Biete Job mit vier Wänden
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Mit Werkswohnungen werben Unternehmen um begehrte Fachkräfte: Zum Arbeitsplatz gibt es dann den Mietvertrag dazu. Eine aktuelle Studie erkennt einen "Trend". Entlastet der den Wohnungsmarkt? Der Soziologe Sigmar Gude ist skeptisch.
"Der ‚Kampf um die Köpfe‘ geht übers Wohnen": So ist eine neue Studie des Forschungsinstituts RegioKontext überschrieben, angefertigt im Auftrag des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) und des Deutschen Mieterbundes. Der Gedanke, mit Wohnungen um neues Personal zu werben, geht laut der Studie seit einigen Jahren wieder durch Unternehmern in Deutschland: BASF, Audi und Bosch greifen heute auf, was in den Industriezentren des 19. Jahrhunderts gängig war, als die benötigten Arbeiter in eigens gebautem Wohnraum untergebracht wurden.
"Ganz spezielle Interessen"
Besonders staatliche Arbeitgeber fördern die Vereinbarkeit von Leben und Arbeiten, so die Studie mit 20 Fallbeispielen. Allerdings liegt der Schwerpunkt bei der Anmietung von Wohnungen. Ein Grund, selbst nicht zu bauen, könnte laut Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen fehlendes kommunales Bauland sein.
Sigmar Gude ist Geschäftsführer von ASUM, einer Firma für soziale Stadtentwicklung, die Mieterinnen und Mieter genauso berät wie die Politik. Für ihn haben die heutigen Projekte und Gedankenspiele nicht viel zu tun mit den alten Arbeitersiedlungen.
Es seien "ganz spezielle Interessen", die Arbeitgeber hätten, so Gude. In der Regel würden sie sich so hochqualifizierte Mitarbeiter sichern wollen, die entweder sonst woanders arbeiten würden oder die Probleme hätten, eine Wohnung zu finden oder eine Wohnung zu bezahlen.
Ein kleines bisschen Entlastung
Natürlich könnten zusätzlich gebaute Wohnungen den Wohnungsmarkt entlasten, sagt Sigmar Gude. Optimistische Prognosen würden aber nur von etwa 10.000 Wohnungen im Jahr ausgehen, die durch neue Werkswohungen geschaffen werden könnten, so Gude. Gebaut werden müssten in Deutschland 300.000 Wohnungen im Jahr.
Die neuen Werkswohnungen dürften zudem bei der Vergabe von Grundstücken nicht in Konkurrenz zu sozial gefördertem Wohnraum treten, betont Gude. Langfristig preiswerter Wohnraum wäre am ehesten durch den Zusammenschluss von Unternehmen zu Baugenossenschaften möglich: "Da müssen die Leute auch keine Angst haben, dass, wenn sie den Arbeitsplatz wechseln, sie auch schon wieder die Wohnung wechseln müssen."
In den 1970er Jahren gab es in Deutschland noch an die 450.000 Werkswohnungen. Heute sind davon nur noch 100.000 übrig, wird geschätzt. In Westdeutschland hat die öffentliche Hand die meisten ihrer Häuser und Grundstücke verkauft.
(sed)