Der Journalistin Isolde Ruhdorfer sind Personen aufgefallen, die als "Putinfluencer" russische Propaganda verbreiten. Sie hat dazu recherchiert und deren Vorgehen auf verschiedenen Plattformen im Netz nachverfolgt - wir haben mit ihr gesprochen.
Russisches Internet
Russland ist eine digitale Gesellschaft mit rund 100 Millionen Internetnutzern, die sich von der Kremlführung nur schwer regulieren lassen. © picture alliance / dpa / TASS / Anton Novoderezhkin
Nicht alles unter Kontrolle
08:17 Minuten
Rund 30 Millionen Nutzer in Russland suchen nach Wegen, die Internetzensur zu umgehen, sagt der Digitalexperte Alexey Yusupov. So unterlaufen sie den Versuch des Kremls, das Internet nach chinesischem Vorbild zu kontrollieren.
Das Misstrauen gegenüber den staatlichen Informationsquellen sei in Russland bereits seit Beginn der Corona-Pandemie enorm gewachsen, sagt Alexey Yusupov, Leiter des Russlandprogramms der Friedrich-Ebert-Stiftung. So gebe es zwar einen Rekordwert bei den Zuschauern des russischen Staatsfernsehens, aber gleichzeitig ein "historisches Tief" bei den Vertrauenswerten. Deshalb werde im Internet nach Alternativen gesucht.
"Das ist natürlich ein Katz-und-Maus-Spiel: Die Regierung verbietet bestimmte Medien oder Webseiten, und Menschen gucken, wie sie trotzdem da rein kommen."
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Seit Beginn des Ukraine-Krieges sei die Nachfrage nach VPN in Russland explodiert, so Yusupov. Rund ein Drittel der 100 Millionen Internetnutzer griffen auf VPN zurück. "Das sind 30 Millionen, das ist eine sehr nennenswerte Anzahl."
Virtual Private Network (VPN) bezeichnet eine Netzwerkverbindung, die von Unbeteiligten nicht einsehbar ist. Wer in Russland VPN nutzt, kann auf diese Weise die behördliche Internetzensurmaßnahmen leicht umgehen und im Netz surfen, ohne dabei vom Staat überwacht zu werden.
Die russische Regierung verfolge mehrere Strategien der Repression im Netz, so der Russlandexperte. Da sei einmal die technologische, bei der die Infrastruktur des Internets kontrolliert werde, beispielsweise die Kabel, die Zugänge zum Netz oder IP-Adressen.
"Eigentlich könnte die Regierung schon jetzt den Schalter umlegen und sagen, dieses Internet ist nicht mehr Teil des weltweiten Netzes." Aber die russische Gesellschaft sei eben sehr digital.
Volksmedium YouTube
"YouTube ist das Volksmedium schlechthin", erklärt Yusupov, warum das Videoangebot in Russland immer noch frei zugänglich ist. Nahezu alle 100 Millionen Internetnutzer seien in Russland täglich dort unterwegs, um Kochshows, Sportereignisse oder Reparatursendungen anzusehen. "Es gibt keine Alternative zu YouTube." Bei anderen Plattformen wie Facebook oder Instagram gibt es auch vergleichbare russische Angebote.
Obwohl sich viele kritische Leute bereits ins Exil abgesetzt hätten, gebe es auch in Russland noch Menschen, die für das Internet drehen und produzieren. Wer vor der Kamera stehe, sei oft gefährdet, sagt Yusupov.
Stimmung der Bevölkerung als Gefahr
Das Ziel der russischen Regierung sei eine Kontrolle des Internets wie in China, sagt Yusupov, der heute auf der re:publica einen Vortrag über "Das russische Netz auf dem Weg in die Isolation und Unfreiheit" hält. Aber das werde bereits seit zehn Jahren versucht.
"Der Kreml hat erkannt, dass die wirkliche Gefahr gar nicht in der ausländischen Beeinflussung liegt, sondern in den Stimmungen der eigenen Bevölkerung im Netz." Die russische Regierung ziele darauf ab, dass der russische Alltag trotz des Ukraine-Krieges erhalten bleibe. "Es ist ein Kampf um die Normalität."
Seit den großen Protesten in Russland 2011 habe es deshalb immer mehr Vorratsspeicherung und andere Maßnahmen gegeben, um das russische Internet abzukapseln. "Ich bin skeptisch, dass das jetzt schon möglich ist", sagt der Russlandexperte.
"Wobei der Krieg natürlich ein Kipppunkt sein könnte." Bisher sei das ein offener Kampf und die Geschichte werde zeigen, wie er ausgeht.
(gem)