Ruhr.2010: Kulturhauptstadt Europas mit sprödem Charme
Der Himmel über der Ruhr - blau, wie Willy Brandt ihn versprach. Ein Förderturm im Abendrot. Schöne junge Menschen tanzen auf begrünten Abraumhalden. Ein bisschen rostiger Stahl, eine Steeldrum-Band, der Bergmannschor und die Hip-Hopper, das pulsierende Nachtleben im Revier. Bars und Breakdance. Nächtlich leuchtende Konzerthäuser und Konzernzentralen. 200 Museen. 120 Theater. Mehr als 1000 Industriedenkmäler. Willkommen in der Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010.
"Kürzlich ist bei Günter Jauch eine Frage gestellt worden, die hieß: Wie heißt die Region 2010? Main.2010. Rhein.2010. Mosel.2010. Oder Ruhr.2010. Die Dame, die im Sessel saß, wusste das nicht. Das ist an sich ja nicht schlimm - aber die Dame kam aus Gelsenkirchen. Und Gelsenkirchen ist eine Nachbarstadt. Zum Glück wusste es das Publikum, was bedeuten kann, dass man draußen vielleicht mehr weiß über die Kulturregion Essen als hier."
Lars-Ludwig von der Gönna ist Kulturreporter bei der "WAZ", der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", und er sieht das Kulturhauptstadtjahr 2010 mit gemischten Gefühlen heraufziehen. Der Imagefilm zeigt das Ruhrgebiet so, wie es die Verantwortlichen für die Kulturhauptstadt Europas 2010 gerne wahrgenommen wissen möchten: von sprödem Charme, aber fröhlich. Vom scheinbar niemals enden wollenden Strukturwandel gezeichnet, aber kreativ. Von einer proletarischen Geschichte auf sympathische Weise am Boden gehalten, aber trotzdem kulturell auf Augenhöhe mit den Metropolen dieser Welt. Doch die Wirklichkeit, findet das Ruhrgebietskind Lars-Ludwig von der Gönna, die Wirklichkeit ist eine andere:
"Wir haben Schwimmbäder, in denen die Badetemperatur runtergeregelt wird, um Stellen hinter dem Komma zu sparen. Wir haben Stadtteilbibliotheksschließungen. Wir haben ganze Behörden, die für 14 Tage in Ferien geschickt werden, um Geld zu sparen - in Dortmund etwa. Das ist überhaupt keine gute Debatte. Dass wir die führen müssen - der abrieselnde Putz im Kindergarten gegen die Parzival-Aufführung - die ist schädlich. Wir müssen uns aber fragen, warum die möglich ist. Und diese Region macht sie möglich, weil sie völlig bankrott ist."
Dem faktischen Bankrott des Ruhrgebiets wollen die Organisatoren der Ruhr 2010 die Kultur entgegensetzen. Kultur, die nicht nur Freude macht, sondern Arbeitsplätze schafft. So stellt sich das jedenfalls der Geschäftsführer der Ruhr 2010 vor: Fritz Pleitgen, der frühere Intendant des Westdeutschen Rundfunks sitzt in einem hellen, hohen Eckbüro mit Blick in den Essener Stadtgarten und sagt:
"Wir glauben, dass Kultur die Menschen und auch die Gesellschaft inspiriert, Inspiration schafft Kreativität und Kreativität produziert auch Arbeitsplätze. Und das ist auch das, was die Europäische Kommission von uns erwartet: Wir sollen die Kulturwirtschaft ankurbeln oder eher dort Impulse setzen, wir sollen den Kulturtourismus fördern - all das versuchen wir zu erfüllen."
Fast 300 eigens für die Kulturhauptstadt Europas ersonnene Kunstprojekte und Tausende von Einzelveranstaltungen, verteilt auf ein Jahr und mehr als 4000 Quadratkilometer - das ist eine Herausforderung für die Organisatoren, aber auch für die Besucher. Das Gesamtprogramm umfasst 96 eng bedruckte Seiten, die Zeugnis davon ablegen, dass die "Ruhr 2010" allen etwas anbieten will: den Einheimischen und den Kulturtouristen, dem gesetzten Bildungsbürgertum und den jungen Wilden, den Theaterfreunden und den Museumsgängern. Es ist ein Spagat zwischen Heimatabend und Hans Werner Henze, aber auch zwischen Kamp-Lintfort im Westen und Hagen im Osten des Reviers.
Der Anspruch dieser Kulturhauptstadt 2010 ist riesig: Es geht ihren Machern nicht bloß um die Künste, nein: Es geht ihnen um nichts Geringeres als eine Neuvermessung des Ruhrgebiets, um die Schaffung einer starken, gemeinsamen "Metropole Ruhr". Kunst und Kultur als Mittel der Metropolenbildung in einem zersiedelten Vielstädtegebilde. Einer der Vorträumer dieser Vision ist Jürgen Fischer, der Programmkoordinator der "Ruhr 2010":
"Wir planen ja kein weiteres Festival oder so ein Sommerfeuerwerk abzubrennen, sondern wir sehen das durchaus auch in der Kontinuität zur IBA, zur Internationalen Bauausstellung, als ein regionales Entwicklungsprojekt. So. Wenn die Oberbürgermeister über die Metropole Ruhr reden, dann wissen wir, die lässt sich nicht deklarieren aus Oberbürgermeisterbüros, sondern die entsteht, indem andere das Ruhrgebiet für eine Metropole halten - oder sie entsteht nicht. Aber wenn sie entsteht, dann ist die einzige Chance, dass sie tatsächlich von unten wächst. So, und da sind wir auch wieder politisch, natürlich. Also so entsteht dann möglicherweise - und da, glaube ich, kann dann schon die Kulturhauptstadt Europas einen kleinen Push geben - irgendwann mal die Metropole Ruhr."
Eine große Vision, für deren Werden allerdings ein relativ kleiner Etat zur Verfügung steht: Etwas mehr als 60 Millionen Euro sind es - deutlich weniger als beispielsweise das idyllische Linz in Österreich zur Verfügung hatte für sein Kulturhauptstadtjahr 2009. Es wird schon irgendwie reichen, glaubt Ruhr-2010-Geschäftsführer Fritz Pleitgen:
"Linz hat einen Etat von 73 Millionen Euro, aber Linz ist auch gestartet, bevor die Finanzkrise zugeschlagen hat. Wir wollen uns da nicht beklagen. Es ist fast typisch für das Ruhrgebiet, dass es eben in schwierigen Situationen sich bewähren muss, obwohl, wie man so schön sagt, viele der großen Projekte sehr auf Kante genäht sind. Ich habe wirklich eine Menge schlafloser Nächte gehabt, weil man sich gefragt hat: Schaffen wir das nun oder schaffen wir das nicht? Es dürfen also nicht allzu viele unvorhergesehene Ereignisse eintreten. Wir haben diese Puffer nicht, um dann in Notfällen etwas abzufangen. Aber wir sind es einfach der Bevölkerung schuldig, dass wir Risikobereitschaft und Wagemut zeigen."
Lars-Ludwig von der Gönna ist Kulturreporter bei der "WAZ", der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", und er sieht das Kulturhauptstadtjahr 2010 mit gemischten Gefühlen heraufziehen. Der Imagefilm zeigt das Ruhrgebiet so, wie es die Verantwortlichen für die Kulturhauptstadt Europas 2010 gerne wahrgenommen wissen möchten: von sprödem Charme, aber fröhlich. Vom scheinbar niemals enden wollenden Strukturwandel gezeichnet, aber kreativ. Von einer proletarischen Geschichte auf sympathische Weise am Boden gehalten, aber trotzdem kulturell auf Augenhöhe mit den Metropolen dieser Welt. Doch die Wirklichkeit, findet das Ruhrgebietskind Lars-Ludwig von der Gönna, die Wirklichkeit ist eine andere:
"Wir haben Schwimmbäder, in denen die Badetemperatur runtergeregelt wird, um Stellen hinter dem Komma zu sparen. Wir haben Stadtteilbibliotheksschließungen. Wir haben ganze Behörden, die für 14 Tage in Ferien geschickt werden, um Geld zu sparen - in Dortmund etwa. Das ist überhaupt keine gute Debatte. Dass wir die führen müssen - der abrieselnde Putz im Kindergarten gegen die Parzival-Aufführung - die ist schädlich. Wir müssen uns aber fragen, warum die möglich ist. Und diese Region macht sie möglich, weil sie völlig bankrott ist."
Dem faktischen Bankrott des Ruhrgebiets wollen die Organisatoren der Ruhr 2010 die Kultur entgegensetzen. Kultur, die nicht nur Freude macht, sondern Arbeitsplätze schafft. So stellt sich das jedenfalls der Geschäftsführer der Ruhr 2010 vor: Fritz Pleitgen, der frühere Intendant des Westdeutschen Rundfunks sitzt in einem hellen, hohen Eckbüro mit Blick in den Essener Stadtgarten und sagt:
"Wir glauben, dass Kultur die Menschen und auch die Gesellschaft inspiriert, Inspiration schafft Kreativität und Kreativität produziert auch Arbeitsplätze. Und das ist auch das, was die Europäische Kommission von uns erwartet: Wir sollen die Kulturwirtschaft ankurbeln oder eher dort Impulse setzen, wir sollen den Kulturtourismus fördern - all das versuchen wir zu erfüllen."
Fast 300 eigens für die Kulturhauptstadt Europas ersonnene Kunstprojekte und Tausende von Einzelveranstaltungen, verteilt auf ein Jahr und mehr als 4000 Quadratkilometer - das ist eine Herausforderung für die Organisatoren, aber auch für die Besucher. Das Gesamtprogramm umfasst 96 eng bedruckte Seiten, die Zeugnis davon ablegen, dass die "Ruhr 2010" allen etwas anbieten will: den Einheimischen und den Kulturtouristen, dem gesetzten Bildungsbürgertum und den jungen Wilden, den Theaterfreunden und den Museumsgängern. Es ist ein Spagat zwischen Heimatabend und Hans Werner Henze, aber auch zwischen Kamp-Lintfort im Westen und Hagen im Osten des Reviers.
Der Anspruch dieser Kulturhauptstadt 2010 ist riesig: Es geht ihren Machern nicht bloß um die Künste, nein: Es geht ihnen um nichts Geringeres als eine Neuvermessung des Ruhrgebiets, um die Schaffung einer starken, gemeinsamen "Metropole Ruhr". Kunst und Kultur als Mittel der Metropolenbildung in einem zersiedelten Vielstädtegebilde. Einer der Vorträumer dieser Vision ist Jürgen Fischer, der Programmkoordinator der "Ruhr 2010":
"Wir planen ja kein weiteres Festival oder so ein Sommerfeuerwerk abzubrennen, sondern wir sehen das durchaus auch in der Kontinuität zur IBA, zur Internationalen Bauausstellung, als ein regionales Entwicklungsprojekt. So. Wenn die Oberbürgermeister über die Metropole Ruhr reden, dann wissen wir, die lässt sich nicht deklarieren aus Oberbürgermeisterbüros, sondern die entsteht, indem andere das Ruhrgebiet für eine Metropole halten - oder sie entsteht nicht. Aber wenn sie entsteht, dann ist die einzige Chance, dass sie tatsächlich von unten wächst. So, und da sind wir auch wieder politisch, natürlich. Also so entsteht dann möglicherweise - und da, glaube ich, kann dann schon die Kulturhauptstadt Europas einen kleinen Push geben - irgendwann mal die Metropole Ruhr."
Eine große Vision, für deren Werden allerdings ein relativ kleiner Etat zur Verfügung steht: Etwas mehr als 60 Millionen Euro sind es - deutlich weniger als beispielsweise das idyllische Linz in Österreich zur Verfügung hatte für sein Kulturhauptstadtjahr 2009. Es wird schon irgendwie reichen, glaubt Ruhr-2010-Geschäftsführer Fritz Pleitgen:
"Linz hat einen Etat von 73 Millionen Euro, aber Linz ist auch gestartet, bevor die Finanzkrise zugeschlagen hat. Wir wollen uns da nicht beklagen. Es ist fast typisch für das Ruhrgebiet, dass es eben in schwierigen Situationen sich bewähren muss, obwohl, wie man so schön sagt, viele der großen Projekte sehr auf Kante genäht sind. Ich habe wirklich eine Menge schlafloser Nächte gehabt, weil man sich gefragt hat: Schaffen wir das nun oder schaffen wir das nicht? Es dürfen also nicht allzu viele unvorhergesehene Ereignisse eintreten. Wir haben diese Puffer nicht, um dann in Notfällen etwas abzufangen. Aber wir sind es einfach der Bevölkerung schuldig, dass wir Risikobereitschaft und Wagemut zeigen."