Moskau könnte bald das Geld ausgehen
Die Sanktionen der EU und der USA könnten Moskau hart treffen. Die russischen Banken schlagen bereits Alarm - denn die Dollar-Reserven werden knapp. Auch wichtige Rüstungsprojekte stehen auf der Kippe.
Es war der 9. August. Per Videoschaltung ordnet Russlands Präsident Wladimir Putin den Beginn von Probebohrungen in der Karasee an. Tausende Kilometer entfernt, hoch oben in der Arktis, gibt Rosneft-Chef Igor Setschin das Kommando weiter. Der russische Staatskonzern betreibt das Milliardenprojekt gemeinsam mit dem US-Unternehmen ExxonMobil. Die Unternehmen vermuten Erdölvorkommen in der Karasee vergleichbar mit den Reserven Saudi-Arabiens. Präsident Putin betont:
"Effektive internationale Zusammenarbeit sichert kommerziellen Erfolg. Die Geschäftswelt, große Unternehmen in Russland und im Ausland wissen das. Deshalb gewinnen, ungeachtet der schwierigen politischen Konjunktur, Pragmatismus und gesunder Menschenverstand die Oberhand. Das freut mich sehr."
Eine gute Woche zuvor hatte die EU erstmals sektorale Sanktionen gegen Russland beschlossen und unter anderem die Ausfuhr von Spezialtechnik für die Ölförderung verboten. Gerade in schwierig zu erschließenden Gebieten wie der Arktis ist Russland auf westliche Hochtechnologie angewiesen. Westliche Experten rechnen damit, dass diese Beschränkungen Russland empfindlich treffen werden – auch wenn einige Kooperationen, wie die in der Karasee, weitergehen.
Die USA hatten den russischen Ölkonzern Rosneft schon Wochen vorher auf eine Sanktionsliste gesetzt und den US-Banken untersagt, Kredite an das Unternehmen zu vergeben. Konzernchef Setschin sagte damals in einer ersten Reaktion, das werde vor allem die Aktionäre der Partnerunternehmen in den USA treffen.
"Unsere finanziellen Möglichkeiten sind gut. Wir können unsere Projekte über einen sehr langen Zeitraum realisieren, ohne Kredite in Anspruch zu nehmen."
Die Sanktionen gegen die Banken sind am wirkungsvollsten
Mittlerweile hat Rosneft die russische Regierung allerdings um eine Finanzhilfe in Höhe von umgerechnet gut 31 Milliarden Euro gebeten – und dies explizit mit den Sanktionen begründet. Dies berichtete die gewöhnlich gut informierte russische Zeitung "Vedomosti". Es gehe darum, laufende Schulden zu tilgen. Setschin hoffe auf Geld aus dem Reservefonds Russlands, heißt es. Dieser Fonds wurde 2008 gegründet, um Renten zu sichern. In diesem Jahr hat die Regierung aber bereits Geld entnommen, um Infrastrukturprojekte zu finanzieren. Die von Rosneft gewünschte Summe ist schlichtweg nicht mehr vorhanden.
Nach Einschätzung des Wirtschaftsprofessors Sergej Gurijew – er lebt mittlerweile im Exil in Paris – treffen die Sanktionen gegen Russlands Banken die russische Wirtschaft am stärksten. Gurijew sagt, Russland werde allmählich das Geld ausgehen. Bereits am Montag schlugen russische Banker Alarm. Die Dollar würden knapp. Das ist ein Problem, weil viele internationale Geschäfte mit Russland in US-Dollar abgewickelt werden.
Die EU und die USA haben zuletzt auch Rüstungslieferungen nach Russland verboten. Davon ist unter anderem das größte russische Schiffbauunternehmen betroffen, das auch Kriegsschiffe herstellt. Russland ist dabei, sein Militär zu reformieren und neu auszustatten. Aus den Worten von Vizepremier Dmitrij Rogozin Anfang August bei einer Rüstungsmesse ist zu schließen, dass die Sanktionen im Rüstungsbereich Russland hart treffen. Rogozin sagte:
"Es ist natürlich nicht unsere Aufgabe, das Land in die Selbstisolation zu stürzen, einen eisernen Vorhang herunter zu lassen. Für die Technologien wäre das nicht nur ein Drama, es wäre eine Katastrophe."
Trotzdem arbeitet Russland nun an einer Strategie, die Rüstungsimporte zu ersetzen. Sie soll im November bekannt gegeben werden.
Die negativen Folgen der westlichen Sanktionen für Russland werden im Land zurzeit kaum öffentlich diskutiert. Stattdessen dreht sich alles um die russischen Gegenmaßnahmen: Das Einfuhrverbot von Lebensmitteln aus den Sanktionsstaaten. Präsident Putin hat die Parole vorgegeben: Das Verbot soll die heimischen Erzeuger stärken. Unabhängige Experten warnen indes, dass das selbst verhängte Importverbot für Lebensmittel langfristig zu einer Inflation führen wird und zu einem Ende des Wirtschaftswachstums in Russland.