"Medea" als Stück über Emanzipation
Einen Gegenentwurf zur gängigen Medea-Interpretation als Kindermörderin hat die Regisseurin Susanne Kennedy mit ihrem Stück "Medea.Matrix" bei der Ruhrtriennale präsentiert. Theaterkritiker Christoph Leibold zeigte sich von der Uraufführung fasziniert.
Medea ist eine der rätselhaftesten und radikalsten Figuren in der griechischen Mythologie. Sie liebt bedingungslos, wird betrogen und tötet die eigenen Kinder. Regisseurin Susanne Kennedy, die sich letztes Jahr auf der Ruhrtriennale mit der Figur der Eurydike, basierend auf Monteverdis Oper "L'Orfeo" auseinandersetzte, beleuchtet in "Medea.Matrix" die vielfältigen und kontroversen Facetten der Medea als liebende Mutter und Rachegöttin.
Aufführung in der Industriekathedrale
Schon der verstorbene Theaterkünstler Christoph Schlingensief hatte in der Gebläsehalle im Landschaftspark in Duisburg Nord seine "Kirche der Angst" inszeniert. Nun knüpfte die Regisseurin Susanne Kennedy offenbar daran an, sagte Theaterkritiker Christoph Leibold im Deutschlandradio Kultur. "Sie sieht erstmal etwas Ähnliches darin, was Schlingensief gesehen hat", sagte Leibold. Die Gebläsehalle sei so etwas wie eine Industriekathedrale mit sakraler Anmutung und seitlichen Bogennischen, die wie Kirchenfester wirkten. "Bei Susanne Kennedy werden die mit Videobildern bespielt", so Leibold. Dies werde durch große Leinwände über der Spielfläche ergänzt.
Akt der Befreiung
Das Publikum habe vor der Vorstellung die Bühne begehen können, wie in einer Kunstinstallation. In der Hauptrolle agierte Birgit Minichmayr, die als Medea ganz anders auftrete als man es von anderen Aufführungen mit ihr gewohnt sei. Leibold sieht in der Aufführung einen Gegenentwurf zu anderen Medea-Interpretationen. "Bei Kennedy hat man das Gefühl, es ist fast so etwas wie der Akt der Emanzipation, der Befreiung von der Rolle der Mutter, die der Frau über Jahrhunderte, Jahrtausende zugeschrieben wird."
(gem)