Ruhrfestspiele: "Das Leben ein Traum. Calderón"

Quälend wirre Kunstbemühung

Das Probenfoto vom 06.05.2016 zeigt eine Szene aus dem Stück "Das Leben ein Traum.Calderon" von Pier Paolo Pasolini im Theater in Marl (Nordrhein-Westfalen) mit Jacqueline Macaulay als Rosaura (m), Annette Schlechter (l.) als Dienerin und Nicolai Despot als Samir. Das Stück unter der Regie von Frank Hoffmann wird auf den Ruhrfestspielen 2016 gezeigt.
Einen Mann im Tigerkleid gibt es in "Das Leben ein Traum. Calderon" mit Jacqueline Macaulay als Rosaura (m), Annette Schlechter (l.) als Dienerin und Nicolai Despot als Samir bei den Ruhrfestspielen zu sehen. © dpa / picture alliance / Marcel Kusch
Von Stefan Keim |
Hier inszeniert der Intendant der Ruhrfestspiele persönlich. Frank Hoffmann hat für die Besetzung von "Das Leben ein Traum. Calderón" Stars wie Hanna Schygulla aufgeboten. Er fügt dem Stück so viele Bedeutungsebenen hinzu, bis man nicht mehr durchblickt.
Das Projekt an sich ist schon mehr als anspruchsvoll. Frank Hoffmann, Intendant der Ruhrfestspiele, hat "Das Leben ein Traum" von Pedro Calderón de la Barca mit dem selten gespielten Stück "Calderón" von Pasolini verbunden. Dafür hat er bei den Ruhrfestspielen ein Starensemble mit Hanna Schygulla, Dominique Horwitz, Wolfram Koch und vielen anderen versammelt.
Das sollte ein großer Wurf werden – und geriet zur quälend wirren Kunstbemühung. Denn Hoffmann fügt in seiner Bearbeitung der ohnehin schon großen Vielzahl an Bedeutungsebenen noch weitere hinzu. Bis schließlich kaum noch einer durchblickt, was hier eigentlich verhandelt wird.

Absage an die Revolutionen der 60er-Jahre

Aber der Reihe nach: Pier Paolo Pasolini schrieb sein Stück "Calderón" als Absage an die Revolutionen der 60er-Jahre. Er entnahm eine Figur aus "Das Leben ein Traum", Rosaura, und ließ sie dreimal in verschiedenen Gesellschaftsschichten aufwachen. Rosaura weiß nicht mehr, wer sie ist und lebt in einem Palast, einem Bordell und einem Lager. Damit sind die Sphären der Adligen, der Bürger und des Proletariats gemeint. Obwohl sie am Ende aus dem Konzentrationslager befreit wird, bleibt der Schluss skeptisch. Denn das ist nur ein Traum.
Frank Hoffmann verlegt nun die Teile des Stückes in verschiedene Zeiten. Erst sind wir im Spanien unter der Franco-Diktatur, dann 1979 in Italien, schließlich in der deutschen Gegenwart. Und am Schluss noch in einem Konzentrationslager. Außerdem montiert er Szenen aus Calderóns "Das Leben ein Traum" in den Abend, schafft Parallelen, lässt die Schauspieler mehrere Rollen spielen. Oft geraten sie dabei ins Chargieren, besonders unerträglich in den Bordellszenen.
Auch eine Groteske – oder wie es im Stück heißt "Illusion und Irrsinn" – braucht Feinheiten. Dazu werden noch einige Theatermoden ausgepackt. Eine Livekamera zeigt die Schauspieler in Nahaufnahme, Spiegel schweben von der Decke herunter, um dem Publikum zu zeigen, dass auch sie gemeint sind. Einmal stellen die Akteure ein Bild von Velazquez nach. Ein Dauerbombardement der Sinneseindrücke. Dabei geht der Inhalt fast verloren.

Jeder macht sein Ding

Nur manchmal schaltet der wie immer grandiose Wolfram Koch seine Hörbuchstimme ein und spricht in wenigen Momenten der Ruhe ein paar zentrale Sätze und deutet kurz an, worum es an diesem Abend gehen sollte. Ansonsten herrscht großes Gedröhne, purer Eklektizismus, da scheint jedes Ideechen aus dem Probenprozess auf die Bühne geraten zu sein.
Die Schauspieler entwickeln eine Riesenenergie, Jaqueline Macaulay schafft als Rosaura auch einige packende Momente. Doch überall fehlt die Feinarbeit, der Rhythmus, jeder macht sein Ding.
Richtig schlimm wird es gegen Ende, wenn Hanna Schygulla als "die andere Rosaura" auftritt. Im Nachthemd und mit wallender Mähne zerdehnt sie ihre Texte in einer Walle-Walle-Rhetorik und flüstert manchmal trotz Mikroport an der Grenze der Verständlichkeit. Wenn sie dann vom KZ und der Befreiung erzählt, wirkt dieses eitle Divengetue so geschmacklos, dass man schreien möchte.
Eigentlich war Hannelore Elsner für diese Rolle vorgesehen, sie scheint aus der Produktion geflohen zu sein. Was ihr niemand verdenken könnte.

Ruhrfestspiele: "Das Leben ein Traum. Calderón" wird am 11., 12., 13., 14.5.2016 gezeigt.

Mehr zum Thema