Umstrittene Hilfe für die Ukraine
Die Lage in der Ostukraine ist ernst und die Menschen dort brauchen Hilfe. Ein internationaler Konvoi soll Abhilfe schaffen. Jetzt sind Hilfslieferungen aus Russland unterwegs - allerdings weiß niemand so genau wohin.
In der Ukraine wirft der russische Hilfskonvoi weiterhin viele Frage auf. Noch ist nicht einmal bekannt, an welcher Stelle er die russisch-ukrainische Grenze erreichen soll. Schätzungen zufolge wird er am späteren Abend eintreffen. Die Ukraine werde in jedem Fall darauf bestehen, dass die Ware umgeladen wird, erklärte der stellvertretende Leiter der ukrainischen Präsidialadministration Valerij Chalyj.
"Wir werden nicht zulassen, dass irgendwelche russischen Kolonnen über ukrainisches Gebiet fahren. Diese Lieferung muss an der Grenze erst vom Zoll abgefertigt werden. Das Rote Kreuz wird das ebenso koordinieren wie die Umladung in Fahrzeuge, die vom Roten Kreuz zur Verfügung gestellt werden. Eine Begleitung des Konvois durch das russische Katastrophenministerium oder durch russische Militärs kommt nicht in Frage."
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat dagegen schon gestern erklärt, die Hilfsaktion sei mit der Ukraine abgestimmt. Weder Kiew noch Moskau konnten die unterschiedliche Darstellung bisher erklären.
280 Lastwagen mit 200 Tonnen Hilfsgütern
Widersprüchlich sind auch die Angaben zur Beteiligung des Roten Kreuzes. Laut Lawrow beteilige es sich an der Aktion. Der Sprecher des Roten Kreuzes in der Ukraine erklärte jedoch, die Organisation sei von Russland gar nicht informiert worden. Sie habe den Inhalt der Lkw-Ladungen deshalb auch nicht überprüfen können.
Nach russischen Angaben handelt es sich bei dem Konvoi um 280 Lastwagen, die 2000 Tonnen Hilfsgüter geladen hätten. Darunter seien Lebensmittel, Wasser, Medikamente, Schlafsäcke und Elektrogeneratoren. Die Güter seien von Bürgern des Moskauer Gebietes gesammelt worden. Die Ukraine befürchtet, mit dem Konvoi wolle Russland seine Armee in die Ostukraine bringen, um die separatistischen Kämpfer dort nun auch offiziell zu unterstützen.
Die Ukraine hatte sich gestern mit verschiedenen Staaten auf eine internationale Hilfsaktion für die Ostukraine verständigt. Dieser Transport soll unter der Führung des Roten Kreuzes stehen. Die Organisation teilte heute den Behörden in der Ostukraine mit, sie wolle zuerst ermitteln, was die Bevölkerung am nötigsten brauche.
Russland hatte einerseits seine Teilnahme an dieser internationalen Aktion zugesagt, andererseits aber auch auf eigenen Faust einen Konvoi zusammengestellt.
Seit zehn Tagen kein Strom und fließendes Wasser
Die russischen Hilfsgüter sind vor allem für die Stadt Luhansk bestimmt, die von separatistischen Kämpfern kontrolliert wird. Dort gebe es seit zehn Tagen keinen Strom und kein fließend Wasser mehr, so der Sprecher des ukrainischen Militärs Andrij Lysenko:
"Es besteht die große Gefahr, dass sich Infektionskrankheiten ausbreiten. Diese können von Flüchtlingen auch auf andere Regionen der Ukraine übertragen werden. Die Gefahr wächst dadurch, dass auch der Müll in Luhansk seit mehreren Tagen nicht mehr abtransportiert wird."
Zudem wird Luhansk - so wie andere Städte in der Ostukraine - weiterhin mit Artillerie beschossen. Für Bomben und Granaten, die in Wohngebiete fallen, machen sich die Konfliktparteien gegenseitig verantwortlich. Die Separatisten behaupten, die Regierung in Kiew wolle die Ostukrainer bestrafen - für ihre angebliche Unterstützung der Kämpfer. Der Stadtrat von Luhansk stellt die Lage anders dar. Die Separatisten würden die südlichen Bezirke der Stadt mit Mörsern beschießen und Kohlebergwerke zerstören. Dies täten sie, um für den Fall eines Sieges der ukrainischen Armee verbrannte Erde zu hinterlassen, so der Stadtrat in einer Mitteilung heute morgen. Es gebe zahlreiche neue Opfern in der Zivilbevölkerung. Die ukrainische Armee teilte mit, dass in den vergangenen 24 Stunden sechs Soldaten ums Leben gekommen seien.
Wie sehr Teile des Donezk-Becken inzwischen verwüstet sind, zeigen jüngste Angaben der OSZE zur Stadt Perwomajsk im Gebiet Luhansk. Von ursprünglich 80.000 Bewohnern der Stadt seien noch 10.000 verblieben, heißt es. Praktisch alle großen Wohnblocks seien beschädigt, dies gelte auch für 70 Prozent der Einfamilienhäuser. Allein in Perwomajsk seien 200 Zivilisten ums Leben gekommen. Von dort Geflohene gaben gegenüber der OSZE an, die Stadt sei sowohl von der Armee als auch von Separatisten beschossen worden.