Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin spielt Mahler und Nikodijević

Gebet für ein himmlisches Leben

Eine Kirche in den Bergen steht vor dramatischen Himmel vor einer gewaltigen Gebirgskulisse.
Marko Nikodijevic nimmt Gebetstraditionen in seinem Neuen Werk "gebetsraum mit nachtwache" auf. © image broker / Robert Seitz
Moderation: Stefan Lang |
Gustav Mahler vertont 1892 "Ein himmlisches Leben", ein Text aus der Sammlung "Des Knaben Wunderhorn". Hier "lacht" das Orchester. Doch in seiner Vierten Sinfonie wird das Lied zur Farce. Dem gegenüber: Marc Nikodijevićs Uraufführung, ein dunkles Nachtgebet.
Der Chefdirigent des RSB, Vladimir Jurowski, ist geachet für seine sensible Programmzusammenstellung. Und so hat er Gustav Mahlers groß besetzte Vierte Sinfonie mit einer Uraufführung von Marko Nikodijević kombiniert - beide Werke kreisen um das Irdische und das Himmlische. Dirigent und Komponist kennen sich schon seit einiger Zeit. Zudem ist Nikodijević in dieser Saison 2019/2020 Composer in Residence.
Porträt des Komponisten vor einem nächtlich beleuchteten Stadtpanorama.
Marko Nikodijević studierte in Belgrad nicht nur Komposition, sondern auch Mathematik und Physik.© Marko Nikodijević / Aleksander Stanojevic
Eröffnet wird der Abend mit Gustav Mahlers früher Vertonung des Textes aus "Des Knaben Wunderhorn". Als er 1892 das Gedicht für Orchester und Stimme setzte, dominierte eine unschuldige Freude. Das Orchester feiert hier das Leben, das singend und tanzend bestritten wird.

Von der Freude zur Farce

Als Mahler 1899 das Lied erneut aufnahm und in seine Vierte Sinfonie integrierte, wurde der Text musikalisch komplett umgedeutet. Das Lied wurde zur Farce voller Hohn und Spott. Von wegen: "himmlisches" Leben!

Freundschaft mit Widmung besiegelt

Für dieses Konzert nahm Marko Nikodijević den Kompositionsauftrag des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin an und schrieb "да исправится / gebetsraum mit nachtwache". Das Werk hat er in tiefer Zuneigung Vladimir Jurowski gewidmet: "Seit ich 2014 zum ersten Mal mit Vladimir Jurowski in Brüssel und London gearbeitet habe, wollte ich unbedingt ein Werk für ihn schreiben und es mit ihm zur Uraufführung bringen. Ich bin sehr glücklich, dass wir das Projekt mit dem RSB realisieren können."
Marko Nikodijević verbindet in seinem Uraufführungswerk die Traditionen der byzantinischen Kirche mit minimalistischer und elektronischer Kompositionssprache. Dem ersten Teil des Werkes, "да исправится молитва моя" (da ispravitsja molitva moja), liegt die Vertonung des 141. Psalms (Verse 2 und 3, Lutherbibel) zugrunde: "Mein Gebet möge vor dir gelten als ein Räucheropfer, das Aufheben meiner Hände als ein Abendopfer. Erhöre mich, Herr."

Einritt in den Kirchenraum

Im zweiten Teil des Werkes wird der Titel "gebetsraum mit nachtwache" besonders beeindruckend in Musik gesetzt. Dabei sind Nacht und Dunkelheit stets wiederkehrende Themen in den Werken des serbischen Komponisten. Sein Markenzeichen, mit Hilfe von Elektronik akustische Räume zu imaginieren, kommt auch hier wieder zum Vorschein, indem auf Raumklangeigenschaften wie Hall, Resonanz und Echo gesetzt wird. Und so simuliert Nikodijević mit Hilfe des Orchesters eine kirchenähnliche Akustik im Konzertraum. Der Zuhörer wird also Beteiligter des Gebets und "betritt" den Raum der Nachtwache.
Aufzeichnung des Konzertes vom 17. Januar 2020 im Konzerthaus Berlin
Gustav Mahler
"Das himmlische Leben", aus "Lieder aus Des Knaben Wunderhorn"
Marko Nikodijević
"да исправится / gebetsraum mit nachtwache" für Orchester (Uraufführung)
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 4 G-Dur

Alice Lackner, Sopran
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Vladimir Jurowski

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