Russland

Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski in Freiheit

Laut der Nachrichtenagentur Interfax hat Michail Chodorkowski die Strafkolonie in Karelien bereits verlassen.
Laut der Nachrichtenagentur Interfax hat Michael Chodorkowski die Strafkolonie in Karelien bereits verlassen. © picture alliance / dpa / Sergei Chirikow
Von Gesine Dornblüth |
Chodorkowski hatte zehn Jahre wegen Betrugs und Steuerhinterziehung im Gefängnis gesessen. Nachdem Präsident Putin heute einen Gnadenerlass unterzeichnet hatte, ist er frei. Die Stimmung im offiziellen Moskau gegenüber Chodorkowski wird positiver. Unterdessen wurden vier junge Leute freigelassen, die sich an einer kremlkritischen Demonstration beteiligt hatten.
Auf einmal ging alles ganz schnell. Um Punkt 12 Uhr Ortszeit teilte die Verwaltung des Kreml auf ihrer Internetseite mit, dass Präsident Putin den gestern angekündigten Erlass zur Begnadigung Chodorkowskis unterschrieben habe, "geleitet von Prinzipien der Humanität", wie es dort heißt. Der Erlass trat sofort in Kraft. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax hat Chodorkowski die Strafkolonie in Karelien bereits verlassen.
Schlagartig wendet sich nun die Stimmung im offiziellen Moskau. Das Staatsfernsehen zeigt auf einmal Bilder eines sympathisch lächelnden Chodorkowskij. Und die Nachrichten machen mit einem Interview mit der Mutter des 50-Jährigen auf, Marina Chodorkowskaja – das ist all die Jahre nicht vorgekommen.
"Ich bin so froh über die Nachricht, ich kann es noch gar nicht fassen. Ich zittere so, ich habe vermutlich mehr Beruhigungsmittel genommen als gut ist. Ich habe das überhaupt nicht erwartet, das war ein Schock gestern."
Hoffen auf besseres internationales Ansehen Russlands
Jene, die gestern noch gegen Chodorkowski als angeblichen Milliardenbetrüger wetterten, stimmen nun in den Jubel ein. Der Fraktionsführer der nationalistischen LDPR, Wladimir Schirinowski, sagte Chodorkowski eine Zukunft als Schriftsteller voraus. Kommunistenführer Zjuganow sprach bereits gestern von einem Akt der Humanität.
Menschenrechtler in Russland hoffen, dass von Chodorkowskis Begnadigung ein Signal ausgeht. Michail Fedotov, Vorsitzender des Menschenrechtsrates beim Präsidenten, sagte, die Freilassung werde die Atmosphäre im Land verbessern und das internationale Ansehen Russlands.
Chodorkowskis Familie (v.l.n.r.): Seine Ehefrau Inna, seine Tochter Anastasia und seine Mutter Marina Chodorkowskaja nach der Gerichtsverhandlung in Moskau am 30.12.2010.
Chodorkowskis Familie (v.l.n.r.): Seine Ehefrau Inna, seine Tochter Anastasia und seine Mutter Marina Chodorkowskaja nach der Gerichtsverhandlung in Moskau am 30.12.2010.© picture alliance / dpa / Maxim Shipenkov
Unterdessen blühen die Spekulationen über die Hintergründe der plötzlichen Freilassung. Präsident Putin hatte gestern mitgeteilt, Chodorkowski habe vor kurzem ein Gnadengesuch unterzeichnet. Ein Gnadengesuch gilt nach Ansicht des Kreml als Schuldeingeständnis. Ein solches hatte Chodorkowski all die Jahre kategorisch abgelehnt. Noch vor wenigen Tagen sagte er der "Wirtschaftswoche", wenn er um Begnadigung bitte, müsse er die Schuld für ein Verbrechen tragen, das er nicht begangen habe. Das wäre Selbstbetrug gewesen. Ein Gnadengesuch sei für ihn nicht infrage gekommen, so zitiert ihn die Zeitung weiter, weil er damit seine Selbstachtung verloren hätte.
Putin hatte gestern eine Erkrankung von Chodorkowskis Mutter als Grund für dessen Gnadengesuch genannt. Bei ihr ist tatsächlich eine schwere Krankheit wieder ausgebrochen. Russischen Medienberichten zufolge könnten aber auch Geheimdienstler Chodorkowski unter Druck gesetzt haben. Möglicherweise habe man ihm mit einem dritten Verfahren gedroht, sollte er nicht unterzeichnen. Der bekannte Moskauer Journalist Tichon Dzjadko brachte es auf den Punkt: Chodorkowskij werde so befreit, wie er auch verhaftet wurde: in einer Sonderoperation.
Amnestie für andere Kreml-Kritiker
Unabhängig von der Begnadigung Chodorkowskis hat die Justiz damit begonnen, die Amnestie umzusetzen, die die Duma am Mittwoch beschlossen hat. In Moskau kamen vier junge Leute frei, die nach der Teilnahme an einer kremlkritischen Demonstration auf dem Bolotnaja-Platz angeklagt worden waren. Die Justiz hob die Anklage wegen Teilnahme an Massenunruhen gegen sie gestern auf. Acht Beschuldigte stehen weiterhin vor Gericht. Die Amnestierten gaben sich kämpferisch. Einer von ihnen, Wladimir Akimenkow sagte im Fernsehsender "Doschd":
"Jetzt müssen wir darum kämpfen, dass alle politischen Gefangenen frei kommen. Und dass die Amnestie wirklich breit gefasst wird. Denn bisher ist das keine Amnestie, sondern eine Farce."
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