Rücktrittswelle

Alle haben das Blatter-Virus

Ohne Stefan Raab kann Pro7 eigentlich dicht machen, finden deutsche Medienjournalisten.
Ohne Stefan Raab kann Pro7 eigentlich dicht machen, finden deutsche Medienjournalisten. © dpa / picture alliance / Sascha Baumann/ZDF
Von Peter Zudeick |
Es ist wie eine Seuche, ein Rücktritt folgt dem nächsten: Moderatoren, Banker, Politiker und Stefan Raab machen nicht mehr mit. Sie folgen dem Fifa-Chef − vielleicht ja auch mit einem Rücktritt vom Rücktritt. Peter Zudeick regt einen Rollentausch an.
Jetzt reicht's. Also wirklich. Einmal muss doch Schluss sein, das ist ja wie 'ne Seuche. Und schuld ist dieser doofe Blatter. Kaum hatte der große Fifa-Joseph seinen Rücktritt angekündigt, da grassierte eine Rücktritts-Epidemie, wie wir sie schon lange nicht mehr erlebt haben. Anshu Jain und Jürgen Fitschen, die Chefs der Deutschen Bank, waren die ersten, die vom Blatter-Virus ergriffen wurden. Und schon hat Angela Merkel niemanden mehr, der ihr die Richtlinien ihrer Politik vorgibt. Twitter-Chef Dick Costolo war der nächste, gefolgt von Gregor Gysi, Rupert Murdoch und Günther Jauch. Das hätte ja schon gereicht. Und jetzt noch Stefan Raab. Das gibt uns den Rest.
Vor allem dem Fernsehen. Das ja faktisch nicht mehr existent ist ohne Stefan Raab. Also nicht nur Pro7, über den Laden brauchste gar nicht mehr zu reden. Der bestand ja nur aus Raab. Und nach Raab besteht er eben nicht mehr. Aber auch sonst: Gibt's noch etwas außer Raab in der deutschen Fernsehlandschaft. Also wenn ich mir die übereinander purzelnden lobeshymnischen Nachrufe vor allem in der sogenannten seriösen Presse anschaue – außer Raab nichts gewesen, lautet das Urteil.
Ja, wenn das so ist. Dann wäre Pro7 doch noch zu retten. Und damit das Fernsehen an sich. Man könnte ja alles, was der je versendet hat, in den nächsten Jahren wiederholen. Für diejenigen, die bisher noch kein Stück Raab gesehen haben. Das ist nämlich, man glaubt es kaum, die überwältigende Mehrheit der deutschen Fernsehzuschauer. Das dürfen wir bloß den Medienredakteuren der großen Zeitungen nicht erzählen, sonst schreiben die alle ihre Nachrufe um, und wir müssen noch eine Woche lang über Raab lesen.
Obwohl: Das Ganze könnte auch noch ganz anders ausgehen. Der Blatter, der ja an allem schuld ist, hat Anfang dieser Woche einen verschämten Rücktritt vom Rücktritt angedeutet. Wenn kein geeigneter Nachfolger für ihn gefunden würde, dann bliebe ihm ja gar nichts übrig, als weiter den Fifa-Karren zu ziehen. Das flöteten allerlei Kameraden aus der Blatter-Kamarilla. Also wenn schon Blatter-Virus, dann auch konsequent, dann ist jetzt flächendeckend Zurücktreten angesagt. Nämlich vom Rücktritt.
Jauch übernimmt die Linke, Raab die Deutsche Bank
Oder man macht das ganz anders: Man tauscht ein bisschen die Rollen. Wenn zum Beispiel der Gysi den Job von Jauch übernehmen täte, wäre endlich mal für Politik und Unterhaltung am Sonntagabend gesorgt. Dann könnte Jauch Linken-Fraktionschef werden und Raab Chef der Deutschen Bank, und Jain und Fitschen machen die Wok-WM. Oder so ähnlich. Damit sich fürs deutsche Publikum nicht allzu viel ändert.
Alle anderen aber nehmen sich gefälligst ein Beispiel an Heinz Georg Kramm alias Heino. Die schwarz-braune Haselnuss aus Bad Münstereifel hatte 2005 ihren Abschied von der Bühne angekündigt, 2007 war sie schon wieder da. Und das ist gut so. Denn sonst hätten wir niemals erfahren, was man so alles mit deutschem Pop und Rock und Hiphop anstellen kann, hätten Heino nie als Heavy-Metal-Karikatur erlebt, hätten ohne Heino mit Rammstein beim Wacken Open Air nie erfahren, was der Begriff "steinerner Gast" wirklich bedeutet. Also Freunde: Munter vom Rücktritt zurücktreten, wir brauchen euch. Egal in welchem Kostüm.
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