Susanne Craig und Russ Buettner: "Lucky Loser"
© Gutkind
Die Wahrheit über Trumps Reichtum
06:52 Minuten
Susanne Craig und Russ Buettner
Lucky Loser: Die Wahrheit über Donald Trump und sein VermögenGutkind560 Seiten
35,00 Euro
Die Geschichte vom Selfmade-Milliardär ist ein Kernstück der Inszenierung von Donald Trump. Die New York Times Reporter Susanne Craig und Russ Buettner haben ihre Recherchen über die Ursprünge seines Vermögens in dem Buch "Lucky Loser" gebündelt.
„Meine Definition von Wahrheit? Wahrheit ist das, was ich tatsächlich beweisen und gegen alle Anfeindungen behaupten kann.“
Russ Buettner ist ein penibler Handwerker des Journalismus. Ein überaus präziser Rechercheur, der sich seit Jahren durch einen immer höher wachsenden Berg von Gerichtsakten und Steuerbescheiden, von Finanz- und Bauplänen, Protokollen, Tabellen wühlt, um die Finanzen eines US-amerikanischen Bürgers zu erkunden, der als Manager in Papas Immobilienfirma begann, sich lautstark zur Glamourfigur stilisierte, um schließlich, 2016, zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt zu werden.
Wo kommt Trumps Reichtum her?
„Der Präsident hat sich lange als Selfmade-Milliardär verkauft, aber eine Untersuchung der Times ergab, dass er mindestens 413 Millionen Dollar in heutigen Dollar aus dem Immobilienimperium seines Vaters erhalten hat, einen Großteil davon durch Steuervermeidung in den 1990er-Jahren.“
So lautet der knappe Vorspann eines sehr ausführlichen Artikels, der vor sechs Jahren in der New York Times erschien.
David Barstow, Susanne Craig und Buettner gewannen für ihre profunde Recherche über die Ursprünge des Reichtums von Trump 2019 den „Pulitzer-Preis für erklärende Berichterstattung“. Ex-Präsident Trump verklagte das Trio 2021, wegen „heimtückischer Verschwörung“. Zwei Jahre später wies ein Richter in New York die Klage mit Verweis auf die Verfassung ab. Trump musste alle Kosten zahlen.
„Wir haben nicht erwartet, dass es ihm gefällt“, sagte Russ Buettner 2019, bei der 11. Weltkonferenz des investigativen Journalismus. „Andere Präsidenten würden versuchen, so etwas zu ignorieren, den Schlag wegzustecken. Donald Trump kann das nicht. Er muss zurückschlagen. Wobei er in meinen Augen nicht kämpft. Er jammert nur. Hätte er ein substanzielles Argument, wäre das ärgerlich. Doch solange er einfach nur behauptet, wir seien fett und hässlich, nehmen wir das nicht sonderlich ernst.“
Monumentale Recherche über das Werden von Trump
Mit ihrem Buch „Lucky Loser“ – zeitgleich auch in den USA erschienen – erzählen Susanne Craig und Buettner nun die ganze Geschichte. Sie haben alle Zahlen. Es ist eine wirklich monumentale Recherche über das Werden und Wirken des Donald J. Trump, die den Mythos des Self-made-Millionärs endgültig entzaubert.
Follow the money – folge dem Geld, diese beste und doch viel zu selten befolgte journalistische Regel wird hier auf die Spitze getrieben. Craig und Buettner verfügen über eine atemraubende Menge von Material. Bis zurück in die Frühzeiten des Imperiums, die 50er- und 60er-Jahre, als noch Fred Trump, der Vater, das Zepter führte.
„Fred Trump entzog sich jahrzehntelang allen staatlichen Ermittlungen. Er bezahlte gut vernetzte Anwälte, die hinter den Kulissen Vergleiche aushandelten, um die Untersuchung seiner ungerechtfertigten Gewinne beizulegen. Das meiste davon kam nie an die Öffentlichkeit.“
Damals lernte Sprössling Donald in seiner Privatdisco „Le Club“ in Manhattan den Promi-Anwalt Roy Cohn kennen, einen ehemaligen Berater des berüchtigten Kommunistenjägers Joseph McCarthy.
„Roy M. Cohn hatte sich einen Namen gemacht, indem er den Ruf anderer ruinierte.“
Beginn der inszenierten Medienspektakel
Cohn überzeugte Trump junior, trotz aller Fakten, in einem Fall von Mieter-Diskriminierung keinen Vergleich zu akzeptieren, stattdessen eine 100-Millionen-Dollar Schadenersatzklage gegen die Regierung anzustrengen. Im Hilton Hotel am Times Square wurde eine Pressekonferenz inszeniert, in der Donald behauptete, Bundesanwälte hätten sich gegen seine Familie verschworen. Ein Spektakel. Eine Schlacht. Stilprägend bis heute.
Craig und Buettner bewerkstelligen es, die Akten lebendig werden zu lassen, die Menschen hinter diesen Kämpfen zu zeigen: Richterinnen, Anwälte, Geschäftspartner, Strippenzieher, Mieter und andere Opfer. Es ist eine hässliche Welt, voller Niedertracht, Lüge und Gewalt. Ohne happy end. Und die Täter sind niemals geständig.
„Nachdem Cohn fast zwei Jahre lang alle möglichen Tricks ausprobiert hatte, stimmten die Trumps einem Vergleich zu, der schlechter war als das ursprüngliche Angebot.“
Donald Trump aber erklärte, er sei mit dem Vergleich „voll und ganz zufrieden“.
„Die Kosten seiner jugendlichen Arroganz, seines Zorns und seiner unüberlegten Entscheidungen waren ihm egal. Donald verlor diese Schlacht, wie er im Laufe seines Lebens noch viele andere verlieren sollte. Er führte Prozesse ohne Rücksicht auf seine Gewinnchancen. Wenn er verlor, erfand er einen imaginären Feind oder unterstellte einem realen Feind ein imaginäres Motiv, um seine Niederlage in einen Sieg umzudeuten.“
Sein großkotziger „Glamour" verfängt
Immer drehte er das allergrößte Rad. Die Leserin, der Leser bleibt fasziniert und zunehmend fassungslos zurück. Oft machen einen die Details schwindelig – all diese „Deals“, die kolossalen Kredite, die obszönen Gesten, die grandiosen Ankündigungen, der großkotzige „Glamour“. Diese goldenen fünf Buchstaben: Trump.
“Bei ihren jährlichen Überprüfungen stellte die Deutsche Bank 2016 fest, dass er in vier der letzten fünf Jahre eine negative Liquidität angegeben hatte.“
Es gibt Passagen, so absurd, dass sie einen auflachen lassen. Denn die Trumps sind – auch im Detail – kaum zu glauben. Dann folgt die irritierende, ja furchteinflößende Erkenntnis, dass selbst ein solch himmelhohes Faktenmassiv heute keinerlei Wirkung mehr auf Donald Trumps treue Anhänger zeitigen, dort keine Schatten mehr werfen wird. Null. Im Gegenteil. Selbst so viel Wahrheit wird sie wohl nur noch wütender machen. Weil es nicht die ihre ist.
„Es ist schon ein bisschen erschütternd, wenn man etwa erlebt, wie schlichte Tatsachen plötzlich debattiert werden, als wären sie keine“, sagte Russ Buettner in unserem Gespräch. „Zählt Wahrheit noch?“, fragte ich ihn.
„Für mich auf jeden Fall, ja. Und ich denke, auch für unsere Leser. Es kann aber frustrierend sein, wenn man den Eindruck hat, dass andere darauf kaum noch Wert legen. Aber deswegen macht man ja nicht den Laden dicht und geht nach Hause.“