Russland

"Die Junta sitzt im Kreml"

Demonstration in der Moskauer Innenstadt gegen die Ukraine-Politik des Kreml.
Demonstration in der Moskauer Innenstadt gegen die Ukraine-Politik des Kreml. © Deutschlandradio - Thorsten Jabs
Von Thorsten Jabs |
Erstmals seit dem Beginn der blutigen Kämpfe im Osten der Ukraine hat es in Moskau eine Großkundgebung von Kriegsgegnern gegeben. Mehrere tausend Demonstranten protestierten gegen die Rolle ihres Landes in dem Konflikt und riefen Slogans mit scharfer Kritik an ihrem Präsidenten.
"Kein Krieg" rufen Demonstranten in der Moskauer Innenstadt, mehrere Kilometer marschieren sie vom Puschkin-Platz zum Sacharow-Prospekt mit ukrainischen und russischen Fahnen, Luftballons in ukrainischen Farben, aber auch mit schwarzen Flaggen russischer Nationalisten, an Absperrungen und großem Polizeiaufgebot vorbei. Die Behörden sprechen von 5.000 Menschen, doch man kann von mehr als 20.000 ausgehen.
Zu der Aktion hatten mehrere Oppositionsgruppen aufgerufen. Protestiert wird einerseits gegen die Kämpfe in der Ukraine, andererseits gegen die mutmaßliche russische Beteiligung. Darüber möchte sich Nikita kein Urteil erlauben - über die Informationspolitik dagegen schon:
"Alle Seiten, also die ukrainische und die russische, versuchen, internationale Regeln zu brechen. Und ich kann für alle jungen Leute in Russland sagen: Sie glauben weder russischen noch amerikanischen Nachrichtenagenturen."
Offen kritisiert der junge Mann die russische Politik nicht - doch auf Plakaten ist zu lesen "Die Junta sitzt im Kreml, nicht in Kiew." Mitunter ist der Spruch: "Russland ohne Putin" zu hören. Auf die Frage, ob sie die russische Ukraine-Politik gut findet, antwortet diese ältere Dame deutlich:
"Nein, ich glaube, sie ist sehr schlecht. Weil Russland die Ukraine schamlos provoziert."
Chodorkowski könnte Putin herausfordern
Ähnlich reagiert Arkadi aus Sibirien. Es werde nur schlimmer und schlimmer. Er glaubt daran, dass russische Soldaten in der Ukraine kämpfen:
"Das haben wir zum ersten Mal auf der Krim gesehen, als Russland die Halbinsel annektiert hat. Und jetzt gibt es viel mehr Informationen darüber."
Arkadi hält es für eine gute Idee, dass der frühere russische Ölmagnat Michail Chodorkowski Präsident Putin mit einer pro-europäischen Oppositionsbewegung herausfordern möchte. Jahrelang saß Chodorkowski wegen Betrugs und Steuerhinterziehung im Gefängnis. Jetzt rief er in Paris seine Landsleute mit der Initiative "Offenes Russland" dazu auf, sich vor den 2016 anstehenden Parlamentswahlen für politische Reformen und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen.
Arkadi hofft, dass der Westen die Sanktionen noch verschärfen wird. Nur ein starkes Europa könne Druck auf Putin ausüben. Russland brauche das:
"We believe that strong Europe can press Putin. We need it."
Moskau plant vorerst keine Gegenmaßnahmen
Durch Preissteigerungen und Rekordtiefststände des Rubels sind die Sanktionen des Westens in Russland zu spüren. Die neuesten Maßnahmen zielen vor allem auf die russische Finanz-, Rüstungs- und Energiebranche. Trotzdem plant Moskau vorerst keine Gegenmaßnahmen. Das haben Vizeministerpräsident Dmitri Kosak und Wirtschaftsminister Alexej Uljakaew am Wochenende deutlich gemacht.
Ministerpräsident Dmitri Medwedew griff jedoch erneut den Westen an: Die Geschichte habe gezeigt, dass alle Versuche, Druck auf Russland auszuüben, gescheitert seien. Er setzt auf eigene Erfolge:
"Die Sanktionen werden nicht auf unbestimmte Zeit verlängert. Aber in jenen Nischen, die in unserer Wirtschaft dann bereits mit anderen ausländischen Partnern oder unseren Herstellern besetzt sind, was wir hoffen, werden die europäischen Partner nicht zurückkehren können. Das ist der Preis, den Europa bezahlen muss."
Auf der Demonstration in der Moskauer Innenstadt sind die Sanktionen jedoch nur am Rande ein Thema. Tausende Menschen fordern ein Ende der Kämpfe, für die nach Schätzungen der Vereinten Nationen bisher mehr als 3.000 Menschen mit ihrem Leben bezahlt haben.
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