Neues Sachbuch von Rutger Bregman

Wider den Zynismus

Buchcover von Rutger Bregmans Sachbuch "Moralische Ambition. Wie man aufhört, sein Talent zu vergeuden, und etwas schafft, das wirklich zählt".
© Rowohlt Verlag

Rutger Bregman

Moralische Ambition. Wie man aufhört, sein Talent zu vergeuden, und etwas schafft, das wirklich zähltRowohlt, Hamburg 2024

336 Seiten

26,00 Euro

von Sieglinde Geisel |
Der Historiker Rutger Bregman hat sich mit Hoffnung vermittelnden Sachbüchern einen Namen gemacht. In seinem neuen Buch ruft er seine Leserschaft dazu auf, sich für eine bessere Welt einzusetzen. Das ist inspirierend, stößt aber an Grenzen.
Rutger Bregmans Band „Moralische Ambition“ ist eine Mischung aus Sachbuch und Ratgeber, im Weiteren ist es auch eine politische Streitschrift. Das merkt man schon an den Kapitelüberschriften, die durchweg im Imperativ gehalten sind: „Setzen Sie Ihre Handlungsschwelle herab“, „Überlegen Sie, was die Welt braucht, und erfinden Sie es.“
Moralische Ambition entsteht dann, so die Definition von Bregman, wenn jemand sein Talent nicht nur zur Selbstverwirklichung oder dem Anhäufen von Reichtum einsetzt, sondern einer Aufgabe widmet, die einen Sinn hat – für andere, für die Welt, für die Zukunft.
Moralische Ambition sei ansteckend wie ein Virus, deshalb genügten bereits wenige Aktivisten, um etwas zu bewirken. Allerdings schreiten die wenigsten Menschen aus eigenem Antrieb zur guten Tat, werden sie jedoch dazu aufgefordert, lassen sich überraschend viele dafür gewinnen.

Inspirierende Anekdoten

Rutger Bregman illustriert dies am Beispiel des niederländischen 1.500-Einwohnerdorfs Nieuwlande, das während der NS-Besetzung fast 100 Juden versteckte. Von solchen Geschichten ist das Buch voll. Dabei geht es um Sufragetten, Bürgerrechtler und Impfstoff-Entwickler ebenso wie um Großkapitalisten wie Bill Gates.
Bregman wirft auch einen kritischen Blick auf Bewegungen wie den Effektiven Altruismus, die das ausbeuterische System des Kapitalismus nicht grundsätzlich in Frage stellen.

Mangelnder Pragmatismus

Modernen Bewegungen fehle es oft an Pragmatismus, deshalb verpuffen sie, dies betreffe Occupy Wall Street ebenso wie die Klimaschutzbewegung. Zu den Mythen über den Wandel gehöre etwa der Glaube, Bewusstseinswandel bewirke bereits eine Veränderung oder man könne ein Ziel nur aus den richtigen Gründen erreichen.
Wie man trotz radikaler Zielsetzung mit pragmatischem Vorgehen Wirkung erzielt, zeigt Bregman am Beispiel der Abschaffung der Sklaverei. Zuerst richtete sich der Kampf nicht gegen die Sklaverei als solche, sondern nur gegen den Sklavenhandel, und im Wissen darum, dass mit dem Leid der Sklaven allein keine Mehrheiten zu gewinnen waren, verwiesen die Aktivisten auf 20 Prozent der weißen Matrosen, die die Überfahrt jeweils nicht überlebten.

Beim Klimawandel wenig ambitioniert

Das Buch lebt von solchen oft packend erzählten Anekdoten, aus denen Bregman dann seine Analyse destilliert. Die Probleme, die den größten Impact versprechen, haben drei Dinge gemeinsam: "Sie sind weitreichend, zu wenig beachtet, und sie sind lösbar."
Bregmans Stil ist einfach, manchmal geradezu plakativ, ohne jedoch trivial zu werden. Das Buch ist informativ, unterhaltsam und inspirierend, wenn einem auch die wiederholte Aufforderung, sein Talent nicht zu verschwenden, auf die Nerven gehen kann.
Dass es allerdings ausgerechnet bei der größten Bedrohung unserer Zeit schwächelt, ist mehr als ein Schönheitsfehler. Für die Bekämpfung der Klimakrise setzt Bregman vor allem auf Erfindergeist und Technologien zur Entnahme von CO² aus der Atmosphäre. Gerade hier hätte man sich neue Ideen gewünscht.
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