"Bald werden wir Vorbilder sein in diesem Land"
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Wie viele Gambier glaubte Moustapha Sallah nicht mehr an eine Zukunft in seiner Heimat und machte sich auf in Richtung Europa. Jetzt ist er zurückgekehrt, warnt junge Leute vor dem illegalen Weg – und hilft, ihre Situation vor Ort zu verbessern.
15 Frauen und Männer Mitte 20 drängeln in ein Klassenzimmer in Gambias Hauptstadt Banjul. Vor gerade einmal zwei Jahren versuchten sie alle, nach Europa zu fliehen. Heute glauben sie an eine Zukunft in ihrem Land, einige präsentieren an diesem Nachmittag ihre Geschäftsidee.
Das liegt vor allem an Moustapha Sallah, 26 Jahre. Ein gelassener Mann mit ironischem Lächeln, der die Versammlung eröffnet:
"Wir wollen, dass die jungen Leute mehr an Wirtschaft und Politik teilhaben. Alle müssen so viel verdienen, dass sie selbst für sich sorgen können. Jeder Jugendliche, der sich auf den Weg nach Europa macht, will nämlich Verantwortung übernehmen – für sich, für seine Familie und für sein Land. Wenn wir es hier zu etwas bringen, dann müssen wir nicht mehr nach Europa – und dabei unser Leben riskieren."
Moustapha entging nur knapp dem Tod
Moustapha hat Plakate und Logos für Künstler entwickelt und in einem Luxushotel gejobbt. Doch selbst dort verdiente er gerade einmal 40 Euro im Monat. Er hat davon geträumt, Informatik zu studieren, aber die Gebühren in Gambia sind sehr hoch.
Deshalb versuchte er, nach Europa zu gelangen. Stattdessen wurde er in Libyen inhaftiert, gedemütigt und gefoltert. Er entging nur knapp dem Tod.
"Am 14. Januar griffen uns libysche Soldaten in Tripolis an, nahmen uns alles weg, zogen uns aus unseren Zellen und brannten alles nieder, obwohl sich noch Menschen in dem Gebäude versteckt hielten. Die Soldaten haben auch auf uns geschossen und uns eingesperrt, weil sie Migranten loswerden wollen."
Die EU unterstützt die libysche Regierung und ihre Milizen. Gleichzeitig engagiert sie die Internationale Organisation für Migration IOM. Die soll Menschen in Not die Möglichkeit geben, in ihre Heimat zurückzukehren. Vor zwei Jahren brachte die IOM auch Moustapha per Charterflug zurück nach Gambia.
"Als wir am Flughafen ankamen, war kein einziger Beamter da, um uns zu empfangen. Es gab kein Essen, keinen Transport in die Stadt. Es gab auch keine medizinische Hilfe, obwohl wir vier Monate lang im Gefängnis allen möglichen Krankheiten und Misshandlungen ausgesetzt waren. Wir wurden nicht einmal durchgecheckt."
Die Rückkehrer werden als Verlierer angesehen
Aus Wut bewarfen viele Rückkehrer das IOM-Büro in Banjul mit Steinen. Moustapha hingegen gründete die Organisation Youth Against Illegal Migration, YAIM. Er setzt sich dafür ein, dass die Rückkehrer endlich die von der IOM versprochenen 1000 Euro für den Start eines eigenen Geschäfts bekommen. Und dass ihre Mitmenschen sie nicht mehr stigmatisieren.
"Als wir zurückgebracht wurden, wurden wir als Verlierer angesehen. Aber jetzt ziehen wir mit einem Soundsystem durch ganz Gambia und warnen die Menschen, sich auf den Weg nach Libyen zu machen. In Marekunda haben wir den Ortsvorsteher zum Weinen gebracht – und kurz darauf das gesamte Dorf."
Eine Ladenzeile am Stadtrand von Dakar. Der Boden ist übersäht mit Werkzeugen und Kartons. Demba, ein Libyen-Rückkehrer, will hier heute Abend seine Schneiderei einweihen. Deshalb hilft Moustapha beim Montieren der drei Nähmaschinen mit. Die hat die IOM finanziert.
"Wir haben uns selbst reintegriert"
1500 von 4000 Rückkehrern haben inzwischen ihre Starthilfe erhalten. Um ihre Ausbildung kümmern sie sich selbst, erzählt Moustapha:
"Gerade haben ein paar Leute von uns ihre Klempnerausbildung abgeschlossen. Wir haben uns selbst reintegriert – mental, physisch, in jederlei Hinsicht. Es hat geklappt und bald werden wir Vorbilder sein in diesem Land. Und in ganz Afrika."
Moustapha will ein Müllentsorgungsunternehmen gründen – und hofft, dass er damit mehr verdient als einst im Hotel. Seit seiner Rückkehr interessiert er sich für Entwicklung und Migration. Aber der Traum von einem Informatik-Studium in Deutschland ist geblieben:
"Natürlich war ich zunächst enttäuscht – mein Ziel war Europa, stattdessen bin ich jetzt wieder in Gambia. Aber ich lasse mich nicht entmutigen. Ich bin jung und stark und habe Erfahrungen gesammelt, die ich hier nie gemacht hätte. Die sind jetzt Teil von mir. Also habe ich zumindest einen neuen Punkt, von dem aus ich starten kann."