Marina Owsjannikowa geht zu Springer

"Man kann acht Jahre Propaganda nicht einfach abwerfen"

08:10 Minuten
Die russische ehemalige TV-Redakteurin Marina Owsjannikova wird interviewt.
Arbeitete jahrelang als Propagandistin: Marina Owsjannikowa. © imago / Itar-Tass / Mikhail Japaridze
Gesine Dornblüth im Gespräch mit Marietta Schwarz |
Audio herunterladen
Marina Owsjannikowa hatte im russischen TV gegen die Invasion der Ukraine protestiert. Seit Kurzem arbeitet sie für "Die Welt". Dagegen wird Kritik laut – zu Recht, sagt die frühere Moskau-Korrespondentin Gesine Dornblüth.
Mit ihrem Protestplakat gegen den Angriff auf die Ukraine und die Kriegspropaganda hatte die Redakteurin des russischen TV-Senders Perwy kanal, Marina Owsjannikowa, für Aufsehen gesorgt. Nach der Aktion wurde sie vorübergehend festgenommen und zu einer Geldstrafe verurteilt. Wegen angeblicher „Diskreditierung“ der russischen Armee soll sie sich vor Gericht verantworten.

Protest vor dem Axel-Springer-Verlag

Vor wenigen Tagen hatte der Medienkonzern Axel Springer sie als freie Korrespondentin für "Die Welt" und den Fernsehsender "WELT" engagiert. Dagegen haben am Gründonnerstag Mitglieder der ukrainischen Community vor dem Springer-Gebäude protestiert. Statt sich um die Bedürfnisse der Ukraine zu kümmern, werde Moskau Aufmerksamkeit geschenkt, denn Owsjannikowa sei ein Instrument der russischen Propaganda.
Diese sei im Übrigen gar keine Journalistin, sagt die ehemalige Moskau-Korrespondentin des Deutschlandradio, Gesine Dornblüth.

Owsjannikowa hat acht Jahre Propaganda gemacht, das hat sie selbst beschrieben: gelogen, manipuliert und zum Hass aufgestachelt. Sie hat nicht selber Beiträge gemacht, sondern recherchiert mit den Schwerpunkten: schlechte Nachrichten über den Westen und gute Äußerungen über Russland aus dem Westen. Leute, die das machen, sind Propagandisten. Wenn wir sie als Journalisten bezeichnen, dann beschädigen wir unseren Berufsstand.

Gesine Dornblüth, Journalistin

Der Springer-Verlag habe Owsjannikowas Engagement mit ihrem Mut begründet, den russischen Zuschauern ein ungeschöntes Bild der Realität vermittelt zu haben.
Das sei problematisch, sagt Dornblüth. "Bei allem Respekt vor ihrer Aktion: Auch wenn sie sich für die Propaganda schämt und das zugibt, das macht noch keinen Journalismus. Journalismus ist Handwerk und Haltung, Wissen und Erfahrung in journalistischer Arbeit. Diese acht Jahre kann man nicht so einfach abwerfen. Es geht schließlich um journalistische Glaubwürdigkeit."

Qualifizierte Journalisten engagieren

Owsjannikowas bisher in der "Welt" veröffentlichten Texte seien keine Berichte oder Reportagen, sondern Kolumnen über ihr eigenes Leben, ihre Vergangenheit und warum sie bei der Propaganda mitgemacht habe, sagt Dornblüth. Das seien durchaus interessante und wertvolle Einblicke.
"Problematisch wird es, wenn sie als Reporterin oder Korrespondentin eingesetzt werden soll, wie es nun heißt. Für Berichte und Reportagen, gerade auch über die Ukraine, ist sie mit Sicherheit die Falsche."
Sie wisse nicht, ob der Axel-Springer-Verlag mit dem Engagement eine langfristige Strategie verfolge, sagt Dornblüth. "Aber es ist ein Coup. Was sie schreibt, ist für die Leserinnen und Leser erst einmal interessant. Das Interesse an ihrer Person wird aber bald abebben und der Springer-Verlag wäre besser beraten, einige der zahlreichen und hochqualifizierten ukrainischen oder russischen Journalisten zu beschäftigen, die möglicherweise gerade wegen ihrer Arbeit ihr Land verlassen mussten."
(rja)

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema