"Das Unbehagen macht sich an den Ritualisierungen fest"
Ist die Zeit der Großausstellungen vorbei? Im Gespräch mit den beiden Kunstkritikern Elke Buhr und Carsten Probst klingt deutliche Kritik an den "Formaten" documenta, Skulpturprojekte oder Venedig-Biennale an.
2017 war ein "Superkunstjahr" – mit der documenta in Athen und Kassel, der Biennale in Venedig und dem Skulpturenprojekt Münster. Fazit hat umfangreich darüber berichtet. Es war ein sehr debattenfreudiges Kunstjahr, in dem politische Rahmenbedingungen und übergreifende Themen das Gespräch über die Qualität der Kunst immer wieder dominiert haben.
Mit Elke Buhr, Chefredakteurin des Kunstmagazins Monopol, und Fazit-Kunstkritiker Carsten Probst ziehen wir ein Resümee.
"Ritualisierungen" und "Scheindebatten"
Vor allem die documenta 14 hat mit ihren beiden Standorten - Athen und Kassel - eine Zäsur gesetzt. Es wurde viel darüber spekuliert, ob künftige Kuratoren dem Beispiel von Adam Szymczyk folgen werden. Am Ende wurde das allerdings durch die Budget-Überziehung von 5,4 Millionen Euro komplett überschattet.
Elke Buhr zieht bezogen auf den Schwerpunkt Dekolonisierung dennoch eine positive Bilanz. "Ich habe viele neue Künstler kennengelernt", sagt sie. Sie habe an sich selber erlebt, dass sich ihre Perspektive verrückt habe – zu afrikanischen, zu asiatischen, zu anderen Sichtweisen, auch zu anderen Kunstbegriffen hin.
"Und ich glaube, dass die Diskussion, die da losgetreten wurde, so heftig sie war, uns das noch eine Weile begleiten wird."
Carsten Probst nannte das "Format" ermüdend. Ihn störe an Großausstellungen wie der documenta, dass "Erwartungen geschürt werden, etwas unglaublich Neues ständig zu produzieren", gleichsam den Kunstbegriff der nächsten Jahre zu erfinden.
Die documenta oder auch die Biennale in Venedig schwankten zwischen "Selbst-Überforderung" und "Selbst-Monumentalisierung". Es werde gefragt: Was ist provokant? Was ist marktgängig? Sein Unbehangen mache sich an diesen "Ritualisierungen" und "Scheindebatten" fest.
"Sehr melancholisch, auch sehr hart, sehr brutal"
"Man hat ein bisschen das Gefühl gehabt: Das Superkunstjahr ist eine Selbstbestätigung von Mechanismen im großen Ausstellungsbetrieb", sagte Probst. Er wünsche sich gerade für solche sehr aktuellen Themen vielleicht auch "eine etwas andere ästhetische Herangehensweise" und nicht das "mehr oder weniger illustrative Bedienen von bereits vorhandenen Debatten".
Elke Buhr wiederum lobte insbesondere die Leistung der Künstlerin Anne Imhof, die bei der Venedig-Biennale den deutschen Pavillon bespielte und damit den Goldenen Löwen gewann:
"Ich finde wirklich das, was sie in Venedig geleistet hat, das war etwas ganz Besonderes. Da hatte man das Gefühl, das ist absolut jetzt … - das gibt so eine gewisse Stimmung der Gegenwart einfach wieder, sehr melancholisch, auch sehr hart, sehr brutal, gleichzeitig dieser ganzen Fashion-Ästhetik verhaftet."
(huc)