Wie ein einziges Wort unsere Wahrnehmung verändert
Seit heute ist das EU-Türkei-Abkommen in Kraft, das die Rückführung von illegal eingereisten Flüchtlingen vorsieht. Oder eher Abschiebung? Beide Begriffe bedeuten das gleiche, sagt die Journalistin Konstantina Vassiliou-Enz. Dennoch gibt es einen großen Unterschied.
Die einen schreiben "Rückführung von Flüchtlingen", andere "Abschiebung": Für das, was Frontex-Beamte seit heute auf den griechischen Inseln durchzusetzen versuchen, gibt es in der Berichterstattung verschiedene Bezeichnungen - mit weitreichenden Folgen für unsere Wahrnehmung, sagt Konstantina Vassiliou-Enz vom Journalisten-Netwerk Neue Deutsche Medienmacher.
Rückführung sei zwar der juristisch korrekte Begriff, so Vassiliou-Enz. Dennoch handele es sich dabei um einen Euphemismus. Wenn Flüchtlinge zurückgeschickt würden, komme es häufig zum Einsatz von Polizeigewalt. "Das Wort Rückführung kommuniziert das nicht, dass das eben zu Teil auch Gewalt im Spiel ist." Wer von Abschiebung spreche, mache deutlicher, "dass es eine Sache ist, die nicht auf eine freundliche Art und Weise passiert".
Großer Einfluss auf die Wahrnehmung
"Wenn die Politik von Rückführung spricht, dann machen es Berichterstatter ganz oft so, dass sie die Begriffe einfach übernehmen und eben in der selben Sprache auch in der Berichterstattung die Sachen beschreiben." Dies geschehe zwar meist ohne Absicht, habe aber dennoch großen Einfluss auf die Wahrnehmung.
Als Beispiel führte die Journalistin eine Studie der Stanford University an, die beweist, wie sich die Wahrnehmung von Kriminalität mit den Austausch von nur einem Wort unterbewusst verändern kann. "Diese Untersuchung und viele andere zeigen eben, dass nur ein einziges Wort einen ganz großen Einfluss in einem Bericht haben kann. Und so würde ich finden, es ist durchaus in Ordnung von Abschiebung zu reden, wenn es Abschiebungsmaßnahmen sind."