Großmachtstreben und rhetorische Blasen
Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland ist gefährlich. Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vermisst einen engagierten US-Präsidenten - und sieht das russische Vorgehen als Test.
Wenn es doch nur einen US-Präsidenten mit einem ehrlichen Interesse am Weltgeschehen gäbe - denn so einer wird derzeit dringend gebraucht, meint Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) mit Blick auf das Säbelrasseln zwischen Russland und der Ukraine.
Dringend gesucht: der "konstruktive" US-Präsident
Gespräche von Bundeskanzlerin Merkel mit Kremlchef Putin und dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko könnten helfen, den Konflikt etwas runterzudimmen, sagte er im Deutschlandfunk Kultur. Eigentlich müsste aber ein "US-Präsident, der konstruktiv ist, hier eingreifen", sagte Meister.
Denn bei dem Konflikt gehe es für die Russen nicht nur um die Ukraine, sondern auch um die Kontrolle über das Schwarze Meer und den Konflikt mit der Nato und den USA: "Darauf zielt Putin, wenn er hier provoziert. Das Problem ist im Moment nur, dass der US-Präsident weder das Interesse hat noch die Bereitschaft zeigt, mit der russischen Führung zu sprechen."
Die russische Küstenwache hatte vor drei Tagen in der Straße von Kertsch vor der Halbinsel Krim drei ukrainische Marineschiffe beschossen und aufgebracht. Mehrere ukrainische Marinesoldaten wurden dabei verletzt, insgesamt 24 festgenommen.
Das hatte eine schwere Krise zwischen den beiden Ländern ausgelöst. Putin gab der Ukraine die Schuld daran und sprach von Provokation. In der Ukraine wird es naturgemäß genau anders herum gesehen. Der ukrainische Präsident Poroschenko hat inzwischen das Kriegsrecht in Kraft gesetzt.
Die Russen demonstrieren ihre Macht
Für Meister ist das russische Vorgehen eine Machtdemonstration. Diese sei aber nicht überraschend gekommen. Es gebe seit Monaten in dem Gebiet immer wieder Provokationen von russischer Seite, Putin baue dort systematisch Militär auf. Für den Kremlchef sei es auch ein Test, wie die Ukraine, der Westen und die Nato auf Aggressionen reagierten.
Als möglichen Weg, die Russen zum Einlenken zu bewegen, sieht Meister gezielte Sanktionen. Man brauche jetzt eine Mischung aus Diplomatie und einem Hinweis an die russische Seite, dass Aktionen wie in der Straße von Kertsch auch etwas kosteten, sagte er.
Als Alleinschuldigen sieht Meister Putin allerdings nicht. Auch die Ukraine trage Verantwortung für die Situation. Poroschenkos Argumentationsmuster sei martialisch, sagte der außenpolitische Experte - und zielten auch auf die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine im kommenden Jahr, wo Poroschenko derzeit sehr schlechte Chancen habe, zu gewinnen.
Da ein Krieg gegen Russland für die Ukraine nicht zu gewinnen sei, seien Poroschenkos scharfe Worte allerdings nur "rhetorische Blasen".
(ahe)