Jäger ärgern sich grün
Die Jäger im Saarland protestieren gegen den Plan der schwarz-roten Landesregierung, das Jagdgesetz zu novellieren. Streitpunkte sind die Schonzeit der Füchse, bleihaltige Munition, ein Schießleistungsnachweis und Wildkameras im Wald.
1500, die Hälfte aller saarländischen Jägerinnen und Jäger war auf der Straße: Vor einem Jahr erreichte die Auseinandersetzung zwischen der saarländischen Landesregierung und den Jägern ihren Höhepunkt. Auf dem Tisch lag der Entwurf für ein neues Jagdgesetz, der mit dem Selbstverständnis der selbstbewussten Klientel unvereinbar schien.
Jäger: "Die haben uns so belogen, wir sind doch die wahren Grünen. Im Moment ist im Gesetzentwurf gar nichts drin von dem, was die Jägerschaft vorgeschlagen hat. Die Jagd ist Naturschutz. "
Die Jäger haben es im Saarland mit einer großen Koalition zu tun. Und sie waren der festen Überzeugung, dass CDU und SPD für ihre Belange ein offenes Ohr haben würden. Sie gingen zum Beispiel davon aus, dass Einschränkungen, die zuvor ein grün geführtes Umweltministerium auf den Weg gebracht hatte, wieder zurückgenommen würden.
Denn im Saarland galt seit 2011, als einzigem Bundesland, eine halbjährige Schonzeit für Füchse. In Teilen des Landes, in der Biosphäre, durften diese überhaupt nicht gejagt werden. Mit eindringlichen Argumenten, zu viele Füchse brächten das biologische Gleichgewicht durcheinander, warb der damalige Landesjägermeister Daniel Hoffmann für ein Umdenken bei der schwarz-roten Landesregierung.
Daniel Hoffmann: "Verlust von Biodiversität in der Agrarlandschaft, mit diesen Konsequenzen müssen wir dann leben, wenn wir weitere Schonzeiten für den Fuchs einführen."
Schonzeit für Füchse und ihren Nachwuchs?
Tatsächlich ging die Landesregierung zunächst von einer Verlängerung der Schonzeit für Füchse aus. Aber die Jäger-Lobby schaffte es, das Blatt zu wenden. Zumindest teilweise. Die Schonfrist für Füchse wurde wieder verkürzt. Aber die Regierung blieb hart gegenüber der Forderung, Fuchswelpen ganzjährig zum Abschuss frei zu geben. Die Jäger sind enttäuscht.
Jäger: "Mit diesem Gesetz bin ich überhaupt nicht einverstanden, dass man so einen Prädator, einen Gewinner der Kulturlandschaft, so schont, find ich nicht in Ordnung."
Der Fuchs sei das beste Beispiel dafür, dass Jäger wissenschaftlichen Erkenntnissen und empirischen Belegen kaum zugänglich seien, sagt Detlef Reinhard.
Detlef Reinhard: "Der Fuchs ist so etwas wie die heilige Kuh der Jagd; ich kann's gar nicht verstehen."
Reinhard ist selbst Jäger und beim NABU, beim Naturschutzbund im Saarland, zuständig für die Jagd. Aus Sicht der Naturschützer macht es keinen Sinn, Füchse zu bejagen.
Reinhard: "Je stärker ich in die Population eingreife, umso mehr reproduziert er. Je größer ich den Druck ausübe auf die Wildart, also schieße, je mehr ich das tue, um so mehr reagiert die Population, umso mehr Junge gibt es."
Im Nationalpark Bayerischer Wald zum Beispiel seien Füchse im jagdfreien Teil über mehrere Jahre beobachtet worden. Sie hätten die Größe ihrer Reviere ausgedehnt und durchschnittlich wesentlich weniger Jungtiere zur Welt gebracht als ihre von Menschen bedrohten Artgenossen. Eine inhaltliche Debatte über das Für und Wider von Schonzeiten bei Füchsen oder anderer Positionen des saarländischen Jagdgesetzes wurde jedoch nur ansatzweise geführt. Vieles wurde von Emotionen überlagert. Denn nüchtern betrachtet kämen die Jäger auch mit den gefundenen Kompromissen durchaus zurecht, resümiert der amtierende saarländische Landesjägermeister Josef Schneider.
Josef Schneider: "Wir haben bei den Füchsen eine Jagdzeit vom 1. Juli bis zum 28. Februar, insgesamt können wir damit leben."
Eine Auffassung, die von der überwiegenden Zahl der saarländischen Jäger nicht nur im Blick auf den Fuchs sondern auch im Blick auf das vor einem Jahr in Kraft getretene Gesetz geteilt wird.
Umfrage: "Nicht 100 Prozent, ich meine, es hätte schlimmer kommen können. Aber da sind ja viele Dinge drin, die der Forstwirtschaft geschuldet sind. Also, der Forst hat im Wesentlichen seine Interessen durchgesetzt, weil er das Rehwild meines Erachtens als Feind sieht und die Jagdzeiten ausdehnt. Entspricht zwar nicht den Forderungen, aber wir können damit leben, müssen damit leben. Für unser Revier ist es verkraftbar, das Ganze. Besser als erhofft, was nicht durchdacht ist, die bleifreien Geschosse, da lässt man der Industrie zu wenig Zeit, diese zu entwickeln. Wir schießen seit 150 Jahren Blei, das hat sich bewährt. Dass bleifreie Geschosse kommen, ist eine Sache für die Umwelt, finde ich gut, aber das können wir nicht in zwei Jahren schaffen."
Blei oder bleifrei - das ist hier die Frage
Die Frage: Blei oder bleifrei, beschäftigt die Landesgesetzgeber, den Bund und die Industrie. Im Saarland darf im Staatsforst bereits jetzt nicht mehr mit Blei geschossen werden und spätestens 2017 müssen auch die Jäger in den Privatwäldern auf bleifreie Munition umstellen. Auch im Bund, wo die Novellierung des Bundesjagdgesetzes ansteht, werden augenblicklich die Vor- und Nachteile diskutiert. Eine Festlegung in welche Richtung es gehen werde, ob der Bund ein Bleiverbot verfügt, sei jedoch noch nicht getroffen, lässt das zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium verlauten.
Auf Einladung der saarländischen Jägervereinigung referiert Gerhard Gruber, ein Vertreter der Rüstungsindustrie über den aktuellen Stand der Forschung. Die Industrie arbeite intensiv an einem Bleiersatz, der annähernd die gleichen Eigenschaften aufweise wie das zuverlässige Blei, sagt der Repräsentant der RUAG, einer der bekanntesten Hersteller kleinkalibriger Munition. Noch aber habe man den Stein der Weisen nicht gefunden.
Gerhard Gruber: "Es gibt bei den bleihaltigen und bei den bleifreien, quasi bleifreien, gute und schlechte, aber, sie knüpft noch nicht an die Ergebnisse von bleihaltiger Munition an."
Blei töte zuverlässiger, zumindest noch. Das gelte vor allem für längere Distanzen, und das sei ebenso im Sinne des Tierschutzes wie regelmäßiges Training mit der Waffe.
Armin Birk: "Das Schießen ist die Kernkompetenz des Jägers, wenn ich ein Stück Wild erlege, ein Lebewesen tot schieße, dann muss ich das ohne Qualen machen."
Jeder der im Saarland an einer Bewegungsjagd teilnehmen möchte, muss künftig einen Schießleistungsnachweis erbringen, eine sogenannte Drücknadel, das verfügt das neue Jagdgesetz.
Der Übungsschießstand wird seitdem rege nachgefragt.
Szene Schießstand: "Jetzt wird geübt. Ist die Waffe eingeschossen, schießt, jawohl; willst Du auf die Scheibe schießen, dann bitte Waffe auspacken..."
Modernste Technik ist hier im Einsatz.
Der Computer zeigt einen Treffer, die zehn, das bedeutet, mitten ins Herz. Dirk Bennat, der Schütze, ist zufrieden.
Dirk Bennat: "Das sollte schon der Standard sein, zumindest die neun zu treffen, aufgelegt auf 100 Meter, sollte der Regelfall sein."
Allein 10.000 Rehe und 4000 Wildschweine haben die Jäger im vergangen Jahr zur Strecke gebracht. Und die Förster sähen es gern, wenn die Jäger noch mehr davon erlegen würden, um den Wald zu schützen. Diesen ständig schwelenden Konflikt konnte auch das Jagdgesetz nicht lösen. Aber die Jäger sehen sich durch die Ergebnisse der Bundeswaldinventur argumentativ im Vorteil.
Josef Schneider: "Der Bundeslandwirtschaftsminister hat also festgestellt, dass der Wald in einem so guten Zustand ist, wie seit Jahren nicht. In Deutschland wird sehr viel mehr Holz erzeugt, als überhaupt verbraucht wird. Und das Saarland ist besonders gut aufgestellt nach dieser Bundeswaldinventur. Denn gerade im Saarland ist, was die Laubholzarten anlangt, der Holzzuwachs bundesweit mit am höchsten."
Erneuter Streit steht der Landesregierung ins Haus, wenn es um den Einsatz von Wildkameras im Wald geht. Die oberste Datenschützerin des Saarlandes, Judith Thieser, schätzt, dass zwischen 500 und 1000 Kameraaugen augenblicklich den saarländischen Wald absuchen. Die Kameras dürfen lediglich in niedriger Höhe angebracht werden, damit sie keine Waldspaziergänger ins Visier nehmen und sie dürfen nur in der Nähe von Futterplätzen - so genannten Kirrungen - hängen, um das Wild zu beobachten. Klar geregelt ist auch, dass die Jäger den Einsatz der Kameras melden müssen, nur damit hapert es, sagt Judith Thieser.
Judith Thieser: "Im Moment wird sehr zögerlich gemeldet."
Jagd sorgt auch ohne Gesetzesnovelle für Diskussionen
Die Jäger haben vor dem saarländischen Verwaltungsgericht ein Verfahren gegen die Meldepflicht angestrengt. Sie stützen sich bei ihrer Klage auf das neue Jagdgesetz, das die Futterplätze für Wildtiere, für nicht öffentlich erklärt, erläutert der Landesjägermeister.
Schneider: "Vor dem Hintergrund stehen wir auf dem Standpunkt, dass die entsprechende Vorschrift im Bundesdatenschutzgesetz, die ja ausdrücklich darauf abstellt, dass, an öffentlich zugänglichen Orten keine Kameras aufgehängt werden dürfen. Diese Vorschrift würde dann, wenn das Verwaltungsgericht unsere Auffassung teilt, so nicht mehr anwendbar sein können."
Die Datenschutzbeauftragte hält dagegen.
Thieser: "Das ändert an unserer Bewertung nichts, denn es gilt das grundsätzliche Verbot, mit Videokameras jemand aufzunehmen. Und die Menschen müssen ja erstmal die Kirrungen erkennen, ehe sie in den Bereich kommen oder eben nicht hinein gehen. Und die Kirrungen sind ja ganz unterschiedlich. Das ist ja zum Anlocken des Wildes. Manchmal liegt was auf dem Boden, manchmal liegt ein Salzstein dort, das erkennt man ja gar nicht. Wenn also jetzt gesagt wird wir brauchen sie nicht zu melden, weil sich im Gesetz was geändert hat, dann ist das ein Irrglaube."
Wie auch immer das Verwaltungsgericht entscheiden wird, die Jagd sorgt auch ohne Gesetzesnovelle für Diskussionen.