Ukraine-Krieg

Dünger-Exportstopp Russlands belastet deutsche Bauern

08:29 Minuten
Blick auf eine Abraumhalde einer Kaliproduktionsstätte mit Beförderungssystem.
Das russische Unternehmen Uralkali produziert Düngemittel. Durch den Ukraine-Krieg verschlechtert sich die Versorgung deutscher Bauern mit Kali, Phosphor und Stickstoff. © picture alliance / Russian Look / Georgy Rozov
Von Bastian Brandau |
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Der Krieg in der Ukraine macht Deutschlands Landwirten zu schaffen: Weil Russland einen Export-Stopp für Düngemittel verhängt hat, sind die Preise für Phosphor, Kali und Stickstoff explodiert. Die Bauern suchen nach Alternativen.
Volker Hahn zeigt auf seinen mobilen Hühnerstall. Der erinnert ein wenig an einen Wohnwagen. „In zwei Stunden sind sie draußen, jetzt müssen sie noch Eierlegen.“ Die deutlich hörbaren Insassen dürfen erst raus, wenn alle fertig sind mit dem Eier legen. Auch Mastschweine hält Landwirt Hahn, baut aber vor allem Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide an, gleich hinter dem mobilen Hühnerstall.
Sorgen bereitet dem Landwirt die Frage, wo er künftig bezahlbare Düngemittel herbekommt für seine Äcker rund um den Ort Hagen bei Neustadt am Rübenberge. Hahn düngt mit der Gülle seiner Schweine – doch die reicht nicht. Wie andere Landwirte auch, düngt Volker Hahn auf Grundlage wissenschaftlichen Erkenntnissen nach. Stickstoff, Phosphor und Kali gelten dabei als wichtigste Nährstoffe.
„Das Düngen ist letztendlich für die Pflanzen existenziell. Das ist egal, ob wir im biologischen Anbau unterwegs sind oder im konventionellen. Die Pflanzen brauchen einfach Dünger und Nährstoffe, um wachsen zu können.“

Preise für Dünger steigen spürbar

Doch die Preise für Düngemittel steigen spürbar für die Landwirte in der Region Hannover. Deren Interessen vertritt Volker Hahn als einer von zwei Kreisvorsitzenden des Landvolks.
„Wir haben im vorvergangenen Jahr Dünger kaufen können, der die Hälfte dessen kostete, was wir im letzten Jahr bezahlt haben", berichtet Volker Hahn. "Wer jetzt dieses Jahr im Frühjahr noch mal Dünger kaufen muss, der bezahlt das Vier- bis Fünffache."
Wegen steigender Getreidepreise habe Russland eine Exportsperre für Düngemittel verhängt, erzählt der Landwirt weiter. "Auch China hat Exportsperren für Düngemittel verhängt, um einfach im Inland ausreichend Dünger zur Verfügung zu haben, um dann auch vernünftige Getreideerträge erzielen zu können.“
Die Folgen des Krieges in der Ukraine spüren auch die Landwirte in Niedersachsen. Der russische Überfall auf die Ukraine hat den weltweiten Markt für Düngemittel verändert, bestätigt der Wissenschaftler Sören Prehn. Die einzukaufen, sei schon zuvor teurer gewesen, sagt er.
Auch Umweltkatastrophen im vergangenen Jahr in unterschiedlichen Regionen der Welt hätten einen Einfluss auf den Markt gehabt. „Man muss ganz klar sagen, dass die Düngemittelpreise schon vorher am Steigen waren. Der Ukraine-Konflikt hat das noch einmal auf die Spitze getrieben.“  

Dünger wird teurer, wenn Gas teurer wird

Prehn arbeitet am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien in Halle an der Saale. Er beobachtet die Preise in einem globalen Markt.
Russland spiele traditionell eine Rolle insbesondere bei den Stickstoffdüngern, erklärt Prehn. Denn um die herzustellen, braucht es einen Energieträger wie Gas. Steigt der Gaspreis, werden auch Stickstoffdünger teurer.
„Es wird weniger geliefert, das ist bekannt. Es gibt immer wieder gewissen Druck. Und es ist so auf freien Märkten: Wenn nur kleine Änderungen der Menge da sind, dann kann das zu großen Preisausschlägen führen. Und es ist auch so, dass man halt gewisse Risikoprämien immer wieder einpreist. Und das sehen wir momentan halt am Düngemarkt.“

EU-Sanktionen verhindern Import

Mit dem EU-Sanktionspaket von Anfang April ist der Import nach Deutschland inzwischen auch rechtlich untersagt. Schon vorher erschwerten Sanktionen gegen russische Banken den Zahlungsverkehr, waren die Routen durch das Schwarze Meer teilweise vom Krieg betroffen.
Landwirt Volker Hahn fürchtet, dass die Auswirkungen insbesondere bei Phosphor womöglich nicht allein auf Preissteigerungen beschränkt bleiben: „Wir haben bei Phosphordünger den vier bis fünffachen Preis wie letztes Jahr – und ob dann im nächsten Jahr ausreichend Mengen zur Verfügung stehen, das muss man sehen.“

Denn auch Phosphor-Dünger hat Russland in der Vergangenheit exportiert. Und anders als Stickstoff ist Phosphor ein Düngemittel, dessen Herstellung auf natürliche Vorkommen angewiesen ist – und die liegen, genau wie Kali-Vorkommen, unter anderem in Russland.

Alternativen für den Phosphor-Import

Agrarökonom Sören Prehn sagt, immerhin gebe es auch Ausweichmöglichkeiten: „Phosphor könnte die EU immer aus Marokko beziehen. Auch Saudi-Arabien hat vor ein paar Jahren erst eine neue Mine aufgemacht und ist ein Exporteur. Also da gibt es Ausweichmöglichkeiten, wo man immerhin hingehen könnte.“

Ähnliches gelte für Kali, dessen Hauptexporteur Kanada sei, das aber auch in Deutschland vorkomme. Viele neue Lieferketten müssten jetzt aufgebaut werden, sagt der Wissenschaftler.

Özdemir will Abhängigkeit reduzieren

Für die aktuelle Düngesaison, die gerade läuft in Deutschland, haben Landwirte wie Volker Hahn im vergangenen Jahr schon vorgesorgt. Aber wie geht es in der nächsten Düngesaison weiter?
Der zuständige Bundesminister Cem Özdemir sagt: „Ich habe keinen Zauberkoffer dabei, um den den Krieg ungeschehen zu machen oder dass man die Folgen nicht spürt. Über diese Gabe verfüge ich nicht.“ Mit den Folgen muss sich der Grünen-Politiker aber befassen.
Bei seinem Antrittsbesuch beim niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil verweist er auf Pakete, die auch die Landwirtschaft entlasten sollen. Im Prinzip versuche er für die Landwirtschaft das gleiche wie Robert Habeck bei der Energiewirtschaft, beschreibt Özdemir seine Politik in Bezug auf die steigenden Düngemittelpreise: Sich abzunabeln von autoritären Regimes, mehr Resilienz schaffen:
"Wir müssen die Abhängigkeit von den Ländern reduzieren, wo wir beispielsweise mineralischen Dünger beziehen, wo die Preise gegenwärtig durch die Decke schießen." Es gehe auch um Kreisläufe: Soja in Brasilien anzubauen sei nicht nur schlecht für den Regenwald dort, sondern sei auch ein Kostenfaktor und schaffe Abhängigkeiten.
Länder wie Brasilien sind noch mehr als Deutschland von der Düngemittelknappheit und den steigenden Preisen betroffen. Das Land importierte bisher über 80 Prozent seiner Düngemittel – auch um die Sojabohnen anzubauen, mit denen deutsche Landwirte ihre Schweine mästen.
Die aktuelle Düngemittelknappheit könnte also auch ein Ansporn sein, Düngung und auch die Art des Wirtschaftens in Deutschland umzustellen – in Richtung weniger Fleischerzeugung.

Bohnen und Erbsen als Alternative

Landwirt Volker Hahn sagt: „Nun muss man ehrlicherweise sagen, dass die Möglichkeiten, den Anbau zu diversifizieren, begrenzt sind.“

Eine Möglichkeit ist der Anbau von Bohnen und Erbsen, die sich selbst mit Stickstoff versorgen. Andere Pflanzen aus der Familie der Leguminosen können als Gründünger dienen, angebaut werden, um sie später unterzupflügen für die Bodenverbesserung.
„Es gibt die Möglichkeit, im Frühjahr tatsächlich Leguminosen anzubauen, die man nicht mit Stickstoffdüngemitteln düngen muss", sagt Hahn. Es müsse aber auch ein Markt vorhanden sein: "Und der spiegelt sich dann wiederum auch im Preis wider. Ich glaube, da sind gerade auch die Handelspartner dabei, dieses Verhältnis auch neu auszutarieren", sagt der niedersächsische Landwirt. Die nächste Herausforderung sei die Saatgutversorgung: "Man kann jetzt nicht einfach einen Hahn umlegen und sagen, wir machen jetzt mal die und die Sorte. Es muss dann auch einfach eine Vorleistung der Züchter-Häuser geben, die dann auch ausreichend Saatgut produzieren.“

Wachstumskurs der Agrarbranche in Gefahr

Die konventionelle Landwirtschaft ist finanziell gesehen sehr erfolgreich gewesen in den vergangenen Jahrzehnten. Eine Zeit, in der die Märkte immer offener wurden – und ein Krieg in Europa und die damit verbundenen Einschränkungen kaum vorstellbar schienen.
Doch in der Geschichte habe es immer wieder ähnliche Krisen gegeben, sagt Agrarökonom Sören Prehn. „Das ist immer eine Frage der zeitlichen Spanne, die wir gucken. Und es hängt auch immer wieder von der Ukraine-Krise ab, wie lange die noch dauert und welche Restriktionen oder Markteinschränkungen es im Zuge der Ukraine-Krise noch geben wird.“
Klar ist: Der beschrittene Wachstumskurs der deutschen Agrarbranche ist bereits länger in Gefahr. Das führt zu Unsicherheit. Auch auf dem Hof von Volker Hahn und seinen Söhnen. Der jüngere, Christoph, der sich an diesem Morgen um die Hühner kümmert, ist gerade 18 geworden. "Das sind jetzt schon sehr große Entwicklungen, die passieren in Sachen Gesetzeslagen, mit dem Krieg und Preisen, wodurch diese Planungssicherheit irgendwie nicht gegeben ist“, sagt Hahn Junior.

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