Rundfunkbeitrag vor Gericht

Ist die Pauschalabgabe rechtens?

Ein Mann liegt auf einem Sofa und zeigt mit einer Fernbedienung auf einen Fernseher, der an der Wand angebracht ist
99 Prozent aller Haushalter verfügen über Empfangsgeräte für die öffentlich-rechtlichen Sender - ob Fernseher, PC oder Smartphone. © imago / Westend61
Gudula Geuther im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 16.05.2018
Das Thema "Rundfunkbeitrag" lässt wohl niemanden kalt. Vier besonders verärgerte Beitragszahler sind bis vors Bundesverfassungsgericht gegangen. Sie wollen klären lassen, ob die aktuelle Gesetzeslage rechtskonform ist. Rechtsexpertin Gudula Geuther erklärt die Details.
Nach jahrelanger Kritik und zahlreichen Prozessen steht der Streit um den Rundfunkbeitrag vor der Entscheidung. Das Bundesverfassungsgericht befasst sich vom heutigen Mittwoch an zwei Tage lang mit Verfassungsbeschwerden von drei Privatleuten und einem Unternehmen.
Es geht um die Frage, ob die Länder die Berechtigung hatten, entsprechende Gesetze zu beschließen. Diese verlangen seit 2013 von jedem Haushalt – nicht wie früher für vorhandene Empfangsgeräte wie Fernseher oder Radio – eine monatliche Abgabe von 17,50 Euro. Auch für Zweitwohnsitze, die man nur selten nutzt.

Knapp acht Millionen Euro wurden 2016 eingenommen

Für Firmen wird der Beitrag nach der Zahl der Betriebsstätten, Mitarbeiter und Kraftfahrzeuge berechnet. Der Rundfunkbeitrag wird durch den Beitragsservice eingezogen, der die Einnahmen an die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ARD, ZDF und Deutschlandradio verteilt. Im Jahr 2016 nahmen sie damit insgesamt 7,98 Milliarden Euro ein.
Der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio in Köln-Bocklemünd
Der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio in Köln-Bocklemünd. Von hier werden die Rundfunkbeiträge eingezogen.© imago stock&people
Wir haben mit unserer Rechtsexpertin Gudula Geuther gesprochen, die uns die Sachlage erklärt hat.
(mkn)

Das Interview im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: In Karlsruhe vorm Bundesverfassungsgericht geht es heute und morgen nicht um den Rundfunkbeitrag, nein, nicht dessen Höhe oder die Berechnung, sondern um die Art, in der er erhoben wird. Seit 2013 richtet es sich ja nicht mehr danach, ob man zu Hause ein Radio oder einen Fernseher hat. Der Beitrag wird als Haushaltsabgabe erhoben. Das heißt, 17,50 Euro etwa werden pro Wohnung fällig, es sei denn, man kann nachweisen, dass man sich das nicht leisten kann. Gudula Geuther ist unsere Rechtsexpertin und in Karlsruhe. Warum bitte ist das so? Warum muss jeder zahlen, auch wenn er oder sie sagt, dass er oder sie nie öffentlich-rechtliches Radio hört oder fernsieht?
Gudula Geuther: Bis 2013, wie Sie sagen, zahlte ja nur der, der ein Empfangsgerät hatte. Erst Radio und Fernsehen, dann auch internetfähige PCs. Allerdings haben das eben nicht alle gezahlt. Der Verfassungsrechtsexperte Paul Kirchhoff, früherer Verfassungsrichter und übrigens auch der Bruder des heutigen Senatsvorsitzenden, der sah gerade bei Jüngeren ein erschreckendes Ausmaß der Verweigerung, das er für rechtlich problematisch hielt mit dem Argument, dass der Ehrliche nicht der Dumme sein darf. Und das Zweite, die zweite Entwicklung war, mit der immer größeren Verbreitung von Smartphones als möglichen Empfangsgeräten – PCs hatte ich ja eben schon erwähnt – war eben auch praktisch nicht mehr kontrollierbar, wer Rundfunk empfangen kann, ganz abgesehen davon, dass man schon merkt, dass diese Anknüpfung eigentlich keinen Sinn mehr gibt, wenn das Multifunktionsgeräte sind.

Ist der Rundfunkbeitrag wie eine Kurtaxe?

Jetzt zeigen aber Untersuchungen, dass tatsächlich 99 Prozent der Haushalte einen oder mehrere Fernseher haben. Kirchhoff kam deshalb in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass hier typisiert werden kann und der Beitrag für die Möglichkeit, Rundfunk zu empfangen, erhoben werden kann. Er hat das verglichen mit einer Kurtaxe, bei der ja auch nicht kontrolliert wird oder man die auch nicht deshalb nicht zahlen kann, weil man die angebotenen Leistungen des Kurorts nicht in Anspruch nimmt.
von Billerbeck: Wenn ich mich nicht erhole. Mit welchen rechtlichen Argumenten wird denn da geklagt? Denn wenn etwas vorm Bundesverfassungsgericht landet, dann muss ja jemand etwas dagegen angebracht vorgebracht haben.
Geuther: In der tatsächlichen Argumentation ist es so, dass einige Verfassungsbeschwerdeführer den öffentlichen Rundfunk schlichtweg ablehnen. Das ist dann rechtlich schwer umzusetzen. Zum Teil finden sie die haushaltsbezogene Erhebung ungerecht, weil zum Beispiel eine Einzelperson genauso viel zahlt wie eine Familie oder weil der, der eine Zweitwohnung hat, zweimal zahlt, aber natürlich nur an einem Ort jeweils hören oder sehen kann. Er kann nicht in beiden Wohnungen auf einmal sein.
Diese letzten Argumente lassen sich rechtlich ummünzen in Gleichheitsargumente, das heißt, sie sehen das als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Und daneben ist das wichtigste Argument ein formales oder strukturelles. Der Rechtsanwalt Thomas Koblenzer, der einen Teil der Verfassungsbeschwerdeführer vertritt, der sagt, in Wirklichkeit gehe es gar nicht um einen Beitrag, sondern um eine Steuer, weil im Prinzip eben jeder zahlen müsse. Und das hieße dann, die Länder dürften diese Steuer nicht erheben, und damit wäre das System tatsächlich hinfällig. Es ist auch tatsächlich so, die Länder dürfen nur einen ganz bestimmten Kanon an Steuern erheben. Das ist festgelegt, und da würde das nicht dazugehören – wenn es denn eine Steuer wäre.

Die Antwort der Bundesländer

Seit 2013 zahlt jeder Haushalt und jede Betriebsstätte den Beitrag, und zwar unabhängig davon, ob ein Haushalt Empfangsgeräte besitzt. Grundgedanke der Reform war, dass in Zeiten von Smartphones und Tablet-PCs nicht mehr das Vorhalten eines "Rundfunkempfanggeräts" für die Gebührenpflicht entscheidend sein kann. Stattdessen zahlt jeder Haushalt eine Pauschalabgabe - und damit auch die, die keine Geräte besitzen.
von Billerbeck: Nun ist ja bei uns die Regel, dass wir immer beide Seiten hören. Was antworten denn die Bundesländer, und vor allem, was antworten die Länder, ARD, ZDF und Deutschlandradio, die ja von dieser Steuer in Anführungsstrichen profitieren?
Geuther: Die Steuer, von der sie sagen, dass sie keine Steuer ist. Dass Sie die Länder ansprechen, ist wichtig, denn die sind diejenigen, die das entschieden haben. Nicht die Sender, die aber natürlich davon profitieren. Zum einen betonen sie, dass es eben um eine solidarische Finanzierung geht, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu ermöglichen mit seinem Grundversorgungsauftrag, mit der Verpflichtung zu Meinungsvielfalt, um in der Demokratie freie, unabhängige Meinungsbildung zu ermöglichen. Das heißt also, es geht eben nicht um die Bezahlung für tatsächlich Gehörtes oder tatsächlich im Fernsehen Gesehenes.

Die Frage ist, wie weit pauschaliert werden darf

Und keine Steuer ist es nach Ansicht von Ländern und Sendern, weil es um eine bestimmte Leistung geht, um die Möglichkeit des Empfangs eben. Eine Steuer zielt auf Einnahmen, ohne dass es dafür eine Gegenleistung gäbe. Das heißt also, dieses Hauptargument der Steuer folgen sie nicht, dem sind auch bisher alle Gerichte nicht gefolgt. Es hat sehr viele Klagen vor Verwaltungsgerichten gegeben und auch einige Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Die Anknüpfung an die Wohnung, muss man natürlich schon sagen, ist eine Pauschalierung. Die muss sein, die darf auch sein bei einem Beitrag.
Zum Teil ist sie im Ergebnis sogar auch gewollt. Auch bei der gerätebezogenen Abgabe wurden ja etwa Familien pro Haushalt nur einmal herangezogen. Aber die Frage ist natürlich, wie weit pauschaliert werden darf. Das Bundesverwaltungsgericht hatte zum Beispiel bei der Zweitwohnung kein Problem gesehen, weil es einfach die Sache vereinfacht und weil sie gesagt haben, das sind so wenige Sonderfälle, wo jeweils nur eine Person in der Erst- und in der Zweitwohnung gemeldet ist. Aber das sind sicher die Fragen, die heute und morgen intensiv diskutiert werden, die Frage, wie weit pauschaliert werden kann.

Eine Rückkehr zur gerätebezogenen Abgabe ist kaum möglich

von Billerbeck: Interessant wäre ja, welche Alternativen gäbe es zum Haushaltsbeitrag. Gibt es die, oder ist das rechtlich dann besonders kompliziert?
Geuther: Es ist rechtlich und tatsächlich besonders kompliziert. Die Rückkehr zur gerätebezogenen Abgabe kann ich mir schwer vorstellen eben in Zeiten, in denen mit den Multifunktionsgeräten damit ja auch gar keine Willensbekundung mehr verbunden ist. Jemand, der sich ein Smartphone anschafft, sagt ja damit auch nicht, ich möchte Fernsehen empfangen. Die Steuer könnte man natürlich erheben. Das passt aber nicht zur Staatsferne des Rundfunks, die in unserem System ganz konstitutiv ist, weil natürlich derjenige, der Gesetzgeber, der eine Steuer festlegt, da möglicherweise auch Einfluss für nehmen will. Das heißt also, eine Alternative zu finden, wäre eine ausgesprochen schwierige Angelegenheit.
von Billerbeck: Gudula Geuther war das aus Karlsruhe, wo das Bundesverfassungsgericht darüber diskutiert heute und morgen, ob die Art, wie der Rundfunkbeitrag erhoben wird, rechtens ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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