Zivile Technik statt Waffen
Panzer, Waffen, Kriegsschiffe - die Produkte der Rüstungsindustrie sind militärischer Natur. Geht es auch anders? Konfliktforscher Herbert Wulf hofft, dass die Firmen auf zivile Produkte umsteigen – und dass Wirtschaftsminister Gabriel sie dabei unterstützt.
André Hatting: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel trifft sich heute mit den Chefs der deutschen Rüstungsfirmen. Die machen sich Sorgen, weil ihre Geschäfte immer schlechter laufen. Einerseits natürlich wegen Russland, dahin werden zurzeit keine Exporte mehr genehmigt, klar. Aber auch darüber hinaus ist der SPD-Politiker so gar kein Freund des Waffenhandels. Allein im letzten halben Jahr sind zum Beispiel die Lieferungen in den Nahen und Mittleren Osten um fast 88 Prozent gesunken. Dabei ist Deutschland nach den USA und Russland drittgrößter Waffenexporteur der Welt. Theo Geers aus unserem Hauptstadtstudio über den Kurs des Bundeswirtschaftsministers, den der so begründet:
Sigmar Gabriel: Das ist im Kern kein Instrument der Wirtschaftspolitik. Das ist ein Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik, und es ist, wenn man nicht aufpasst und nicht sehr vorsichtig ist, sehr schnell ein Geschäft mit dem Tod. Und ich glaube, das können wir alle uns nicht wünschen.
Theo Geers berichtete. Und die Lösung des Problems, die könnte in der Konversion liegen, das bedeutet so viel wie "Schwerter zu Pflugscharen". Also: Krauss-Maffay stellt in Zukunft keine Panzer mehr her, sondern, sagen wir mal, Rettungshubschrauber. Ob das so einfach ist, darüber möchte ich mich jetzt mit Professor Herbert Wulf unterhalten. Er hat lange Jahre das Internationale Center für Konversion in Bonn geleitet. Guten Morgen, Herr Wulf!
Herbert Wulf: Guten Morgen!
Hatting: Wenn man Konversion in den Unternehmen betreiben will, also quasi das Umwidmen, das Umwandeln der Produktion, welcher Voraussetzungen bedarf es da?
Wulf: Es ist vor allen Dingen ganz notwendig, dass die Firmen sich darüber im Klaren sind, Bestandsaufnahmen zu machen, sich selber fragen, was für Fähigkeiten haben wir. Und das Beispiel, statt Panzer Hubschrauber, ist natürlich kein besonders gutes Beispiel.
Hatting: Ich habe es befürchtet.
Erfahrungen der 90er-Jahre mit Konversion
Wulf: Aber wenn beispielsweise Elektronikfirmen im Militärbereich tätig sind – und da hat es ganz konkrete Erfahrungen in den 90er-Jahren gegeben, das ist ja alles kein neues Thema – da sind Firmen umgestiegen, sind in den Bereich beispielsweise Testgeräte für Umwelttechnik gegangen. Also man muss dann Märkte suchen, die expandieren im zivilen Bereich, oder beispielsweise die Luftrüstungsindustrie hat ja heute gar nicht das Problem, zu wenig Rüstungsaufträge zu haben. Es boomt im zivilen Bereich. Also man muss die Kirche im Dorf lassen und muss wirklich fragen: Wo liegt tatsächlich das Problem?
Hatting: Und, wo liegt es?
Wulf: Das Problem liegt darin, dass die Rüstungsindustrie von zwei Seiten her in Bedrängnis ist, nämlich einmal die rückläufigen Umsätze bei der Bundeswehr, und dann die Exportrestriktionen. Und wenn die Industrie das weiß, muss sie sich darauf einstellen. Es ist ganz eindeutig so, dass die Kapazitäten, die heute vorhanden sind, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in Europa, einfach zu groß sind. Das heißt also, die Rüstungsindustrie muss sich auf Kapazitätsbeschränkungen einlassen, einstellen, muss dafür Vorsorge treffen, und das kann man, indem man eben in den zivilen Bereichen diversifiziert oder eben Konversion betreibt.
Hatting: Wer hat es denn bei dieser Konversion leichter? Die großen Firmen, die kleinen, die schon Erfahrung haben im zivilen Bereich?
Wulf: In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass gerade die kleinen und mittleren Firmen sehr viel flexibler reagieren als die großen Firmen. Große Firmen wie beispielsweise früher Siemens und Daimler Benz steigen dann lieber ganz aus der Rüstungssparte aus, sie verkaufen ihre Rüstungssparte an andere Firmen, während kleine Firmen sich Gedanken darüber machen, was können wir denn anderes produzieren als Hubschrauber – das sind dann ja meistens Zulieferer für Rüstungsfirmen, und die haben das Umsteuern leichter. Es muss ein Umdenken im Kopf stattfinden, und dieses Umdenken ist vor allen Dingen deshalb notwendig, weil Rüstungsproduktion im Regelfall sehr hochtechnologisch angelegt ist, sehr präzise Geräte hergestellt werden müssen. Der Preis spielt eine untergeordnete Rolle. Und das ist im zivilen Bereich genau umgekehrt.
Hatting: Sie haben vorhin schon mein Beispiel getadelt, das nicht so ganz gut war. Ich bleibe mal ganz kurz dabei, bei Krauss-Maffei, also einem Panzerbauer. Was kann der denn tun? Kann der sich umstellen, oder bedeutet das für ihn im Prinzip, die Produktion muss reduziert werden?
Wulf: Am Ende des Kalten Krieges gab es in Kiel eine Panzerfabrik, MAK. Diese Firma hatte damals auch mit sehr großen Schwierigkeiten und sehr viel Zurückhaltung zunächst umgestellt auf den Lokomotivenbau. Es sind in Kiel zwei Firmen entstanden, die sehr erfolgreich im Anschluss Lokomotiven gebaut haben. Ob das heute noch möglich ist, das muss Krauss-Maffei, das muss Rheinmetall, Wegmann, das müssen sie selber überprüfen, in welchen Bereichen denn ihre technologischen Fähigkeiten gehen und welche zivilen Märkte noch vorhanden sind. In den zivilen Märkten, das ist eine der Schwierigkeiten, befinden sich bereits andere Firmen, die auch diese Produkte herstellen. Es gibt ja nicht so viele neue Märkte, die man erschließen kann, und das muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Aber leider ist es so, dass in der Vergangenheit die Rüstungsfirmen sich zu wenig darum gekümmert haben und gesagt haben, lieber exportieren.
Hatting: Finden Sie, dass in dieser Situation jetzt auch die Politik helfen muss?
Politik sollte Initiativen für Konversion unterstützen
Wulf: Die Politik muss helfen, und zwar, was auch in dem Vorspann von Ihnen schon gesagt worden ist, die Rahmenbedingungen müssen klar benannt werden, und das ist gut, dass Gabriel das in aller Deutlichkeit gegenüber den Betriebsräten getan hat. Ich hoffe, er tut dies auch heute in aller Deutlichkeit gegenüber den Firmenchefs. Und dann kann die Politik ein Zweites tun: Sie kann die Initiativen für Konversion unterstützen. Am Ende des Kalten Krieges gab es in der Europäischen Union ein sogenanntes Konver-Programm. Dieses Programm hat Regionen, Gemeinden, aber auch Firmen unterstützt, wenn sie bereit waren, das, was vorher militärisch genutzt wurde, zivil umzustellen. Das könnte ich mir vorstellen, dass heute in der Politik, angesiedelt im Wirtschaftsministerium, eine solche Initiative wieder ergriffen wird, um den Umstieg für die Rüstungsfirmen zu erleichtern. Also Forschung-, Technologieförderung beispielsweise.
Hatting: Jetzt ist die Konversion vielleicht der Idealfall. Das Beispiel, das Sie genannt haben, Panzer und dann später Lokomotiven – welche Möglichkeiten haben die Firmen noch? Jetzt gibt es ja die Pläne, dass die Panzerhersteller Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann fusionieren wollen. Wäre das auch ein Weg, um aus dieser Krise herauszukommen?
Wulf: Das ist vielleicht sogar der einfachere Weg oder der Weg, der vermutlich beschritten werden wird. Denn es ist so, dass in Europa Überkapazitäten vorhanden sind. Und diese Überkapazitäten kann man abbauen, indem man fusioniert miteinander. Es werden zurzeit in Europa 16 verschiedene gepanzerte Fahrzeuge hergestellt. Das ist militärischer Unsinn. Und wenn hier Firmen fusionieren, also französische, deutsche Firmen beispielsweise miteinander fusionieren, dann lassen sich Kapazitäten abbauen. Das ist im Bereich der Flugzeugindustrie schon längst passiert mit Airbus, einem großen Konzern, der europäisch operiert. Das ist bei den Kriegsschiffen, das ist bei den Panzern, bei den Kleinwaffenherstellern überhaupt noch nicht der Fall gewesen.
Hatting: Der Rüstungsexperte Herbert Wulf über die neuen politischen Vorgaben für die deutsche Waffenindustrie und wie die darauf reagieren kann. Vielen Dank!
Wulf: Gerne!
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