Russische Verhältnisse

Ein echt russisches Programm mit einem gebürtigen Moskowiter als Solisten. Prokofjew und Schostakowitsch haben beide am Konservatorium in St. Petersburg bzw. dann Petrograd studiert, wenn auch nicht gleichzeitig. Glasunow war seit 1899 dort Professor und ab 1905 Rektor, lenkte Prokofjews Ausbildung in die richtigen Bahnen, verfolgte später die Entwicklung des jungen Schostakowitsch mit großer Aufmerksamkeit und unterstützte ihn gelegentlich auch finanziell.
Die Enttäuschung lag sicher auf beiden Seiten, als Paul Wittgenstein 1931 an Prokofjew schrieb: "Ich danke Ihnen für das Konzert, aber ich verstehe keine einzige Note und werde es nicht spielen". Dem österreichischen Pianisten, der im 1. Weltkrieg seine rechte Hand verloren hatte, schwebte offenbar eine andere Musik vor, als er den prominenten Komponisten um ein Klavierkonzert für die linke Hand bat. Er war allerdings kulant. Prokofjew, dessen Einkünfte als freier Künstler und russischer Emigrant in Paris keinesfalls ausreichend waren, durfte nicht nur den ansehnlichen Vorschuss behalten, sondern bekam auch noch den Rest des vereinbarten Honorars überwiesen. Die Uraufführung seines 4. Klavierkonzerts erlebte Prokofjew nicht mehr. Sie fand erst am 5. September 1956 in Ostberlin statt. Solist war Siegfried Rapp.

Zwei Jahre nach dem triumphalen Erfolg seiner Fünften vollendete Dmitri Schostakowitsch seine nächste Sinfonie. Die Uraufführung fand am 5. November 1939 statt. Das Publikum war begeistert, das Finale musste wiederholt werden. Die Kritiker und Kollegen aber reagierten verunsichert. Hatte Schostakowitsch doch im Jahr zuvor in der Presse angekündigt, er arbeite an einer großen vokal-instrumentalen Sinfonie über die "titanenhafte Gestalt Lenins". Es wurde jedoch ein reines Orchesterstück, dem der erste Satz zu fehlen schien. Als "Rumpf ohne Kopf" wurde das dreisätzige Werk bezeichnet. Vor allem der letzte Satz löste Diskussionen aus. Gutwillige interpretierten ihn als Ausdruck lichter Daseinsfreude und ungehemmter Fröhlichkeit, Böswillige als "Wiedergabe eines Fußballspiels".

Achtung! Neuer Dirigent: Michail Jurowski


Live aus dem Gewandhaus Leipzig

Alexander Glasunow
Konzertwalzer Nr. 1 D-Dur op. 47

Sergej Prokofjew
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 B-Dur op. 53

ca. 20:45 Uhr Konzertpause mit Nachrichten

Dmitrij Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 54

Boris Berman, Klavier
Gewandhausorchester Leipzig
Leitung: Michail Jurowski