Medienprofis statt Ministerpräsidenten
Die Bundesländer sind per Staatsvertrag Träger des ZDF. Wie viele Vertreter in den Aufsichtsgremien sitzen dürfen, darüber entscheidet heute das Bundesverfassungsgericht. Experten erwarten deutliche Korrekturen.
Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. So steht es im Artikel 5 des Grundgesetzes. Der Leipziger Verfassungsjurist Professor Christoph Degenhart erklärt, was das für die Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedeutet, die das Bundesverfassungsgericht in den vergangenen Monaten überprüft hat:
"Der öffentlich- rechtliche Rundfunk muss sich in einer gewissen Distanz zum Staat befinden. Allerdings: Eine totale, aseptische Staatsfreiheit wird nicht gefordert."
Bis etwa zu einem Drittel Staats- oder Parteienvertreter in den Aufsichtsgremien des Rundfunks- das halten die meisten Medienrechtler ausgehend vom Grundgesetz für vertretbar. Beim ZDF allerdings ist die Staatsquote bisher deutlich höher. Das wird nach dem heutigen Urteil nicht so bleiben, glaubt Jaqueline Kraege, die Chefin der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz. Sie koordiniert die Medienpolitik der Länder:
"Ich war ja in der mündlichen Verhandlung zugegen und da hat das Verfassungsgericht schon sehr deutlich erkennen lassen, dass es das Ganze kritisch betrachtet, um es mal so vorsichtig zu sagen, was den politischen Einfluss von Regierungsvertretern als auch von Parteien angeht."
Verfassungsrechtlich besonders umstritten: Aktive Ministerpräsidenten im ZDF-Verwaltungsrat, der auch über Personalfragen entscheidet- so eben auch im "Fall Brender". Am 27. November 2009 - also vor mehr als vier Jahren- wollte das ZDF-Aufsichtsgremium mit vielen Länderchefs der Vertragsverlängerung für den damaligen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender nicht zustimmen. Vermutet wurden politische Gründe. Der "Fall Brender" führte zu der Normenkontrollklage der Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Klage nahegelegt hatte unter anderem auch der damalige ZDF-Intendant Markus Schächter.
Er fühlte sich vom sogenannten "schwarzen Freundeskreis" im ZDF um den damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch düpiert:
"Ich bitte die Länder als Träger des ZDF hier für eine Grundlage zu sorgen, eine tragfähige und belastbare Grundlage zu sorgen um solche Situationen zu vermeiden, um solche Situationen zu verhindern, wie wir sie am 27. November haben."
Kurt Beck wollte erst nicht nach Karlsruhe
Dieser Appell des ZDF-Intendanten richtete sich vor allem an Kurt Beck. Der ehemalige SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ist bis heute Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrates. Doch Beck wollte zunächst nicht nach Karlsruhe gehen und quasi gegen sich selbst klagen. Auch nicht, als die Grünen und auch SPD-Abgeordnete im Bundestag schon Unterschriften für eine Normenkontrollklage des Bundestages sammelten:
"Und ich glaube auch, dass wir zunächst gefordert sind, um staatsvertragsrechtlich andere Bedingen zu schaffen. Bevor wir ein Gericht anrufen und sozusagen gegen uns selber klagen. So wäre es ja, wenn ein Land jetzt das Bundesverfassungsgericht anrufen würde."
Doch da sich die Ministerpräsidenten von SPD und Union nicht auf einen neuen ZDF-Staatsvertrag mit weniger aktiven Politikern einigen konnten, reichten Rheinland-Pfalz und Hamburg am Ende doch die Klage in Karlsruhe ein. Jaqueline Kraege, die Chefin der Mainzer Staatskanzlei denkt schon jetzt darüber nach, wer die Politiker in den Rundfunkgremien ersetzen könnte:
"Man kann auch sagen, man braucht noch mehr Expertise in den Gremien und kann dann schauen, ob es Experten gibt, die vielleicht auch aus dem Business kommen und sich dort einen Namen gemacht haben."
Die Folgen des Karlsruher Urteils von heute könnten weit über das ZDF hinausreichen.
"Im Lichte des Karlsruher Urteils werden wir uns auch noch mal die ARD-Gremien anschauen."
Man kann davon ausgehen, dass bald weniger aktive Politiker in den Aufsichtsgremien des Rundfunks sitzen werden. Vor allem weniger Ministerpräsidenten.