"Wir setzen auf Freiwilligkeit"
In Brandenburg haben seit Januar 2015 etwa 30.000 Menschen einen Asylantrag gestellt. Bei 5.000 wurde er abgelehnt - vor allem bei Balkan- und Nordafrika-Flüchtlingen. Die rot-rote Landesregierung präferiert für die Abgelehnten die "freiwillige Ausreise".
806 Männer, Frauen und auch Kinder sind im vergangenen Jahr aus Brandenburg abgeschoben worden. Nach nur 114 im Vorjahr.
Ingo Decker: "Das ist natürlich auch in Brandenburg so, dass hier die Zahl der Abschiebungen in der letzten Zeit deutlich angestiegen ist, trotz unserer Priorität für die freiwillige Rückkehr."
Ingo Decker, Sprecher des Innenministeriums in Potsdam.
"Aber diese Zahlen werden regelmäßig deutlich übertroffen durch freiwillige Ausreisen, von denen wir dann wissen: Wenn auf irgendeinem Wege das gefördert wird, sei es, dass etwa die Reisekosten übernommen werden, das ist oft der Fall, sei es, dass eine kleine Starthilfe gewährt wird."
Dafür stellen der Bund und die Europäische Union in speziellen Programmen Gelder zur Verfügung. Brandenburg schiebe nur ab, wenn die Betroffenen sich hartnäckig weigerten, zu gehen, sagt Ingo Decker.
"Wir setzen natürlich vorrangig auf Freiwilligkeit, einfach weil das vernünftig ist. Abschiebungen sind immer das Komplizierteste, das Schwierigste und das Teuerste."
Mehr als 1500 Menschen haben nach Angaben des Ministeriums im vergangenen Jahr Brandenburg ohne Zwang verlassen. Knapp 600 kehrten nach Serbien und Albanien zurück, 100 nach Tschetschenien.
Die Zahlen für dieses Jahr sind noch vorläufig, weil nicht alle Landkreise sie bereits gemeldet haben: Demnach stehen bis Ende April 140 Abschiebungen 400 freiwillige Ausreisen gegenüber.
"Auch das zeigt den Trend, den wir immer haben, dass die freiwilligen Ausreisen eindeutig die Zahl der Abschiebungen überwiegt und dass dieses System also durchaus funktioniert, diese Logik."
Unangekündigte nächtliche Abschiebungen
Der Flüchtlingsrat Brandenburg ist weniger zufrieden mit diesem System: Einige Behörden übten sehr starken Druck auf die Betroffenen aus, so die Nichtregierungsorganisation, die sich ausdrücklich als Lobby für Flüchtlinge versteht. Bedrohungsszenarien würden aufgebaut, unangekündigte nächtliche Abschiebungen angedroht und die Menschen auf den Ämtern dazu gedrängt, Papiere zur freiwilligen Ausreise zu unterschreiben. Viele Flüchtlinge stünden wegen der jederzeit möglichen Abschiebungen unter großem psychischem Stress.
"Diese Kritik ist nicht nachvollziehbar. Es gibt in Deutschland geltendes Recht, und wir erwarten schon, dass sich jeder auch daran hält. Und wer eben nach einer Prüfung seines Asylbegehrens und nach dem Beschreiten des Rechtsweges dann den klaren Bescheid bekommt, dass eine Gewährung von Asyl nicht möglich ist und dass auch auf andere Weise ein Bleiberecht nicht zu erhalten ist, der das Land auch verlassen muss. Das ist kein Zwang, das ist Recht und Gesetz. Und wir erwarten dann auch, dass die Betreffenden gehen."
Wie zum Beispiel die Familie Brkić, deren Asylgesuch mangels politischer Verfolgung abgelehnt wurde. Die vierköpfige Familie lebt seit drei Jahren in der Landeshauptstadt, ist gut integriert, die Härtefallkommission hat dafür plädiert, die Roma entgegen der geltenden Rechtslage bleiben zu lassen. Doch Innenminister Karl-Heinz Schröter hat sich über diese Empfehlung hinweg gesetzt und will das Ehepaar und die zwei Kinder abschieben lassen.
Engagement nach Gutsherrenart
Daniel Zeller vom Stadtteilnetzwerk Potsdam West ist einer derjenigen, die sich für die Familie einsetzen. Der Vater habe Deutsch gelernt und auch sonst alles dafür getan, sich einzubringen.
Daniel Zeller: "Einmal als Helfer in der Unterkunft, als Übersetzer, aber auch in ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen, und sie sind im besten Sinne gut vernetzt. Das zeigt auch, dass das Votum der Härtefallkommission auch auf der Unterschriftensammlung im Dezember von über 750 Unterschriften beruht, die diese Familie hier weiter als Nachbarn haben wollen."
Seit Jörg Schönbohm von der CDU seien alle Innenminister Brandenburgs den Voten der Härtefallkommission gefolgt, sagt Zeller.
"Herr Schröter ist der erste, der nunmehr in seiner Amtszeit von sieben Gesuchen drei abgelehnt hat – warum, das muss er erklären."
Muss er nicht, hält Schröters Sprecher Ingo Decker dagegen. Und auch aus noch so langen Unterschriftenlisten erwachse kein Bleiberecht. Der Flüchtlingsrat spricht von einem Richtungswechsel im Innenministerium und beschwert sich, dass der Minister nach Gutsherrenart zivilgesellschaftliches Engagement übergehe.
Ingo Decker: "Der Flüchtlingsrat vertritt ohnehin eine völlig unrealistische Position, nämlich dass im Grunde genommen jeder, der nach Deutschland kommt, hier bleiben darf."
Das sei eine utopische Position - und die könne nicht zur Grundlage der Politik gemacht werden.