Putins Wirtschaftspolitik ist am Ende
Wladimir Putin sei in der Wirtschaftspolitik ein Getriebener des Ölpreises, meint Korrespondent Erik Albrecht. Die Folgen seiner Politik müsse die Bevölkerung ausbaden - Reformen, die der russische Präsident versprochen hatte, habe er nie umgesetzt.
In der Ostukraine zeigt er, dass er es ist, der über Krieg und Frieden entscheidet. Doch zu Hause in Russland kann alle Kraftmeierei nicht darüber hinwegtäuschen, dass Wladimir Putins Stärke auf Öl und Gas gebaut ist. Ein zweifelhaftes Fundament für eine Volkswirtschaft. Fällt der Ölpreis, steht Russland vor dem Kollaps. Das war schon so, als er Ende der 1990er das Präsidentenamt übernahm. Und daran hat er in 15 Jahren nichts geändert. Russlands Rohstoffabhängigkeit stürzte das Land in der Finanzkrise 2008 tief in die Depression. Und sie tut es auch jetzt.
Ein Getriebener des Ölpreises
Neu am jüngsten Konjunkturtief ist allenfalls, dass Sanktionen und Kapitalflucht den Niedergang noch beschleunigen. Ausgelöst haben sie ihn nicht. Um mehr als drei Prozent wird die russische Wirtschaft in diesem Jahr schrumpfen - so die konservative Schätzung der Regierung - und zwar quer durch alle Branchen. Der Rubel hat seit vergangenem Sommer mehr als die Hälfte seines Werts verloren. Putin, der sich so gerne als starker Mann und Entscheider inszeniert - in der Wirtschaftspolitik ist er nicht viel mehr als ein Getriebener des Ölpreises.
Dabei ist spätestens seit 2009 klar, dass das Land grundlegende Reformen braucht. Russland hat nicht zur wirtschaftlichen Dynamik der Nuller-Jahre zurückgefunden. Das Land sei von einem weitverbreiteten Fluch rohstoffreicher Staaten gezeichnet, kritisiert der frühere Finanzminister Alexej Kudrin: Eine grassierende Korruption schwäche die staatlichen Institutionen. Das gesamte Fundament der russischen Wirtschaft müsse neu gegossen werden, sekundiert der ehemalige Wirtschaftsminister German Gref.
Kudrin, Gref - bitter an diesen Namen ist, dass beide zu Beginn der Ära Putin wichtige Impulse für eine erfolgreiche Modernisierung der russischen Wirtschaft gesetzt haben. Doch dann wurden Machterhalt und Bereicherung der Führungsclique wichtiger als das Wohl des Landes. Dabei verfügt Russland über genügend Experten, die wüssten, was zu tun ist. Ohnehin sind die Probleme altbekannt: staatliche Willkür gegen Unternehmer, die Monopolstruktur der Wirtschaft und eine Verwaltung, die jeglichen Unternehmergeist bestraft.
Die Folgen von Putins Wirtschaftspolitik muss ein weiteres Mal die Bevölkerung ausbaden. Für sie rückt der Ukraine-Konflikt selbst derweil in den Hintergrund. Viele Menschen fürchten um ihren Arbeitsplatz. Die Hälfte der Russen spart Umfragen zufolge bereits beim Essen. Ein Drittel kauft etwa weniger Fleisch.
Gref, heute Chef der größten russischen Bank, zieht mittlerweile Parallelen zum Ende der Sowjetunion. Man könne sich die Gesetze der Ökonomie eben nicht gemäß seiner politischen Ziele zurechtbiegen.
Wirtschaftlicher Niedergang als Kollateralschaden
Im Klartext: Putin nimmt heute den wirtschaftlichen Niedergang als Kollateralschaden seines nichterklärten Kriegs in der Ukraine in Kauf. Doch mittlerweile braucht der Kreml den Konflikt auch, um von der wirtschaftlichen Misere im eigenen Land abzulenken. Seit jeher bestand seine Machtpolitik vor allem darin, den Reichtum des Landes zu verteilen. Der alte Gesellschaftsvertrag, wonach die Bevölkerung politische Freiheiten gegen Wohlstand eintauschte, funktioniert nicht mehr.
Doch jetzt gerät auch der Pakt innerhalb der engeren Führungsclique ins Wanken. Putin kann nicht länger Loyalität damit belohnen, dass seine Getreuen den Reichtum des Landes schamlos untereinander aufteilen. Schon jetzt stehen die großen Staatskonzerne wie Rosneft Schlange, um Notkredite zu erhalten.
Lange wird der Kremlchef die desolate Lage nicht mehr durch plumpen Hurra-Patriotismus à la "Die Krim gehört uns!" und Vorwürfe des Völkermords im Donbass übertünchen können. Man kann nur besorgt fragen, wie er dann die Menschen von seiner schlechten Regierungsbilanz ablenken will.
Erik Albrecht, geboren 1979, berichtet seit 2006 als Korrespondent für Hörfunk, Fernsehen und Agenturen über Russland und die Ukraine.
2011 erschien sein Buch "Putin und sein Präsident".