Russland

"Es ist ein Albtraum"

Sicherheitskräfte nach dem tödlichen Anschlag auf einen Bus im russischen Wolgograd
Sicherheitskräfte nach dem tödlichen Anschlag auf einen Bus im russischen Wolgograd © dpa / pa / Dmitry
Von Gesine Dornblüth |
Erst ein tödlicher Anschlag am Bahnhof, heute nun eine Explosion mit 14 Toten in einem Bus: Terrorattacken versetzen das russische Wolgograd in Angst. Ermittler vermuten einen Zusammenhang zwischen den Taten.
Der Anschlag auf den Oberleitungsbus in Wolgograd ereignete sich um etwa halb neun in der Früh, mitten im Berufsverkehr. Von dem vollbesetzten Bus blieb nur ein Gerüst übrig, das Dach wurde von der Wucht der Explosion nach hinten gerissen wie der Deckel einer Sardinenbüchse. Die Behörden gehen von mindestens 14 Toten und zahlreichen Verletzten aus. Die Menschen in Wolgograd sind verunsichert. Eine Augenzeugin sagte im russischen Fernsehen:
"Es ist ein Albtraum. Jetzt müssen wir wohl alle zu Fuß gehen. Alle Leute sagen das. Ich wollte gerade mit meinem Enkel in die Straßenbahn steigen und ihn zur Schule bringen."
Bereits am Sonntag waren bei einem Anschlag auf den Bahnhof der südrussischen Stadt 17 Menschen ums Leben gekommen. Der Gouverneur des Gebiets Wolgograd, Sergej Boschenow, geriet auf die Frage eines russischen Moderators, was getan werde, um weitere Anschläge zu verhindern, heute sichtlich unter Druck.
"Wir verstärken die Sicherheitsvorkehrungen im öffentlichen Nahverkehr und überall dort, wo sich viele Menschen ansammeln. Der Zivilschutz ist in Alarmbereitschaft. Wir tun das Beste."
Die Ermittler gehen von einem Selbstmordattentat aus
Die Sicherheitsmaßnahmen waren aber schon am Sonntag verstärkt worden, das hatte den zweiten Anschlag nicht verhindern können. Heute nun wurden zusätzlich Kosakenpatrouillen hinzugezogen. Beamte haben außerdem damit begonnen, in Wolgograd flächendeckend Personalien von Passanten zu überprüfen, vor allem auf Märkten, in Hotels und Bahnhöfen.
Vorläufige Ermittlungsergebnisse weisen darauf hin, dass ein Selbstmordattentäter den Anschlag in dem Bus verübt haben könnte. Behördensprecher Wladimir Markin:
"Die Ermittler erstellen derzeit eine Liste von Zeugen, beschlagnahmen die Aufnahmen von Überwachungskameras und haben mit der Befragung der überlebenden Fahrgäste begonnen, sofern deren Zustand das ermöglicht."
Auch den gestrigen Anschlag soll, so der Ermittlungsstand heute, ein Mann verübt haben. Videokameras hätten einen Verdächtigen mit einem Rucksack im Eingangsbereich des Bahnhofs aufgezeichnet, heißt es. Ursprünglich war von einer Selbstmordattentäterin aus dem Nordkaukasus die Rede gewesen. Die Ermittler schließen nicht aus, dass die beiden Anschläge gestern und heute miteinander zusammenhängen. Die Sprengsätze seien ähnlich gebaut gewesen.
Putin ordnet verstärkte Sicherheitsmaßnahmen in ganz Russland an
Politiker versprechen unterdessen schnelle und unbürokratische Hilfe für die Opfer. Der Gouverneur des Gebiets, Sergej Boschenow:
"Terrorismus ist eine schreckliche Sache. Wir müssen heute alle zusammenstehen. Ich werde heute die Angehörigen der Toten besuchen. Wir werden alles tun, um das Leben der Verletzten zu retten, wir werden die Beerdigungen organisieren und den Hinterbliebenen Entschädigungen zahlen."
Präsident Putin hat heute verstärkte Sicherheitsmaßnahmen in ganz Russland angeordnet. Worin sie bestehen, wurde nicht bekannt. Außerdem entsandte er den Chef des Inlandsgeheimdienstes nach Wolgograd. Die Anschläge in der Millionenstadt haben auch die Frage aufgeworfen, wie sicher die Olympischen Spiele sind, die in fünfeinhalb Wochen im südrussischen Sotschi beginnen. Dazu äußerte sich heute Aleksandr Schukow, stellvertretender Sprecher der Duma:
"Was die Olympischen Spiele in Sotschi betrifft, sind alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Ich denke, im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wolgograd werden deshalb keine zusätzlichen Maßnahmen getroffen, es ist bereits alles Nötige getan."