Russische Künstlerin Olga Egorova

"Ich schäme mich für mein Land"

09:47 Minuten
Auf Metallcontainern sind im Rahmen einer Kunstaktion schwarz-weiß Porträts und Texte angebracht.
Mit dem Künstlerkollektiv Chto Delat stellte Olga Egorova 2017 in Paris aus. Momentan ist sie in Berlin, will aber nach Russland zurückkehren. © imago/Zuma Press/Michel Stoupak
Olga Egorova im Gespräch mit Vladimir Balzer · 23.03.2022
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Die Kunst hat es schon länger schwer in Russland. Sie wird zensiert, Protest wird unterdrückt. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs verlassen viele Künstlerinnen und Künstler das Land. Olga Egorova will bleiben - aus guten Gründen.
"Russland ist im Moment ein schrecklicher Ort zum Leben", sagt die russische Künstlerin Olga Egorova. Sie schäme sich für ihr Land. Mit dem Künstlerkollektiv Chto Delat gastiert Egorova zurzeit im Berliner Haus der Kulturen der Welt.
Chto Delat heißt auf Deutsch "Was tun?". Diese Frage stellen sich viele Künstler in Russland, besonders seit dem Krieg in der Ukraine. Viele sehen unter Putin keine Zukunft mehr und kehren ihrer Heimat den Rücken. Olga Egorova dagegen will von Berlin nach St. Petersburg zurückreisen. "Ich kann das Land nicht verlassen", sagt sie.

Immer wieder festgenommen

Es gebe Menschen, um die sie sich kümmern müsse: "Meine Eltern zum Beispiel, oder Freunde, die ohne Pass oder Visum an das Land gefesselt sind". Auch die Studenten der Kunstschule, die sie zusammen mit Chto Delat gegründet hat, bräuchten ihre Hilfe: "Sie protestieren, sie lassen sich festnehmen. Wie oft habe ich sie aus dem Polizeigewahrsam geholt."
Die Proteste wurden diesmal besonders schnell unterdrückt, sagt Egorova:

So viele sie kriegen konnten, so viele haben sie mitgenommen, busweise. Wenn man einmal auf der Liste steht, gehen die Drangsalierungen weiter. Die Protestler aus den ersten Kriegstagen haben daher auch schon das Land verlassen, Richtung Armenien zum Beispiel, Georgien, Türkei.

Inzwischen gebe es in manchen Staaten große russische Exilgemeinden, sagt Olga Egorova: "Von dort aus versuchen sie zumindest den Informationskrieg gegen den Kreml zu führen."

Auf Telegram wird der Protest organisiert

Doch auch das wird immer schwieriger: Facebook ist in Russland inzwischen gesperrt, desgleichen Instagram. Versuche, das Verbot durch ein VPN zu umgehen, werden verfolgt. So würden Informationen vor allem über Telegram ausgetauscht, dort werde der Protest organisiert.

Wir haben neue Gesetze, die freies Reden über den Krieg verbieten. Wenn man den Krieg Krieg nennt, dann kann man dafür 15 Jahre ins Gefängnis kommen.

Was die westlichen Sanktionen gegen Russland betrifft, sei sie unschlüssig, sagt Egorova. Sie habe gehofft, dass die Sanktionen zum Zusammenbruch des Systems Putin führen würden. "Aber danach sieht es nicht aus."
Viele hätten das Gefühl, dass die Sanktionen gegen das ganze Land und die Menschen gerichtet seien, nicht nur gegen das Regime, sagt Egorova: "Es erinnert an Zeiten des Kalten Krieges."
(beb)

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