#RunLuisaRun

Warum viele Russen eine Bankräuberin als Heldin feiern

02:20 Minuten
In einem russischen Regionalzug sitzen Pendler auf Holzbänken.
Armut und Tristesse - das Einkommen vieler Russen reicht manchmal nur noch für Essen und Kleidung. © imago / allOver
Von Sabine Stöhr · 04.06.2019
Audio herunterladen
Die Taschen gefüllt mit umgerechnet 320.000 Euro verschwand Luisa Khairullina aus der russischen Staatsbank, in der sie arbeitete, und tauchte mit Mann, Kindern und Katze ab. Im Netz wird sie dafür gefeiert: "Sie hat einfach die Diebe ausgeraubt!"
Luisa Khairullina und ihre Familie galten immer als integer bei ihren Kollegen. Bis zur vergangenen Woche: Da ist die Kassiererin bei einer großen russischen Bank am Nachmittag einfach mit einer dick gefüllten Tasche aus dem Gebäude gelaufen und nicht mehr wieder gekommen. In der Tasche: umgerechnet 320.000 Euro.
Das Ganze passierte in der russischen Kleinstadt Salavat mit 150.000 Einwohnern am südlichen Ural. Die Stadt und natürlich Kassiererin Luisa sind seitdem Gesprächsthema in ganz Russland – auch im Fernsehen. Denn die Frau ist mit ihrem Mann, den beiden acht und zwölf Jahre alten Kindern verschwunden. Sogar der Kater sei weg, meldete die russische Regenbogenpresse. Das Besondere: In den sozialen Netzwerken bekommt Luisa eine Menge Unterstützung. Durch Kommentare wie:
"Ich freue mich für dich. Und möchte nicht, dass man euch findet!"
oder: "Gott sei mit euch - Ich hoffe, du hast es geschafft, dieses Land zu verlassen."
Manche Fans werden noch deutlicher: "Wenn der Staat nichts zahlt, dann nehmen wir es uns einfach selbst."
Oder: "Sie hat einfach die Diebe ausgeraubt!"

Viele Russen sind es leid, in Armut zu leben

Die Erklärung dafür bei Soziologen: In der russischen Gesellschaft gibt es keine Sympathie für die Reichen, die Korrupten, zu denen auch Teile der Regierung und der Geheimdienste zählen. Auf Youtube formuliert das ein russischer Blogger so:
"Weil die Menschen es so leid sind, in Armut zu leben. Sie möchten nicht immer daran denken, dass sie Kredite abzuzahlen haben. Während sich die reichen Beamten vergnügen und im Ausland Urlaub machen, kannst du, einfaches Arbeitspferd, dir das nicht leisten. Viele einfache Russen wünschten, sie könnten wie Luisa zusammen mit der Familie mit dem von einer staatlichen Bank gestohlenen Geld erfolgreich das Land verlassen!"
Die Schere zwischen Reich und Arm geht in der russischen Gesellschaft sehr weit auseinander. Die Boulevardpresse spekulierte zunächst, dass die Familie offenbar einen Kredit über eine Million Rubel aufgenommen hatte, den sie nicht tilgen konnte.

60 Prozent der Russen leben auf Pump

Das Aufnehmen von Krediten wird in Russland immer populärer. Weil sich die meisten von ihrem Einkommen nur noch Essen und Kleidung leisten können. Das meldete gerade die russische Statistikbehörde.
Laut der russischen Auskunftei Equifax, vergleichbar mit der Schufa in Deutschland, leben mittlerweile bereits fast 60 Prozent der russischen Bevölkerung auf Pump. Tendenz steigend.
Die Fahndung nach Luisa läuft. Die Behörden ermitteln. Die Unterstützung für sie im Netz geht weiter - unter #RunLuisaRun! (Беги, Луиза, беги!)
Mehr zum Thema