Rückblick auf die Frankfurter Buchmesse
Auf der diesjährigen Ausgabe der Frankfurter Buchmesse waren nicht immer Bücher das herausragende Thema. © imago / Chris Emil Janßen
Hitzige Debatten, Proteste – und eine Ehrung
07:17 Minuten
Die schwarze Autorin Tsitsi Dangarembga bekam den Friedenspreis des Buchhandels, auf der Buchmesse aber fehlten schwarze Autorinnen und Autoren. Und eine Geladene sagte aus Angst ab. Die Messe hat Fragen aufgeworfen, die über sie selbst hinausweisen.
Mit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am Sonntagabend ist die Frankfurter Buchmesse zu Ende gegangen. Wie bereits vor einigen Jahren hat auch in diesem Jahr die Debatte um die Teilnahme extrem rechter Verlage die Gespräche und Diskussionen dominiert. Die Autorin Jasmina Kuhnke hatte ihre Auftritte abgesagt, weil sie sich als schwarze Frau wegen der rechtsextremen Verlage auf der Messe nicht sicher fühle und sie es untragbar finde, dass Nazis Raum geboten werde, so Kuhnke auf Twitter.
Nach ihrer Absage erklärten sich weitere Autorinnen und Autoren solidarisch und sagten ebenfalls ab.
Das Dilemma einer Debatte
René Aguigah, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk Kultur,
erinnert daran [AUDIO]
, dass Jasmina Kuhnke bereits früher Morddrohungen bekommen und sich daher zu einem Wohnungsumzug gezwungen gesehen habe. Die angestoßene Debatte führe hoffentlich dazu, dass den Menschen die tatsächliche Bedrohungslage klar werde. "Bei der Buchmesse 2017 hat es schon körperliche Gewalt gegeben. Das ist also kein Fantasma."
Trotzdem habe ihn die Debatte in ein Dilemma gestürzt, denn er halte es für den falschen Weg, der Messe fernzubleiben. Sofern man es schaffe, sollte man Präsenz zeigen. Die Messe müsse aber auf ihrer Seite rechtsextremen Verlagen das Leben schwerer machen und sie nicht auf attraktive Präsentierteller stellen. Auch sei ein potenzieller Ausschluss solcher Verlage juristisch keineswegs endgültig geklärt.
"Es gibt auch Juristen, die sagen, es sei möglich, Verlage mit dem Argument auszuschließen, es bestehe Gefahr für die Sicherheit der Messebesucher oder auch, indem die Messe von den Verlagen ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlangt. Aber das scheint umstritten zu sein." Letztlich könne man die diesjährige Ausgabe der Buchmesse als Katalysator für eine Frage betrachten, die auch außerhalb der Bücherwelt eine große Rolle spielt.
Trotzdem habe ihn die Debatte in ein Dilemma gestürzt, denn er halte es für den falschen Weg, der Messe fernzubleiben. Sofern man es schaffe, sollte man Präsenz zeigen. Die Messe müsse aber auf ihrer Seite rechtsextremen Verlagen das Leben schwerer machen und sie nicht auf attraktive Präsentierteller stellen. Auch sei ein potenzieller Ausschluss solcher Verlage juristisch keineswegs endgültig geklärt.
"Es gibt auch Juristen, die sagen, es sei möglich, Verlage mit dem Argument auszuschließen, es bestehe Gefahr für die Sicherheit der Messebesucher oder auch, indem die Messe von den Verlagen ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlangt. Aber das scheint umstritten zu sein." Letztlich könne man die diesjährige Ausgabe der Buchmesse als Katalysator für eine Frage betrachten, die auch außerhalb der Bücherwelt eine große Rolle spielt.
Protest während der Preisverleihung
Zum Ende der Messe bekam in der Frankfurter Paulskirche die schwarze Autorin Tsitsi Dangarembga den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Bei ihrer Dankesrede betonte sie, dass die letztlich aus der Kolonialgeschichte resultierenden Konflikte um Menschenwürde und Meinungsfreiheit auch in den europäischen Zentren ausgetragen würden.
Exemplarisch dafür war der Protest der Frankfurter Lokalpolitikerin Mirrianne Mahn. Sie hatte während der Rede des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann das Mikrofon ergriffen und ebenfalls gegen die Teilnahme rechtsextremistischer Verlage auf der Buchmesse protestiert. Man dürfe ihnen keine Plattform bieten, auf der sie ihre menschenverachtenden Ideologien verbreiten könnten. Wenn man dies dulde, beteilige man sich aktiv am nächsten Hanau, so Mahn.
Dangarembga forderte in ihrer Rede außerdem eine neue Aufklärung. Weder das europäische politisch-kritische Denken, das einen starken Individualismus hervorgebracht habe, noch die kollektivistischere afrikanische Philosophie des Ubuntu würden heute weiterhelfen.
Notwendiger Paradigmenwechsel zum Überleben
Die Menschheit brauche ein neues Denken, "um einen Paradigmenwechsel zu bewirken, den wir brauchen, um zu verstehen, was wir zum Überleben wirklich brauchen, während unsere Ozeane verschmutzen, die Ozonschicht dünner wird, sich das Klima wandelt, Temperaturen und Meeresspiegel ansteigen und trotz wissenschaftlichen Fortschritts Krankheiten wüten, Hunger herrscht und schwarze Menschen im Meer ertrinken, auf dem Weg zu denen, die zuerst zu ihnen segelten."
Auch die aktuelle Gewalt in ihrem Heimatland Simbabwe führte Dangarembga auf die britische Kolonisierungsgeschichte zurück, die auf Rassismus und Formen von Apartheid gegründet worden sei.
"Der Siedlerstaat fürchtete, von einer rasch anwachsenden schwarzen Bevölkerung überschwemmt zu werden, und führte insgeheim eine Politik der Geburtenkontrolle ein, wie etwa die Sterilisation gebärfähiger schwarzer Frauen ohne deren Einverständnis."
Vor wenigen Jahrzehnten wäre sie womöglich selbst ein Opfer solcher rassistischen und frauenfeindlichen Gewaltformen geworden und hätte nicht in der Paulskirche sprechen können, so Dangarembga. Dass sie aber hier sei, sehe sie als ein Symbol dafür, dass sich das Denken tatsächlich ändern könne.
(rju, mit Material von Ludger Fittkau)