Ruhrtriennale-Intendant Johan Simons

Der das Theater in die Zeche bringt

Ins rechte Licht gerückt: Der niederländische Intendant der Ruhrtriennale, Johan Simons, wollte ein neues Publikum anlocken.
Der niederländische Intendant der Ruhrtriennale, Johan Simons, will ein neues Publikum anlocken. © dpa / picture alliance / Bernd Thissen
Von Stefan Keim |
Kunst in ehemaligen Industrieanlagen, das ist die Ruhrtriennale. Intendant Johan Simons bringt Theater nach Dinslaken-Lohberg und in andere sozialen Brennpunkte. Er will Menschen erreichen, die sonst nicht ins Theater gehen - und er bringt gleichzeitig unterschiedliche Religionen zusammen.
"Alceste" von Christoph Willibald Gluck, ein Stück über das Aufbegehren der Menschen gegen die Götter, das B'Rock Orchestra spielt auf historischen Instrumenten. Im vergangenen Jahr begann die Ruhrtriennale in Dinslaken-Lohberg, mitten in einem sozialen Brennpunkt. War das nur ein Ausflug, dem nun die Rückkehr ins schick restaurierte Festivalzentrum folgt? Johan Simons, Intendant der Ruhrtriennale, widerspricht:
"Den Versuch, Leute dazu zu holen, die nie oder wenig oder niemals ins Theater kommen, das zieh ich einfach diese drei Jahre durch. Das hab ich immer gemacht."
Von Dinslaken aus zogen junge Moslems in den Nahen Osten, um für den sogenannten Islamischen Staat zu kämpfen. Johan Simons, der den Islamischen Staat – wie es die Holländer tun – IS (gesprochen Ihs) nennt, erinnert sich an die Arbeit in Dinslaken.
"Dinslaken ist für mich ein Ort, wo ich unglaublich viel gelernt habe über Salafismus und auch über andere Denk- und Lebensweisen, über Leute, die mitgekämpft haben mit IS, bei IS hab ich ein Bild."

Aus reiner Neugier in die Moschee

Auch in diesem Jahr kommt die Ruhrtriennale nach Lohberg, aber nur an einem Sonntag Nachmittag. Da gastiert das Stück "Urban Prayers Ruhr" in der Lutherkirche, ein Musik- und Theaterprojekt, das verschiedene Glaubensrichtungen zusammen bringen will. Sonntag startet die Tour in einer Moschee in Duisburg-Marxloh, die zur strenggläubigen Organisation ditib gehört.
"Da bin ich wirklich gespannt, weil das gibt es natürlich auch Leute aus der jüdischen Gemeinde, aus der protestantischen Gemeinde, dem Buddhismus. Und alle gehen dann aus reiner Neugier schon in die Moschee rein und hören sich dann den Text an."
Eyüp Yildiz, der stellvertretende Bürgermeister Dinslakens, hat im vergangenen Jahr die Ruhrtriennale kritisiert. Er ist 1968 im Stadtteil Lohberg geboren, kennt die Verhältnisse und war misstrauisch, ob die Kultur etwas verändern kann. Yildiz beklagt sich nicht, dass diesmal keine große Premiere in Lohberg stattfindet, im Gegenteil.
"Ich finde, dass das wirklich authentischste Projekt, das dieses Jahr stattfindet, dass das Urban Prayers Ruhr ist. Es geht um die Frage: Können viele Religionen die gleiche Sprache finden? Ich find, das ist ne ganz wichtige Frage. Ich sehe, dass Johan Simons am Ball ist und sich bemüht, sich wirklich bemüht."

Mit Theater tiefe Gräben überwinden

Im vergangen Jahr waren Mitarbeiter der Ruhrtriennale in Lohberg auf dem Wochenmarkt. Sie haben Leute angesprochen, sie zu Proben eingeladen. Die Lohberger sind gekommen. Und heute? Denkt im Ort noch jemand an die Ruhrtriennale? Eyüp Yildiz:
"Es gibt schon Aktionen, die aufgrund der Ruhrtriennale entstanden sind. Es gibt eine gewisse Verbindung. Aber man kann eine Entwicklung, die in Laufe der Jahre sich verfestigt hat, ist es da wirklich sehr, sehr schwierig, mit ein, zwei Theaterstücken diese Krusten, diese tiefen Gräben zu durchbrechen. Das ist schwierig, das kann man nicht von heute auf morgen, das ist viel zu viel erwartet."
Ähnliche Aktionen plant das Team der Ruhrtriennale diesmal in Marl. Dort inszeniert Johan Simons sein zweites Stück in der Kohlenmischhalle der Zeche Auguste Victoria. In Marl gibt es einen Pfarrer, der sonntags zu Gesprächsrunden in den Biergarten einlädt. Da kommen oft mehrere Hundert Leute. Mit diesem Pfarrer will Simons zusammen arbeiten. Er nimmt eine Zeitung in die Hand. Unter seiner Leitung gibt die Ruhrtriennale kein schickes Programmbuch heraus wie in den Vorjahren, sondern eine Zeitung mit viel höherer Auflage.
"Eine Million im Vergleich zu 80 000, das ist schon ein Statement. Die Bücher, die sehen natürlich total gut aus. Es gibt Leute, die regen sich auf, weil es diese Bücher nicht mehr gibt. Aber es geht eben auch ums Publikum."
Alle Menschen ansprechen, auch die, die sonst mit Kultur nichts zu tun haben, das will Johan Simons wirklich. Er weiß, wie lang und schwierig dieser Weg ist. Es ist ihm ernst, er geht schon mal los und schaut, wie weit er kommt.
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