken im Laufe der Jahrhunderte mehrmals wieder auftaucht. Schon 1620 zum Beispiel, auf einer Radierung von Rubens' Landsmann Lucas Vorsterman. Oder 1860 bei Edouard Manet und seiner "Überraschten Nymphe": Sie dreht dem Betrachter in genau der selben Haltung den Rücken zu wie mehr als 250 Jahre zuvor die "Venus Frigida" von Rubens.
Alle drei Rückenvarianten können nun im Bozar in Brüssel im selben Raum miteinander verglichen werden. Denn was dort stattfindet, ist nicht die so und sovielste Rubensschau, sondern eine überraschende Ausstellung über den weitreichenden Einfluss, den das barocke Schwergewicht aus Antwerpen auf nachfolgende Künstlergenerationen hatte.
"Rubens war ein Gigant", sagt der Kurator der Ausstellung Nico Van Hout:
"Er wird gerne als Maler alter Schinken und dicker Frauen abgetan und damit zur Karikatur gemacht. Das möchten wir mit dieser Ausstellung korrigieren. Sein Einfluss erstreckt sich über vier Jahrhunderte hinweg - bis hin zu Klimt und Korinth, das macht ihm so schnell keiner nach! Er wurde geliebt, und er wurde gehasst. Eben, weil er so genial war. Soviel Virtuosität schreckt ab. Mit zwei, drei Pinselstrichen gelang ihm das, wozu andere Tage brauchten!"
Auftakt der Ausstellung ist ein Raum voller Zitate seiner Kritiker und Bewunderer. Vincent van Gogh etwa verurteilte ihn als oberflächlich, war aber hingerissen über die Leichtigkeit seines Pinselstrichs. Renoir gab zerknirscht zu, sich zweimal etwas abgeguckt zu haben, meinte aber angstvoll, das heiße noch lange nicht, dass er nun unter Rubens' Einfluss stehe.
Für Rembrandt war er Vorbild, für Velasquez Inspirationsquelle. Delacroix liess sich als "neuer Rubens" feiern, und Baudelaire widmete ihm in seinen berühmten Fleurs du Mal ein Gedicht. Auch in seinem Salon von 1846 war der französische Dichter voll des Lobes und pries Rubens' Vielseitigkeit.
Von Gewalt bis Poesie
Denn egal, ob mythologische Szenen, Historienbilder, Porträts oder poetische Landschaften: Rubens konnte alle Register ziehen. Deshalb ist die Ausstellung in sechs verschiedene Themenbereiche eingeteilt wie Gewalt, Wollust, Macht oder Poesie. Und in allen Bereichen kann der Besucher auf Entdeckungsreise gehen - vergleichen, erkennen, staunen. Das macht diese Ausstellung so spannend.
Im Bereich "Gewalt" etwa steht die "Tigerjagd" im Zentrum. Ein monumentales Gemälde von Rubens aus dem französischen Rennes, neben dem jede Kinoleinwand verblasst, wird konfrontiert mit gleich zwei Gemälden von Delacroix, der sich ebenfalls wiederholt mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.
Im Bereich "Mitgefühl" wird deutlich, wie sehr Rubens mit seiner berühmten "Kreuzabnahme" Künstlerkollegen wie Rembrandt oder auch den Engländer Thomas Gainsborough inspiriert hat.
Egal, ob Rokoko, Romantik, Orientalismus oder Impressionismus: Überall, so Kurator Van Hout, hatte das flämische Allroundgenie seine Finger im Spiel:
"Klimt studierte an der Wiener Akademie, dort hängt auch eine Heilige Cäcilia von Rubens. Von Klimt selbst gibt es in Wien eine Heilige Cäcilia im Belvedere. Als ich die sah, dachte ich: 'Das gibt's doch nicht, die sieht ja aus wie die Cäcilia von Rubens!' Nun hängen sie hier in Brüssel nebeneinander!"
Zu den Überraschungen der Ausstellung dürfte für viele Besucher auch ein kleiner Porzellanteller aus China gehören, aus der Qingdynastie, 17. Jahrhundert. Er ist bemalt mit der "Kreuzigung Christi mit Lanzenstich" - einem Rubens-Gemälde, das aufgrund einer Radierung schnell in ganz Europa und auch außerhalb bekannt wurde. Auch in China.
Man muss eine ganze Weile gucken, bis man entdeckt, was an diesem Teller so befremdlich ist. Es ist nicht alleine die Tatsache, eine Kreuzigungszene auf Porzellan zu sehen. Es sind die Farben. Die beiden Schächer an den Kreuzen rechts und links von Christus sind mit zitronengelben und türkisblauen Tüchern bekleidet, Maria Madgalena trägt ein leuchtend orangefarbenes Gewand, das des römischen Soldaten ist zartlila.
So hat die Kreuzigungsgruppe noch nie ausgesehen. Ein Motiv, wie es für die europäische Kunstgeschichte nicht typischer sein könnte - aber dann in östlichem Kolorit.