Vom Tanzfest zum Festival
Für Folk- und Weltmusikfans ist der Termin Anfang Juli alljährlich fest eingeplant - für das Tanz- und Folksfest im thüringischen Rudolstadt, kurz TFF. Nun hat die Leitung beschlossen, die Veranstaltung umzubenennen. Um Missverständnisse zu vermeiden.
"Namen sind Schall und Rauch", sagt man. Ein geflügeltes Wort, fürwahr. Doch es war Goethe, der es prägte und das mit Hintersinn: Er hat es dereinst seinem Faust in den Mund gelegt, als Antwort auf die Gretchenfrage: "Wie hast du es mit der Religion?" Und Faust wollte sich nicht festlegen: Nenn's Glück, sagt er, Herz, Liebe, Gott! Ich habe keinen Namen dafür! Gefühl ist alles, Name ist Schall und Rauch.
Auf Goethe, der ja öfter im thüringischen Rudolstadt weilte, könnten sich die Festivalmacher durchaus berufen, um der neuerlichen Namensänderung des Festivals die Fragwürdigkeit zu nehmen - als Zeuge taugt er allemal. Doch in der Presseerklärung wird der weise Geheimrat mit keinem Wort erwähnt.
Da heißt es zur Begründung vielmehr, dass sich die musikalische Vielfalt des Festivals nicht mehr im Namen TFF widerspiegeln würde. Dass das Kürzel regelmäßig zu Missverständnissen geführt habe und das Festivalteam es zunehmend als zu einseitige Festlegung empfinde. Deswegen also jetzt die Umbenennung in "Rudolstadt Festival". Ohne Bindestrich. Ein neuer Name wäre deswegen naheliegend, weil dieses Ereignis und seine Geschichte untrennbar mit der Stadt verbunden seien. Und wörtlich: "Der Name ist neu, aber die inhaltliche Ausrichtung bleibt unverändert. Das Rudolstadt Festival wird weiter die gewohnte Bandbreite präsentieren." Zitat Ende.
"Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube", lässt Goethe seinen Faust zweifeln. Und mich auch. Nach meiner Beobachtung steht es um die viel beschworene musikalische Bandbreite des tff seit längerem nicht so gut. Spezielle, ungewohnte Klänge wie etwa der traditionellen Musik, der Liedermacher oder der Folkmusik führen mittlerweile ein ernüchterndes Nischendasein. Auch müssen sich die Straßenmusiker neuerdings einem strengen Reglement unterwerfen, das faktisch jegliche Spontanität untergräbt. Und, was für mich am schwersten wiegt: Es wird nach 25 Jahren das musikalisch und musikethnologisch so wertvolle "Magie-Projekt" als kontinuierliche Reihe ab diesem Jahr eingestellt. Dieses Allstar-Treffen von Instrumentalvirtuosen aus aller Welt war nicht nur mich einer der Glanzpunkte des Festivals.
Immer mehr massentaugliche Musik
Stattdessen geht es immer mehr in Richtung massentauglicher Musik. Wummert so genannter World-Pop mit Elektro-Beats durch die Rudolstädter Nächte, stehen irgendwelche Pop-Indie-Bands auf den Bühnen, die mit Welt- und/oder Folkmusik reineweg gar nichts mehr zu tun haben. Und, und, und.
"Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen, ein jeder sucht sich endlich selbst was aus", lässt Goethe den Theaterdirektor sagen. Ein liberaler Ansatz, sicher. Der setzt aber Angebote voraus, damit sich ein jeder tatsächlich etwas aussuchen kann. Angebote, von denen ich glaube, dass sie in ihrer Vielfalt jetzt auf dem Spiel stehen könnten. Das Besondere, das Einzigartige: Aus Weltmusik, Folk und traditioneller Musik.
Aus Crossover-Musik, in der sich Traditionelles mit Modernem vereint. Wo Jazz und Klassik einfließen und multikulturelle Experimente auch mal schief gehen können. All das hat das TFF Rudolstadt über zwei Jahrzehnte geprägt und am Leben erhalten. Der neue Name "Rudolstadt Festival" könnte die Macher jetzt davon entpflichten, Kurs zu halten. Denn mit der Tilgung der drei ungeliebten Buchstaben tff, die für Tanz und Folkfest standen, verschwindet "im Namen dieses Festivals" der letzte welt- und volksmusikalische Bezug, der es 25 Jahre lang geprägt hat. Inhaltsleerer als "Rudolstadt Festival" - ohne Bindestrich - geht es nicht. Und wenn Faust zu Mephisto sagt: "Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen gewöhnlich aus dem Namen lesen", dann kann schon sein, dass