S-Town

Zweiter Blick auf ein literarisches Gesellschaftsporträt

24:49 Minuten
Auf dem Bild ist ein Mann mit tätowiertem Oberkörper und kleinem Hund in den Händen. Im Hintergrund ist ein mit Holz verkleidetes Haus zu erkennen.
S-Town: Geschichten von Isolation, sexueller Unterdrückung, von weißer Armut, der Tattoo-Szene und von Rassismus. © laif / NOOR / Stanley Greene
Von Heiko Behr und Carina Fron |
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Als S-Town 2017 erscheint, sind Podcastliebhaber begeistert. Allein in den ersten vier Tagen wird S-Town rund zehn Millionen Mal heruntergeladen. Wie ist es, den Podcast noch einmal mit Abstand zu hören? Wir haben es ausprobiert.
Alles beginnt 2012 mit einer E-Mail an die Macher von "This American Life". Darin bittet John B. McLemore die Journalisten, einen Mordfall aufzuklären, der sich in seiner Heimatstadt Woodstock in Alabama zugetragen haben soll. Nach einem Jahr mit vielen weiteren E-Mails und Telefonaten entschließt sich der Produzent Brian Reed, persönlich in "Shit-Town", wie McLemore das Südstaatenkaff Woodstock nennt, zu recherchieren. Seine Erkentnisse verarbeitet er im Podcast S-Town.
Auf den ersten Blick wirkt S-Town wie ein klassischer True-Crime-Podcast. Immerhin versucht der Host Brian Reed zunächst erst einmal, einen angeblichen Mordfall zu lösen. Außerdem stecken hinter dem Podcast auch die Macher von Serial. Deren erste Staffel aus dem Jahr 2014 gilt bis heute als Vorbild schlechthin für alle Podcasts rund um Verbrechen. Damals versuchte Host Sarah Koenig herauszufinden, ob die Schülerin Hae Min Lee von ihrem Ex-Freund Adnan Syed getötet worden war.
Doch obwohl S-Town klanglich und erzähltechnisch an den großen Bruder Serial erinnert, nimmt die Geschichte eine ganz andere Wendung. Nicht ein Mord steht im Fokus - Host Brian Reed erzählt stattdessen Geschichten von Isolation, sexueller Unterdrückung, von weißer Armut, der Tattoo-Szene und von Rassismus. Im Mittelpunkt des Ganzen steht der depressive Geschichtenerzähler John B. McLemore.

Konstrukt des neutralen Beobachters

Bis heute hat der Podcast seinen Zauber nicht verloren. Das liegt vor allem daran, dass es sich letztendlich bei S-Town um ein literarisches Gesellschaftsporträt handelt, das bis heute Bezugspunkte bietet.
Dennoch kann "Über Podcast"-Moderator Heiko Behr die sieben Folgen drei Jahre später nicht so unbeschwert genießen wie damals. Ihn stört vor allem die distanzierte Haltung von Brian Reed zu vielen Themen.
"Eines der ganz großen Themen der letzten Jahre - #blacklivesmatter - hat mich zum Nachdenken gebracht, wie man mit Themen wie Rassismus eigentlich journalistisch, erzählerisch umgehen soll. So wie in S-Town jedenfalls nicht. Man kann sich nicht mehr verstecken hinter dem Konstrukt 'neutraler Beobachter'", sagt Behr. Er empfiehlt dennoch, sich S-Town (noch einmal) anzuhören.

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