Rudolstadt-Festival

Kolumbianische Musik in all seinen Spielarten

Volksfeststimmung herrscht beim Weltmusikfestival TFF Rudolstadt auf dem Markt vor dem Rathaus von Rudolstadt (Thüringen).
Beim Weltmusikfestival in Rudolstadt herrscht immer Volksfeststimmung © picture alliance / dpa / Martin Schutt
Von Katrin Wilke |
Musiker und Bands aus Kolumbien gestalten den Länderschwerpunkt beim diesjährigen 26. Rudolstadt-Festival. Dabei werden moderne Klänge genauso geboten wie indigene und traditionelle. Besonders die Cumbia wird die Zuhörer zum Tanzen bringen.
Kolumbiens Aushängeschild, die längst weltweit populäre Cumbia, lässt sich in alle nur denkbaren Gefilde entführen, etwa auch – wie hier zu hören – in Richtung Dancehall und HipHop. Das Gesangs-Rapduo Profetas trat samt seiner Mitmusiker schon öfter auf in Deutschland. Mit ihrer afrokolumbianisch-, ja panamerikanischen Mixtur werden die jungen Kolumbianer beim tanzlustigen Rudolstadt-Publikum ein leichtes Spiel haben. International erfolgreich sind Profetas längst, aber gemäß ihrem Bandnamen vielleicht immer noch ein wenig "Propheten" im eigenen Land? Quasi einem Vielvölkerstaat, wie Rapper Pablo Fortaleza weiß.
"Die Sache ist, dass Kolumbien einfach sehr groß und wie Brasilien nicht nur EIN Land ist. Es besteht im Grunde aus mindestens fünf Ländern: der Karibik- und der Pazifikregion, die Anden, Amazonas, die Llanos, (also) die östlichen Tiefebenen und die Grenzregion zu Venezuela. Nicht in all diesen Regionen ist unsere Musik gleichermaßen populär, aber insgesamt ergeht es Profetas sehr gut, wir sind zufrieden hier."

Musikalischen Innovationsgeist gab es schon immer

So verschieden die Regionen, so vielfältig auch die jeweiligen Musiktraditionen Kolumbiens - und in ihren Mischungen schier unüberschaubar. Diese "Mestizajes" sind mit ihren bereichernden, wie auch historisch unheilvollen Aspekten ein Motor des Landes und in seiner Musik erlebbar. Was heute die vielen jungen "urbanen Folkloristen" mit viel Innovationsgeist hervorbringen, ist die Fortführung einer historischen Konstante – das weiß der in der Musikszene bestens verankerte Iván Benavides – einst Mitglied der ebenfalls in Rudolstadt auftretenden Band Sidestepper.
"Ich glaube nicht, dass das etwas Neues ist, vielmehr etwas dieser Generation! Wer also behauptet, dieses Phänomen der Mischung oder der Fusion, wie man es heute nennt, sei neu – es ist ein Phänomen, das wir hier in den 500 Jahren unserer Geschichte haben. Durch die Mischung des Indios, des Schwarzen und des Weißen. Und die Cumbia war zunächst der Tambour eines Schwarzen, die Gaita eines Indios und der spanische Gesang und die Verse der Europäer. Da gab es schon die Innovation, eine Vermischung, ein Zusammentreffen."
Besagte Cumbia und Gaita-Traditionen stammen aus Kolumbiens Karibikraum. Zur zweiten, musikalisch ebenso reichen Küste am Pazifik lotst uns diese Blaskapelle mit ihrem dort beheimateten, schmissigen Chirinía-Sound. Diese mit Volksfest- und Militärkapellen verknüpfte Tradition macht das Septett Rancho Aparte flott für die Neuzeit und nun in Rudolstadt auch erstmals fürs deutsche Publikum. Party- und Tanzlaune sind garantiert, und auch Sozialkritik ist den sechs jungen Bläsern und Perkussionisten und ihrem Sänger in ihrer Arbeit wichtig. Die Verbindung zur Heimat hat auch Edmar Castañeda nach gut zwanzig Jahren in New York – zumindest musikalisch - nicht verloren. Der Harfenvirtuose stand schon lange auf der Rudolstadt-Wunschliste.

Die Harfe als göttlichen Plan

"Die Harfe war wohl ein göttlicher Plan - schon immer, von klein auf, wusste ich, dass ich sie spielen möchte. In der kolumbianischen Folklore, d.h. in der Música Llanera wird viel improvisiert. Von daher konnte ich mich, als ich den Jazz kennenlernte, gut mit ihm identifzieren. Und so vermischten sich beide Musikwelten bei mir - samt dem ohnehin großen New Yorker Mischmasch: Ich begann dort all das kennenzulernen - und klar - es inspirierte mich, es auf die Harfe zu übertragen."
Als Sohn eines Harfenisten war Castañedas Schicksal besiegelt – ebenso die Verbindung zur "música llanera". In der Musik- und Tanztradition der Llanos, der savannenartigen Tiefebenen, ist die Harfe nebst weiterer Saiteninstrumente seit dem 18. Jahrhundert unverzichtbar.
Diese ganz eigene, in Kolumbien und Venezuela gepflegte Regionalmusik vermag kaum jemand so meisterhaft in globalere klangliche Kontexte einzubinden wie der junge Bogotano. Ebenfalls aus der Hauptstadt und ebenfalls musikalische "Panamerikanistinnen" sind Las Añez: Zwei singende, sich selbst akustisch und per Loop begleitende Zwillingsschwestern, deren betörende Kompositionen auf eigener u.a. lateinamerikanischer Folklore sowie auf Jazz fußen.
"Hier gibt es viele junge Leute, die sich ausbilden, die Musik studieren, die sehr profunde Forschungsarbeit in den Regionen betreiben. Sie gehen auf die Dörfer und arbeiten mit den alten Musikern, begeben sich in die Communities. Und daraus entwickeln sie sehr seriöse, sehr arbeitsaufwändige Angebote. Leute, die ein, zwei, gar drei Plattenproduktionen realisiert haben und die meiner Ansicht nach eine Plattform benötigen, um ihre Arbeit zu exportieren oder Veranstaltern zu unterbreiten."
Zur besseren Vernetzung initiierte Rafael Ramos 2008 in Cartagena den "Mercado Cultural del Caribe", eine von mehreren Musikmessen in ganz Kolumbien. Einer der von ihm erwähnten Feldforscher ist Urián Sarmiento. Der von der Rockmusik kommende Perkussionist und Liebhaber der Gaita, jener prähispanischen Flöte, traf auf seinen Karibik-Exkursionen den Gaitero Sixto Silgado "Paíto". Dieser wird im Familienverbund sowie dem jungen Musikerfreund aus Bogotá in Rudolstadt seinen eigenen "gaita negra"-Stil vorstellen.
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