Rückkehr zu einem Langweiler
Sie kann singen, tanzen und kunstfertig ihre Dialoge sprechen. Dagmar Manzel begeisterte in "Kiss me, Kate" das Berliner Publikum. Und dennoch ließ die Inszenierung von Barrie Kosky zu wünschen übrig: Manzels Partner fehlte jeglicher Sex-Appeal.
Dagmar Manzel betritt die Bühne der Komischen Oper und bekommt tosenden Auftrittsapplaus, noch bevor sie einen Ton gesungen oder gesagt hat. Dann beginnt Cole Porters Musical "Kiss me, Kate" mit "Another opening", beziehungsweise "Die erste Nacht einer neuen Show", denn selbstverständlich wird auch das amerikanische Musical an der Behrenstrasse in deutscher Übersetzung aufgeführt.
Das Orchester sitzt in Bigband-Formation auf einer riesigen weißen Showtreppe, die sich auf der rechten Bühnenhälfte aus dem Orchestergraben in den Schnürboden zieht. Die linke Bühnenhälfte ist beinahe leer und gibt den Blick auf die nackten Mauern der Hinterbühne frei. Durch verschiedene Glitzervorhänge kann der Raum verkleinert werden, wenn die Shakespeare-Handlung im Theater auf dem Theater einsetzt.
Mit einigen Schrankkoffern und Garderobenspiegel wird der Backstagebereich markiert. Denn es geht in "Kiss me, Kate" um die klassische Theaterkomödiensituation, dass die Ebenen zwischen Bühnenhandlung und "realem" Leben der Darsteller verschwimmen.
Lilli Vanessi, die Darstellerin der Katharina aus Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" ist seit einem Jahr von Fred Graham, dem Darsteller des Petruchio, geschieden. Doch die beiden kommen nicht von einander los, können aber auch nicht recht zusammen kommen. Auch die Verhältnisse des zweiten Paares Lois/Bianca und Bill/Lucentio (ebenso lässig wie elegant: Sigalit Feig und Danny Costello) sind nicht recht geklärt.
Für Turbulenzen ist also gesorgt, die Türen der Komödienhandlung werden oft ins Schloss geworfen, die turbulenten Missverständnisse geben ausreichend Anlass für die grandiosen Klassiker Cole Porters. Wenn Dagmar Manzel "So in love" singt, scheint die Zeit still zu stehen, verdichtet sich die Trauer der Liebenden, die ihre wahre Leidenschaft gerade eben sich selber eingestehen kann.
Für diese kostbaren Momente ist Dagmar Manzel zuständig, das liebende und gefährliche Zentrum der Aufführung. Sie kann singen, sie kann tanzen, sie kann (das ist natürlich keine Überraschung) auch die Dialogtexte mit einer gleichzeitigen Kunstfertigkeit und Beiläufigkeit sprechen, sodass ihr das Publikum hingerissen zu Füßen liegt.
Und doch funktioniert der Kern des Stücks nicht. Denn bei Porter geht es immer um Sex. Vorzugsweise um den Sex, den die Protagonisten nicht haben. Weil einer der beiden oder beide gerade nicht wollen oder können, weil der eine den anderen bestrafen will oder Rache nimmt. Im Grunde aber wollen sie alle nur das eine.
Eine Mischung aus Strindberg und der Muppet Show sei "Kiss me, Kate", sagte der Regisseur Barrie Kosky im Vorfeld der Premiere. Selbstverständlich hat die Manzel auch den Strindberg-Ton abrufbar, doch hätte sie dazu einen Partner vom Kaliber eines Ulrich Matthes gebracht, der den Dramenton in die Komödie umkippen lassen kann und dabei noch testosterongesteuerten Sex Appeal auf die Bühne bringt.
Stattdessen liefert der Opernbariton Roger Smeets brav seinen Text ab. Keine erotische Ausstrahlung, kein sexuelles Versprechen geht von diesem Mann aus, und so klafft in der Mitte der temporeichen Aufführung ein unübersehbares Loch. Regisseur Kosky tut alles, um diese Fehlstelle zuzudecken: Er bietet eine glitzernde Tanztruppe auf (Choreographie: Otto Pichler), lässt ununterbrochen kreischen und juchzen und geizt in der Shakespeare-Handlung nicht mit allerlei zirkushaften Toneffekten.
Das Orchester brilliert in den Swingklassikern unter dem Dirigenten Koen Schoots, die Musicalsänger machen ihre Sache sehr gut, die Tänzerinnen und Tänzer sind Extraklasse. Eine großartige Unterhaltungsshow, in der nur eine Frage offen bleibt: Warum um Himmels Willen kehrt Dagmar Manzel am Schluss zu diesem Langweiler zurück?
Kiss me, Kate
Von Cole Porter
Inszenierung: Barrie Kosky
Komische Oper Berlin
Das Orchester sitzt in Bigband-Formation auf einer riesigen weißen Showtreppe, die sich auf der rechten Bühnenhälfte aus dem Orchestergraben in den Schnürboden zieht. Die linke Bühnenhälfte ist beinahe leer und gibt den Blick auf die nackten Mauern der Hinterbühne frei. Durch verschiedene Glitzervorhänge kann der Raum verkleinert werden, wenn die Shakespeare-Handlung im Theater auf dem Theater einsetzt.
Mit einigen Schrankkoffern und Garderobenspiegel wird der Backstagebereich markiert. Denn es geht in "Kiss me, Kate" um die klassische Theaterkomödiensituation, dass die Ebenen zwischen Bühnenhandlung und "realem" Leben der Darsteller verschwimmen.
Lilli Vanessi, die Darstellerin der Katharina aus Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" ist seit einem Jahr von Fred Graham, dem Darsteller des Petruchio, geschieden. Doch die beiden kommen nicht von einander los, können aber auch nicht recht zusammen kommen. Auch die Verhältnisse des zweiten Paares Lois/Bianca und Bill/Lucentio (ebenso lässig wie elegant: Sigalit Feig und Danny Costello) sind nicht recht geklärt.
Für Turbulenzen ist also gesorgt, die Türen der Komödienhandlung werden oft ins Schloss geworfen, die turbulenten Missverständnisse geben ausreichend Anlass für die grandiosen Klassiker Cole Porters. Wenn Dagmar Manzel "So in love" singt, scheint die Zeit still zu stehen, verdichtet sich die Trauer der Liebenden, die ihre wahre Leidenschaft gerade eben sich selber eingestehen kann.
Für diese kostbaren Momente ist Dagmar Manzel zuständig, das liebende und gefährliche Zentrum der Aufführung. Sie kann singen, sie kann tanzen, sie kann (das ist natürlich keine Überraschung) auch die Dialogtexte mit einer gleichzeitigen Kunstfertigkeit und Beiläufigkeit sprechen, sodass ihr das Publikum hingerissen zu Füßen liegt.
Und doch funktioniert der Kern des Stücks nicht. Denn bei Porter geht es immer um Sex. Vorzugsweise um den Sex, den die Protagonisten nicht haben. Weil einer der beiden oder beide gerade nicht wollen oder können, weil der eine den anderen bestrafen will oder Rache nimmt. Im Grunde aber wollen sie alle nur das eine.
Eine Mischung aus Strindberg und der Muppet Show sei "Kiss me, Kate", sagte der Regisseur Barrie Kosky im Vorfeld der Premiere. Selbstverständlich hat die Manzel auch den Strindberg-Ton abrufbar, doch hätte sie dazu einen Partner vom Kaliber eines Ulrich Matthes gebracht, der den Dramenton in die Komödie umkippen lassen kann und dabei noch testosterongesteuerten Sex Appeal auf die Bühne bringt.
Stattdessen liefert der Opernbariton Roger Smeets brav seinen Text ab. Keine erotische Ausstrahlung, kein sexuelles Versprechen geht von diesem Mann aus, und so klafft in der Mitte der temporeichen Aufführung ein unübersehbares Loch. Regisseur Kosky tut alles, um diese Fehlstelle zuzudecken: Er bietet eine glitzernde Tanztruppe auf (Choreographie: Otto Pichler), lässt ununterbrochen kreischen und juchzen und geizt in der Shakespeare-Handlung nicht mit allerlei zirkushaften Toneffekten.
Das Orchester brilliert in den Swingklassikern unter dem Dirigenten Koen Schoots, die Musicalsänger machen ihre Sache sehr gut, die Tänzerinnen und Tänzer sind Extraklasse. Eine großartige Unterhaltungsshow, in der nur eine Frage offen bleibt: Warum um Himmels Willen kehrt Dagmar Manzel am Schluss zu diesem Langweiler zurück?
Kiss me, Kate
Von Cole Porter
Inszenierung: Barrie Kosky
Komische Oper Berlin