Ruhelose Schriftstellerin
Die von Michael Lentz getroffene Auswahl, die auch drei bisher ungedruckte Gedichte enthält, zeigt anhand der Lyrikproduktion von vier Jahrzehnten, über welches poetische Ausdrucksvermögen Helga M. Novak verfügt. Novak ist eine ruhelose Autorin, die häufig gegangen und nur bedingt angekommen ist. Dass nun Lentz mit seiner Auswahl eine Lanze für die Autorin gebrochen hat, ist ausdrücklich zu begrüßen.
In dem 1997 erschienenen Gedichtband Silvatica von Helga M. Novak ist Artemis, die Göttin der Jagd, ebenso zentral, wie der Wald, in dem sich ein großes Jagen ereignet. Von Verletzungen, Fluchten und Wunden ist in den Texten dieses Bandes die Rede, da wird zur Strecke gebracht, ausgeweidet und gebrochen, geschändet und getötet. Zwar scheint das weidmännische Geschäft verhandelt zu werden, doch der Autorin gelingt es, die poetischen Bilder in der Schwebe zu halten, so dass - vom Wald verdeckt - auch ein weibliches Ich zu erkennen ist, das, getrieben, nach Schutz sucht.
Helga M. Novak ist eine ruhelose Autorin, die häufig gegangen und nur bedingt angekommen ist. Zunächst bricht sie ein Studium ab, sie flieht nach Island, kommt in die DDR zurück, heiratet, geht erneut nach Island, arbeitet in einer Fischfabrik - aber es hält sie nicht in der Fremde. Nach erneuter Rückkehr in die DDR beginnt sie am Leipziger Literaturinstitut zu studieren, aber sie wird relegiert und noch vor Wolf Biermann, der sie "die zärtlich-schroffeste Dichterin" nennt, erkennt man ihr die DDR-Staatsbürgerschaft ab. Ruhelos reist sie durch die Welt und findet ein Refugium in den masurischen Wäldern, fern ab vom Literaturbetrieb, zu dem sie nicht passt.
Inzwischen liegen acht Gedichtbände von Helga M. Novak vor, "Ostdeutsch" hieß der erste, der 1963 in einem isländischen Selbstverlag erschien, und sie hat mit "Die Eisheiligen" und "Vogel federlos" zwei Bücher geschrieben, die zum Besten gehören, was an autobiographischer Prosa in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur erschienen ist. Doch trotz mancher Anerkennung, der Büchner-Preis wäre eine verdiente Auszeichnung, ist die Autorin noch immer eine große Unbekannte.
Dass nun Michael Lentz mit seiner Auswahl aus den Gedichtbänden von Helga M. Novak eine Lanze für die Autorin gebrochen hat, ist ausdrücklich zu begrüßen. Mit den Ignoranten von Novaks Werk geht Michael Lentz entschieden ins Gericht: "Wer über deutschsprachige Poesie verhandelt und den Namen Helga M. Novak außer Acht lässt, hat Stromausfall", heißt es in dem sehr informativen, den Überblick bewahrenden, aber sich dennoch in einzelne Texte vertiefenden Nachwort des Kollegen. Die Auswahl, die chronologisch angelegt ist und drei bisher ungedruckte Gedichte enthält (Lichtgestalten, Globetrotter heute, freischwebend), zeigt anhand der Lyrikproduktion von vier Jahrzehnten, über welches poetische Ausdrucksvermögen Helga M. Novak verfügt. Sie vermag Wut mit Ironie zu brechen, Verzweiflung versteht sie mit Sarkasmus zu begegnen und Klage, so hoffnungslos sie erscheint, verhallt in ihren Texten nicht ohne trotziges Aufbegehren. Ihre Lyrik, besonders die späte, ist von einzigartiger suggestiver Kraft und bizarrer Schönheit.
"Die Gedichte durchqueren, heißt eine Reise tun", so Michael Lentz, "deren Stationen mitgelesen werden können. Der Leser erfährt, wo jemand bleibt, wenn er unterwegs ist." Zu einer solchen Reise lädt der Auswahl-Band ein, wobei melancholische Gefühlslagen sprechend werden. So wird es möglich, eine Autorin kennen zu lernen, die sich nicht bescheidet, sondern sich immer wieder, auch in schier ausweglosen Situationen, zu behaupten versteht.
Gedichteinspiel von "bin beschadet"
Lassen sich an diesem Gedicht vielleicht einige Merkmale der Lyrik von Helga M. Novak festmachen?
Wer ist diese Autorin, die man ja kaum kennt im öffentlichen Literaturbetrieb?
Michael Lentz, selbst Lyriker, hat eine Auswahl ihrer Lyrik zusammengestellt. Gibt es da Kriterien, nach denen er diese Auswahl getroffen hat?
Helga M. Novak: wo ich jetzt bin. Ausgewählt von Michael Lentz. Schöffling & Co. Frankfurt am Main 2005. 212 Seiten. 17,50 Euro.
Helga M. Novak ist eine ruhelose Autorin, die häufig gegangen und nur bedingt angekommen ist. Zunächst bricht sie ein Studium ab, sie flieht nach Island, kommt in die DDR zurück, heiratet, geht erneut nach Island, arbeitet in einer Fischfabrik - aber es hält sie nicht in der Fremde. Nach erneuter Rückkehr in die DDR beginnt sie am Leipziger Literaturinstitut zu studieren, aber sie wird relegiert und noch vor Wolf Biermann, der sie "die zärtlich-schroffeste Dichterin" nennt, erkennt man ihr die DDR-Staatsbürgerschaft ab. Ruhelos reist sie durch die Welt und findet ein Refugium in den masurischen Wäldern, fern ab vom Literaturbetrieb, zu dem sie nicht passt.
Inzwischen liegen acht Gedichtbände von Helga M. Novak vor, "Ostdeutsch" hieß der erste, der 1963 in einem isländischen Selbstverlag erschien, und sie hat mit "Die Eisheiligen" und "Vogel federlos" zwei Bücher geschrieben, die zum Besten gehören, was an autobiographischer Prosa in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur erschienen ist. Doch trotz mancher Anerkennung, der Büchner-Preis wäre eine verdiente Auszeichnung, ist die Autorin noch immer eine große Unbekannte.
Dass nun Michael Lentz mit seiner Auswahl aus den Gedichtbänden von Helga M. Novak eine Lanze für die Autorin gebrochen hat, ist ausdrücklich zu begrüßen. Mit den Ignoranten von Novaks Werk geht Michael Lentz entschieden ins Gericht: "Wer über deutschsprachige Poesie verhandelt und den Namen Helga M. Novak außer Acht lässt, hat Stromausfall", heißt es in dem sehr informativen, den Überblick bewahrenden, aber sich dennoch in einzelne Texte vertiefenden Nachwort des Kollegen. Die Auswahl, die chronologisch angelegt ist und drei bisher ungedruckte Gedichte enthält (Lichtgestalten, Globetrotter heute, freischwebend), zeigt anhand der Lyrikproduktion von vier Jahrzehnten, über welches poetische Ausdrucksvermögen Helga M. Novak verfügt. Sie vermag Wut mit Ironie zu brechen, Verzweiflung versteht sie mit Sarkasmus zu begegnen und Klage, so hoffnungslos sie erscheint, verhallt in ihren Texten nicht ohne trotziges Aufbegehren. Ihre Lyrik, besonders die späte, ist von einzigartiger suggestiver Kraft und bizarrer Schönheit.
"Die Gedichte durchqueren, heißt eine Reise tun", so Michael Lentz, "deren Stationen mitgelesen werden können. Der Leser erfährt, wo jemand bleibt, wenn er unterwegs ist." Zu einer solchen Reise lädt der Auswahl-Band ein, wobei melancholische Gefühlslagen sprechend werden. So wird es möglich, eine Autorin kennen zu lernen, die sich nicht bescheidet, sondern sich immer wieder, auch in schier ausweglosen Situationen, zu behaupten versteht.
Gedichteinspiel von "bin beschadet"
Lassen sich an diesem Gedicht vielleicht einige Merkmale der Lyrik von Helga M. Novak festmachen?
Wer ist diese Autorin, die man ja kaum kennt im öffentlichen Literaturbetrieb?
Michael Lentz, selbst Lyriker, hat eine Auswahl ihrer Lyrik zusammengestellt. Gibt es da Kriterien, nach denen er diese Auswahl getroffen hat?
Helga M. Novak: wo ich jetzt bin. Ausgewählt von Michael Lentz. Schöffling & Co. Frankfurt am Main 2005. 212 Seiten. 17,50 Euro.