DDR-Doping
Das Anabolikum Oral-Turinabol von der Firma Jenapharm war häufig das leistungssteigernde Mittel der Wahl im DDR-Staatsdoping-System. © Imago / Steinach
Doping-Opfer-Hilfeverein kritisiert BVG-Urteil
05:28 Minuten
DDR-Dopingopfer haben keinen Anspruch auf Entschädigung wegen "staatlicher Willkür“. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht. Michael Lehner vom Doping-Opfer-Hilfeverein kritisierte das Urteil: "Man kann es kaum verstehen.“
Am 27. März wies das höchste deutsche Verwaltungsgericht, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, die Klage einer Dopinggeschädigten ab. Das ist ein Rückschlag für alle Betroffenen von DDR-Staatsdoping, die auf Anerkennung und Entschädigung hoffen. Dabei wurden in Mecklenburg-Vorpommern nach dem Urteil von Greifswald inzwischen 43 ehemalige DDR-Sportlerinnen und Sportler rehabilitiert. Auch andere Gerichte, zum Beispiel in Sachsen, schlossen sich an.
In Potsdam jedoch scheiterte eine ehemalige Kanutin vor dem Verwaltungsgericht. Rechtsanwalt Michael Lehner, der im Ehrenamt Vorsitzender des Doping-Opfer-Hilfevereins ist, beantragte deshalb die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. "Das ist die höchstrichterliche Ebene im Verwaltungsrecht. Die haben gemeint, es liegt keine Willkür im Einzelfall vor. Man kann es kaum verstehen."
Willkürakt im Einzelfall bedeutet: Es ist eine staatliche Maßnahme, die anderen DDR-Bürgern nicht regelmäßig zugemutet wurde.
"Für die Sportler schwer zu ertragen"
Burkhard Bley, Landesbeauftragter für die Aufarbeitung der SED-Diktatur in Mecklenburg-Vorpommern stellt klar: Keine andere Bevölkerungsgruppe stand unter dem Zwang, Medikamente einzunehmen, über deren Wirkung nicht aufgeklärt wurde, um sportliche Höchstleistungen für das Ansehen der DDR zu erreichen.
Potsdam hat gesagt: Sie würden es so sehen, dass Bürger, die in der DDR in einer Chemieregion gelebt haben, praktisch ähnlichen Umständen ausgesetzt waren. Das wäre die Vergleichsgruppe - und das finde ich absurd! Das ist auch für die Sportler schwer zu ertragen, dass sie da in solcher Weise in so einen Vergleich gebracht werden.
Doping gleich Luftverschmutzung?
Rostocker Turner-Mädchen zeigt sich empört
Dagmar Berndt-Krampatsch, das gedopte Rostocker Turner-Mädchen von einst, ist empört. "Also, da fehlen mir echt die Worte. Muss ich ganz ehrlich sagen. Das hat mich auch so richtig mitgenommen wieder und mich auch wieder in meine Lage versetzt, als ich vor ein paar Jahren anfing, das durchzuziehen. Man kommt sich so hilflos vor. Und als Bittsteller - und das sind wir ja gar nicht in dieser Situation. Wir fordern doch eigentlich nur unser Recht ein."
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil den Spielball an die Politik weitergegeben: Eine Rehabilitierung der Sportler sei möglich, wenn diese Gruppe in das SED-Unrechtsbereinigungsgesetz aufgenommen wird.
Michael Lehner hält das für einen guten Weg: "Wenn sich jetzt die Politik durchringt, ein Ergänzungsgesetz zu verabschieden, dass die Doping-Opfer eine besondere Opfergruppe im Sinne der der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung sind, dann wäre das gelöst."
Burkhard Bley sagt: "Fakt ist, dass diese Menschen, die auf staatliches Betreiben hin gesundheitlich so schwer geschädigt sind, dass sie heute am Leben nicht teilnehmen können, nicht arbeiten können - dass es für diese Menschen eine dauerhafte, regelmäßige Leistung geben muss, die das irgendwie auffängt. Weil sie haben Therapiekosten zusätzlich zu tragen, sind nicht in der Lage zu arbeiten und haben niedrige Renten dadurch. Ich denke, das ist eine moralische Verpflichtung der Gesellschaft, dort einen Ausgleich zu schaffen."
Doch selbst wenn Sportler die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung erreicht haben wie jene 43 Athleten in Greifswald, so werden sie noch lange nicht entschädigt. Dafür müssen Anträge beim Landesamt für Gesundheit und Soziales gestellt werden. Das ist ein sehr aufwendiges, langwieriges und belastendes Verfahren. Da würde ich mir wünschen, dass wir in der Rechtslage Verbesserungen schaffen, weil: Die Menschen werden durch solche Verfahren mürbe gemacht.
"Man lässt diese ehemaligen Sportler im Regen stehen"
Bisher ist es bundesweit nur drei DDR-Sportlern gelungen, ein kleine, dauerhafte Rente aufgrund ihrer Dopingschäden zu erhalten - darunter Dagmar Berndt-Krampatsch. Sie musste ihren Beruf als Lehrerin vorzeitig aufgeben. Nach acht Gelenkoperationen ist sie in ihren Bewegungen eingeschränkt und kann nur mit starken Schmerzmitteln leben.
"Das ist das Schlimme daran: Man konnte machen, was man wollte als Trainer, als Sportmedizin mit den Athleten. Und im Nachhinein, wo jetzt alles bekannt ist, wird nicht hingehört. Und man lässt diese ehemaligen Sportler im Regen stehen. Das finde ich ganz, ganz traurig. Wir schreiben das Jahr 2024."
"Das ist das Schlimme daran: Man konnte machen, was man wollte als Trainer, als Sportmedizin mit den Athleten. Und im Nachhinein, wo jetzt alles bekannt ist, wird nicht hingehört. Und man lässt diese ehemaligen Sportler im Regen stehen. Das finde ich ganz, ganz traurig. Wir schreiben das Jahr 2024."