Rumänen und Bulgaren

"Er muss weg aus diesem Land, einfach weg!"

Die Fahnen von Rumänien (zweite von rechts) und Bulgarien wehen neben Flaggen der EU.
Welche Folgen hat die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien für den deutschen Arbeitsmarkt? © dpa / picture alliance / Vassil Donev
Von Stephanie Ley |
Immer wieder gibt es politische Diskussionen über "Armutszuwanderung". Besonders betroffen ist Mannheim mit offiziell 7000 Rumänen und Bulgaren. Wir haben zwei von ihnen getroffen - und sie gefragt, was sie von einem Gesetz gegen "Sozialleistungsmissbrauch" halten.
Der Busbahnhof im Zentrum der Stadt Mannheim. Hier herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Unter den Reisenden - viele Rumänen und Bulgaren, die fern der Heimat ihr Glück suchen. So wie Mitko. Der 35-jährige Bulgare schaut etwas betreten drein und erklärt in gebrochenem Deutsch, warum:
"Ich bin etwas traurig." "Sie haben gerade Ihre Frau verabschiedet?" "Ja, genau. Sie geht in mein Land zurück und sie will nicht mehr nach Deutschland zurückkommen."
Mitko ist gelernter Bergmann. Jahrelang hat er in den Erzmienen an der bulgarischen Grenze zu Griechenland gutes Geld verdient. Für sich, seine Frau, die Großeltern und die beiden Kinder. Doch dann wechselt der Besitzer und die Löhne sinken ins Bodenlose. Als auch seine Frau Anna ihren Job als Näherin verliert, packen die beiden ihre Koffer.
"Wir haben gesagt - müssen einfach probieren unser Glück. Und wir sind nach Deutschland gekommen."
Hier lassen sich die beiden offiziell bei den Behörden registrieren und melden ein Gewerbe an. In der Reinigungsbranche. Damals ihre einzige Chance, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Denn - noch gelten strikte Hürden für Rumänen und Bulgaren, die erst in diesem Jahr gefallen sind. Über einen Landsmann finden sie schließlich einen Job als Putzkraft bei Pforzheim. Arbeitsbeginn ist um 6 Uhr morgens - dann wird malocht bis 22 Uhr in der Nacht. 30 Tage im Monat!
"Wir haben in einem Schnellrestaurant gearbeitet und dort haben wir pro Person 30 Euro am Tag verdient. Das heißt zusammen 60 Euro." "Wo haben Sie geschlafen?" Wir haben in einem Gebäude geschlafen, 4 Zimmer, mit 16 Personen! Wir hatten eine Küche und ein Bad. Katastrophe, Katastrophe!" "Da hat nicht jeder sein eigenes Bett gehabt, oder?" "Nein. Wenn ich zur Arbeit gegangen bin, dann hat ein anderer in meinem Bett geschlafen. Das war immer so."
Fünf Monate halten die beiden durch. Dann wechseln sie in eine Verpackungsfabrik, wo die Arbeitsumstände kaum besser sind. Wie überhaupt in den meisten Hilfsjobs, die sie in den nächsten beiden Jahren kennenlernen sollen.
Verhindern, dass eine Art "Sozialtourismus" entsteht
Mitko studiert den Fahrplan. In 28 Stunden wird seine Frau in ihrer Heimatstadt Hascovo ankommen. Ihr Mann will noch nicht aufgeben und es weiter in Deutschland versuchen. Weg aus dem Niedriglohnsektor und hinein in seinen alten Beruf. Das riet ihm ein "Fallmanager" bei der "Agentur für Arbeit", als Mitko wieder mal auf der Straße stand.
Seit dem Winter lernt der 35-Jährige nun intensiv Deutsch. Und bezieht Hartz IV - so wie fast 60.000 Rumänen und Bulgaren bundesweit. Da diese Zahl stetig steigt und mit ihr die Befürchtung vieler Bürger vor einem Ausbluten der Sozialkassen - will die Bundesregierung nun gegensteuern.
Verhindern, dass eine Art "Sozialtourismus" entsteht, Leistungen zu Unrecht bezogen werden. Etwa durch Angaben falscher Daten. Fliegen solche EU-Zuwanderer auf, droht ihnen eine fünfjährige Wiedereinreise-Sperre. Auch soll es Kindergeld nur noch gegen Vorlage der Steuernummer geben. Eine sehr gute Idee, findet Mitko.
"Weil hier habe ich einen bulgarischen Mann gesehen, der mit einem Luxus-BMW zum Deutsch-Kurs kommt. Und er bekommt auch Geld vom Jobcenter! Das funktioniert nicht! Es gibt Leute, die brauchen dieses Geld unbedingt! Er muss weg aus diesem Land, einfach weg! Keine Strafe, einfach weg!"
Knapp zwei Kilometer entfernt - an der Mannheimer Hochschule. In der Kantine sitzt Lora. 29 Jahre jung, hübsch, gebildet, aus gutem Haus. In fließendem Deutsch erzählt die Studentin aus Sofia, die seit 10 Jahren in Deutschland lebt, von ihren Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt, die so ganz anders als die von Mitko sind. Jobs gebe es für sie überall, stellt Lora klar:
"Na ja, die studentischen Jobs, ja!" "Sie zeigen 'nem Arbeitgeber, mit dem sie nicht einverstanden sind, und der vielleicht auch unfair ist, sofort die rote Karte!" "Das ist mir noch nicht passiert, aber, klar, das könnte ich! Und ich glaube, diese Freiheit habe ich aufgrund dessen, dass ich die Sprache kann."
Lora finanziert ihr Studium zur Wirtschaftsingenieurin komplett selbst und hat bereits einen Abschluss als diplomierte Volkswirtin in der Tasche. Tagsüber besucht sie Vorlesungen, abends jobbt sie im Cafe. Als sie hört, dass in diesem Jahr etwa 180.000 Rumänen und Bulgaren zusätzlich nach Deutschland kommen werden, zeigt auch sie dafür Verständnis, dass die Politik einem möglichen Missbrauch von Sozialleistungen vorbeugen will.
"Das ist ja schon 'ne Menge! Da würde ich sagen, ist es gar nicht so ohne Grund, dass man schärfere Gesetze einführt. Aber wie gesagt: Ich würde da vorsichtig vorgehen. Weil: "Wenn die Gesetze pauschalisiert werden für uns alle, kann es unter Umständen auch sein, dass Deutschland hochqualifizierte Arbeitskräfte verpasst!"
Die in vielen Branchen schon jetzt händeringend gesucht werden. Jeder fünfte Zuwanderer aus Südosteuropa, so das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ist Akademiker und damit bestens qualifiziert.
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