Sachlicher Austausch divergierender Positionen
Am Sonnabend hätte das Konzert der "Young Fathers" stattfinden sollen. Nach der Absage der Band und der Kontroverse um die israelkritische Bewegung "BDS" gab es nun eine Podiumsdiskussion zur Freiheit der Künste. Das Interesse war gewaltig.
Der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert hat die Podiumsdiskusion moderiert. Peter Graboskwi war für Fazit vor Ort und berichtet, dass Lammert gleich zu Beginn das Publikum darauf eingeschworen habe, nicht allzu große Erwartungen an die Diskussion zu stellen.
Der Konflikt, der sich an der Band "Young Fathers" entzündet hatte und sich mittlerweile um die israelkritische Bewegung BDS (Boycott, Divestment, Sanctions) dreht, werde sicher nicht hier auf dem Podium gelöst werden können - ganz zu schweigen vom Nahostkonflikt. Man solle sich also darauf einstellen, wahrscheinlich enttäuscht nach Hause gehen zu müssen, resümiert Grabowski Lammerts einleitende Worte.
Gibt es eine deutsche Ausnahmesituation?
Dennoch habe sich ein interessantes Gespräch auf dem Podium entwickelt. In einigen Punkten sei man sich überhaupt nicht einig geworden - wie zum Beispiel bei der Frage: "Gibt es eine deutsche Ausnahmesituation im Umgang mit Israel und der israelischen Politik?"
Auf dem Podium saß beispielsweise der amerikanische Komponist Elliott Sharp, Sohn von Holocaust-Opfern. Elliott sei "für eine deutlich schärfere Gangart der Politik und Zivilgesellschaft gegenüber Israel eingetreten", also dafür, durch gewaltfreien Boykott in all seinen Facetten Israel zu zwingen, internationale Verpflichtungen einzuhalten, so Grabowski weiter.
Es sei auch darum gegangen, dass es in Sonntagsreden zwar immer heiße, scharfe Kritik an Israel sei möglich, Konsequenzen indes ausblieben. Deswegen müsse man zu schärferen Maßnahmen greifen, fasst Grabowski auf dem Podium vertretene Positionen zusammen, so dass man dann bei wirtschaftlichen Sanktionen lande, die man bis zum Boykott treiben könne.
Der frühere NRW-Kulturminister Michael Vesper und die amtierende NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen hingegen hätten die Ansicht vertreten, dass aus Deutschland heraus nie wieder ein Boykott gegen Juden propagiert werden dürfe.
Insgesamt hätten die Diskutanten aber "Israel auf keinen Fall verteidigt, sie haben ausschließlich verteidigt, dass es aus deutscher Position eine ganz besondere Situation im Umgang mit Israel gibt, dass die Grenzen da sehr, sehr, sehr dünn verlaufen. Israel ist nicht in irgendeinem Sinne für seine Politik gegenüber den Palästinensern von den früheren oder aktuellen politischen Verantwortlichen verteidigt worden", resümiert Peter Grabowski.
Distanzierung auf andere Weise gewünscht
Kritik der beiden Kulturpolitiker richtete sich auch an die Festivalleitung. Beide hätten sich unzufrieden gezeigt mit deren Umgang mit dem BDS und dem Hin und Her bei der Ein-, Aus- und Wiedereinladung der Band "Young Fathers". Sie hätten sich eine "Distanzierung auf andere Art und Weise gewünscht".
Außerdem glaubten beide nicht, dass Kunstfreiheit hier als Argument ziehe, denn um die Kunstfreiheit gehe es in dieser Auseinandersetzung nicht. Die Band habe keineswegs antisemitische Parolen mit ihrer Kunst verbreiten wollen. Es gehe eher darum, dass die "Young Fathers" auch bei dieser israelfeindlichen Kampagne BDS ihre Unterschrift geleistet hätten.
Grabowski gibt wieder, dass Carp ihre Rolle nicht politisch wahrnehme, sie sich eher als Vertreterin und Anwältin von Künstlern und Kunst sehe. Sie sage auch, dass sie sich nicht in der Position sehe, eine politische Verantwortung haben zu müssen, so Grabowski weiter.
Das Publikum habe sich immer wieder lautstark zu Wort gemeldet, brichtet Grabowski. Udi Aloni, ein israelischer Filmemacher, der im Publikum saß, wurde kurz aufs Podium gebeten, wo er eine Pro-BDS-Brandrede gehalten habe. Vor der Tür gab es zudem eine Pro-Israel- und eine Pro-Palästina-Demo.
Insgesamt sei es "auf dem Podium gesittet" zugegangen, man habe "sachlich Positionen ausgetauscht, ohne dass man sich an die Gurgel gegangen ist". Großen Anteil an diesem friedlichen Verlauf habe der frühere Bundestagspräsident und Gründungsvater der Ruhrtriennale Norbert Lammert gehabt, sagt Peter Grabowski zum Abschluss des Gesprächs.